Michael Petrowitsch Dewjatajew

Michael Petrowitsch Dewjatajew

Michail Petrowitsch Dewjatajew (russisch Михаил Петрович Девятаев; * 8. Juli 1917 in Torbejewo, Mordwinien/ Russland; † 24. November 2002 in Kasan, Tatarstan/ Russische Föderation) war Leutnant und Kampfflieger der Roten Armee. Er wurde bekannt durch seine spektakuläre Flucht kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit einem deutschen Flugzeug aus dem zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom gehörenden Gefangenenlager Karlshagen (siehe Mahn- und Gedenkstätte Karlshagen), einem Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück, in dem vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit inhaftiert waren.

Nachdem er sich aufgrund von Zweifeln am Ablauf der Flucht zunächst Vorwürfen der Kollaboration mit den Deutschen ausgesetzt sah, wurde er zwölf Jahre später in der sowjetischen Öffentlichkeit rehabilitiert und mit dem Ehrentitel „Held der Sowjetunion“ ausgezeichnet. Er flog jedoch nie wieder ein Flugzeug, sondern arbeitete in seinem erlernten Beruf als Schiffsführer in der zivilen Schifffahrt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Militärdienst

Dewjatajew wurde 1917 als 13. Kind einer Bauernfamilie geboren. 1938 schloss er eine Ausbildung zum Schiffsnavigator ab und arbeitete anschließend als Kapitän auf einem kleinen Schiff auf der Wolga. Im selben Jahr wurde er in die Rote Armee eingezogen und begann seine Ausbildung als Pilot an der 1. Orenburger Fliegerschule, die er 1940 beendete.

Bereits zwei Tage nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erzielte Dewjatajew seinen ersten Abschuss eines deutschen Ju-87-Flugzeuges. Er wurde dafür mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet. Am 23. September desselben Jahres wurde er schwer verwundet. Nach einem darauf folgenden längeren Krankenhausaufenthalt betraute man ihn zunächst mit dem Führen von langsam fliegenden Bombern und Flugzeugen zum Verwundetentransport. In Folge eines Treffens mit dem bekannten russischen Flieger Alexander Iwanowitsch Pokryschkin im Mai 1944 nahm er dann seine Tätigkeit als Jagdflieger wieder auf. Im gesamten Verlauf des Zweiten Weltkrieges erzielte er bei 150 Einsätzen neun Abschüsse deutscher Flugzeuge.

Gefangennahme und Flucht

Am 13. Juli 1944 wurde Dewjatajew hinter den deutschen Linien in der Ukraine in der Nähe der Stadt Lemberg selbst abgeschossen. Nach dem Absprung aus seinem brennenden Flugzeug wurde er schwer verwundet gefangengenommen. Er wurde zunächst in einem Konzentrationslager in der Nähe von Łódź gefangengehalten. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch am 13. August erfolgte seine Verlegung in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Im November gelangte er schließlich in das zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde gehörende Lager Karlshagen I, in dem vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit im Rahmen des deutschen Programms zur Entwicklung der Waffen, die von der NS-Propaganda als V1- und V2-Raketen bezeichnet wurden, untergebracht waren.

Ein deutscher Mithäftling sorgte dafür, dass Dewjatajew in ein Häftlingskommando eingeteilt wurde, das direkt auf dem Flugplatz tätig war. Dewjatajew begann daraufhin zusammen mit einer kleinen Gruppe von Gefangenen, Fluchtpläne auszuarbeiten. So beobachteten sie die Startvorbereitungen der deutschen Piloten, ein Mitglied der Gruppe übersetzte die deutschen Beschriftungen von Instrumenten aus Flugzeugwracks. Eines der wichtigsten Erlebnisse während dieser Vorbereitungen war, dass Dewjatajew einem deutschen Piloten dabei zusehen durfte, wie dieser eine He-111 für den Start vorbereitete. Der Deutsche zeigte dabei Dewjatajew bereitwillig alle dafür notwendigen Abläufe und Handgriffe.

Am 8. Februar 1945 gelang es einer Gruppe von zehn Gefangenen, auf dem Gelände der Heeresversuchsanstalt ein deutsches He-111-Bombenflugzeug zu übernehmen und mit diesem von der Insel zu fliehen. Außer Dewjatajew waren an der Flucht noch Wladimir Sokolow, Iwan Kriwonogow, Michail Jemez, Pjotr Kutergin, Wladimir Nemtschenko, Nikolaj Urbanowitsch, Trofim Serdjukow, Fjodor Adamow und Iwan Olejnik beteiligt. Dewjatajew flog dabei das Flugzeug als Pilot. Versuche von deutscher Seite, das Flugzeug abzufangen, schlugen fehl. Trotz Beschädigung durch die Luftabwehr der Roten Armee gelang es Dewjatajew, das Flugzeug auf sowjetisch besetztem Gebiet zu landen. Die damit erfolgreich Geflüchteten lieferten den sowjetischen Behörden wertvolle Informationen über das deutsche Raketenprogramm.

Das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten zweifelte jedoch die Darstellung Dewjatajews an, da es der Meinung war, dass eine Flucht ohne Zusammenarbeit mit der deutschen Seite unmöglich gewesen wäre. Dewjatajew wurde demzufolge verdächtigt, für die Deutschen als Spion tätig zu sein, und in eine Strafeinheit der Armee versetzt. Von dort wurde er im November 1945 entlassen, nachdem Aussagen von früheren Mitgefangenen und ein Verhörprotokoll des deutschen Luftflottenkommandos 6 zu seiner Entlastung beitrugen. Von den mit ihm Geflohenen überlebten nur drei den Krieg, sechs waren in den letzten Tagen des Krieges beim Kampf um Berlin gefallen.

Leben nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ende des Krieges war er als Hafenarbeiter in Kasan tätig. Erst 1957 wurde Dewjatajew vom Vorwurf der Kollaboration mit den Deutschen freigesprochen, nachdem der Leiter des sowjetischen Raumfahrtprogramms Sergei Pawlowitsch Koroljow sich für ihn einsetzte und argumentierte, dass die von Dewjatajew und seinen Begleitern gelieferten Informationen von entscheidender Bedeutung für die sowjetische Raumfahrt gewesen seien. Am 15. August desselben Jahres wurde Dewjatajew der Titel Held der Sowjetunion verliehen. Über ihn erschienen mehrere Bücher und Zeitungsartikel. Er lebte weiterhin in Kasan und arbeitete als Kapitän von Passagierschiffen auf der Wolga.

Dewjatajew starb im Jahr 2002 und wurde auf dem Ehrenfriedhof der Stadt Kasan beerdigt. In seiner Geburtsstadt Torbejewo ist ihm ein Museum gewidmet, in Kasan und in Peenemünde auf Usedom erinnern Denkmäler an ihn. Die Stadt Wolgast verlieh ihm am 17. Juli 1970 die Ehrenbürgerschaft. Bis kurz vor seinem Tod war er noch mehrfach zu Gast in Peenemünde, wo auf dem Gelände der ehemaligen Heeresversuchsanstalt heute ein Museum besteht. Im Juni 1999 traf er dabei den deutschen Piloten, der damals den Auftrag bekommen hatte, ihn mit einer Junkers Ju 88 zu verfolgen und abzuschießen.

Dewjatajew war zweifacher Träger des Rotbannerordens.

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