Memtheorie

Memtheorie

Memetik ist eine umstrittene Theorie der kulturellen Evolution. Sie ist die Lehre von der Beschaffenheit und Wirkungsweise von so genannten Memen als Trägern der kulturellen Entwicklung in Analogie zur biologischen Evolution und der Genetik. Memesis bezeichnet dabei den Prozess der Evolution von Kultur, die sich nach der Memetik immer mehr vom Menschen löst.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Die Memetik geht auf das englische Kunstwort memetics zurück, das sich auf den griechischen Terminus der μνήμη, Mneme, Mnemosyne, „die Muse der Erinnerung“, beruft. Das Grundelement und -wort der Memetik Mem ist etymologisch dem Begriff Gen nachempfunden und hat mehrere weitere Bezüge: zum französischen même: gleich, zum lateinischen memoria: Gedächtnis und zum griechischen mimen: nachahmen.

Theoriegeschichte

Der Begriff der Memetik wurde im Anschluss an die Thesen Richard Dawkins' geprägt. Dawkins griff dabei nach eigenem Bekunden auf die 1975 geäußerten Thesen des amerikanischen Anthropologen F. T. Cloak über die Existenz von „corpuscles of culture“, von Kulturkörperchen auf neuronaler Ebene, als Grundlage der kulturellen Evolution zurück. Daniel Dennett wird neben Dawkins und Blackmore ebenfalls als Memetiker bezeichnet. Geistig verwandt mit der Memetik und quasi ihre ältere Schwester im deutschsprachigen Raum ist die Kulturethologie, die 1970 von Otto Koenig formuliert wurde. Auch sie beschäftigt sich mit der Evolution von Kultur, zieht dafür jedoch nicht das Konstrukt eines Mems heran, sondern arbeitet rein deskriptiv.

Information als lebende Einheit

Dawkins macht keinen Unterscheid darin, ob eine Information sich auf einem DNA-Abschnitt befindet, als Gedanke im Hirn abgespeichert, als Satz in einem Buch abgedruckt oder als gesprochenes Wort von Mensch zu Mensch unterwegs ist. Informationen vermehren sich, egal, ob als Gen durch die Zellteilung und der damit einhergehende Replikation des DNA-Strangs oder mittels Kommunikation beim Mem.

Im Moment der Kommunikation fertigt der Gedanke in dem einen Hirn eine Kopie seines Gedanken in einem anderen Hirn an. Dadurch vermehrt sich das Mem genauso, wie jede andere lebende Struktur. Beschreibungsmodelle von Gedanken unterliegen damit sehr ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie die der Evolution in der Biologie.

Bedeutung

Die Memetik besteht demnach aus ihrer Etymologie („Wahre Herkunft der Wörter“) und der Geschichte der Memetik.

Im Rechtswesen kann nach Auffassung von Christoph Henke [1] Memetik die Frage klären, nach welchen Gesetzmäßigkeiten außerjuristische Einflüsse in die Rechtsordnung eindringen und nach welchen Kriterien die Rechtsfindung außerjuristischen Wandel nachvollzieht. Demnach sei ein „Stück Papier, das kopiert wird“ ebenso ein Replikator wie die DNS. Phänotypen des Rechts seien „Urteile, Fachbücher, Aufsätze oder Lehrveranstaltungen“. Die Rechtsordnung tendiere zu einem Gleichgewichtszustand, in dem sich die „am besten angepassten“ Normen mit der „längsten Halbwertszeit“ durchsetzen würden; nur der Gesellschaftswandel würde die Erreichung eines absoluten Gleichgewichtszustands verhindern. Die für die Anpassung relevante Umwelt sei das „Rechtsempfinden der Mehrheit der Bevölkerung“. Ein Beispiel für eine Norm mit langer Halbwertszeit sei das Verbot, einen anderen Menschen zu töten.

Literatur

  • Scott Atran, The Trouble with Memes, Human Nature 12, 4 (2001), S. 351 ff. [2]
  • Aunger, Robert (Hrsg.): Darwinizing Culture: The Status of Memetics As a Science. University Press, Oxford 2001, ISBN 0192632442
  • A. Becker u. a.: Gene, Meme und Gehirne. Geist und Gesellschaft als Natur. Eine Debatte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2003, ISBN 3518292439
  • Susan Blackmore: Die Macht der MEME oder Die Evolution von Kultur und Geist. Heidelberg/Berlin 2000, ISBN 3827410029
  • Rolf Breitenstein: Memetik und Ökonomie - Wie die Meme Märkte und Organisationen bestimmen. LIT, Münster 2002, ISBN 3825862461
  • F. T. Cloak: Is a cultural ethology possible?. In: Human Ecology. Plenum, New York/London 3.1975, 161-182. ISSN 0300-7839
  • Richard Dawkins: Das egoistische Gen. Rowohlt, Hamburg 1996, ISBN 3499196093
  • Juan Delius: Of mind memes and brain bugs, a natural history of culture. In: W. A. Koch (Hrsg.): The Nature of Culture. Brockmeyer, Bochum 1989. ISBN 3-88339-553-6
  • Nikolaus Ritt: Selfish sounds and linguistic evolution. University Press, Cambridge 2004. ISBN 0-521-82671-3
  • Franz Wegener: Memetik. Der Krieg des neuen Replikators gegen den Menschen. Gladbeck 2001, ISBN 3931300080
  • Daniel Dennett: Darwins gefährliches Erbe. Hoffmann un Campe Hamburg 1997

Weblinks


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