- Milreu
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37.095084-7.904127Koordinaten: 37° 5′ 42″ N, 7° 54′ 15″ W
Die römischen Ruinen von Milreu sind ein typisches Beispiel einer iberischen Villa rustica in Portugal und seit 1932 ein Nationaldenkmal. Sie liegen ca. 7 km nördlich der Algarve-Hafenstadt Faro, dem römischen Ossonoba, am Fuße der aufsteigenden Hänge des Küstengebirges nahe dem heutigen Ort Estói. Die Anlage ist als Freilichtmuseum zugänglich. Ihre Entstehung hängt mit dem Aufschwung in den Provinzen Lusitania und Hispania im Verlauf des 1. Jahrhunderts zusammen. In späterer Zeit wurde es zu einem reich ausgestatteten Wohnkomplex ausgebaut.
A. de Resende vermutete 1770 aufgrund von Marmorsäulen und anderen Funden aus römischer Zeit, dass Milreu das römische Ossonoba sei. Diese Zuschreibung hatte Bestand bis A. Viana 1952 nachwies, dass sich Ossonoba unter der Altstadt Faros befindet. Sebastião Philippes Martins Estácio da Veiga führte im Jahre 1877 eine erste großflächige Ausgrabung des Geländes durch. Bis Mitte der 1990er Jahre wurde es dann durch das Deutsche Archäologische Institut (DAI) untersucht. Dabei wurden primär die im 3. Jahrhundert errichteten Gebäude gefunden. Die Bruchsteinsockel und Lehmwände des 1. Jahrhunderts blieben dagegen zunächst unerforscht.
Östlich der Villa liegen zwei Mausoleen. Das rechteckige Podium und mit einem für 10 Urnen vorgesehenen Columbarium, ist ins 1.–2. Jahrhundert zu datieren. Das zweite Mausoleum war für einen Sarkophag vorgesehen.
Eine römische villa umfasste die pars urbana, den Wohnteil, und die pars rustica, den Wirtschaftsteil. Der aus Baetica stammende Columella führt auch noch einen dritten Teil ein: den pars fructuaria. Das sich um den zentralen Peristylhof ausbreitende heutige Areal ist ein Bauentwurf des 2. Jahrhunderts, als man über der älteren Villa ein neues Gebäude mit großem Peristyl und Atrium errichtete. Diese Villa wurde bis Ende des 3. Jahrhunderts genutzt. Der folgende Umbau betraf primär die Wirtschaftseinheit. Es sind nun Unterkünfte für das Gesinde und eine Weinkelterei zu identifizieren. Zum Wirtschaftshof gehörte neben der Weinkelterei und einer gewaltige Ölmühle mit fünf Presstennen auch drei Kellerräume zur Bevorratung von Öl.
Das Peristyl umschloss einen Garten mit Wasserbecken. An einer Schmalseite gruppierten sich rund um ein kleines Atrium mit Springbrunnen die Privatgemächer mit einzelnen beheizten Räumen. An der gegenüberliegenden Seite diente ein großer, rechteckiger Raum mit Apsis als Triclinium. Daneben lag eine beachtenswerte Therme.
Im 4. Jahrhundert wurde besonders der Osten des Peristylhofes mit maritimen Mosaiken ausgestattet und jenseits der Straße ein reich verziertes noch bis zum Gewölbeansatz erhaltenes Kultgebäude errichtet. Durch ein Portal gelangte man in den Innenhof, in dessen Zentrum der auf ein Podium erhobene Kultbau mit dem Säulenumgang liegt. Von seiner einst außergewöhnlichen Farbigkeit zeugen zahllose Marmorfragmente sowie polychrome Fischmosaike. Die gefundenen Fragmente erlaubten die Rekonstruktion des nach einem einfachen Schema entworfenen Bauwerks. Die cella überdeckt einen quadratischen Grundriss mit einem Kreuzgewölbe. Angefügt ist eine Apsis mit farbigen Mosaiken in der Gewölbekuppel. Der Bau weist alle Charakteristika des klassischen Umgangstempels auf. Im 19. Jahrhundert war im Zentrum der cella noch ein sechseckiges Wasserbecken sichtbar, ein Hinweis auf einen hier betriebenen Wasserkult (Nymphäum). Das Bauprogramm ist bemerkenswert, da zu einer Zeit, in der sehr viele christliche Kirchen auf der iberischen Halbinsel entstanden, hier mit großem Aufwand ein heidnisches Heiligtum von einem Großgrundbesitzer errichtet wurde.
Nachrömische Funde unterstreichen die Tradition Milreus als Kultplatz. Die Umgestaltung des heidnischen Kultbaus in eine christliche Kirche im Verlauf des 6. Jahrhunderts belegt ein rechteckiges Taufbecken im Hof. Gleichzeitig baute man das Hofareal zu einem kleinen Friedhof aus. Körpergräber und ein kleines Mausoleum umgaben nun den Podiumsbau. Ins 9. Jahrhundert datierte Grabinschriften nennen die muladi-Familie Al-Hámmú („von den warmen Quellen“). Zusammen mit archäologischen Funden zeugen sie von der Besiedlungskontinuität bis in die Zeit der Umayyaden. Zugleich liegt die Annahme nahe, dass der Kultbau in islamischer Zeit weiter als Gebetsplatz genutzt wurde.
Als der Kuppelbau in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts einstürzte, wurde der Platz aufgegeben. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erwachte das Leben an dieser Stelle neu. Zeugnis der Wiederbesiedlung ist das (im Vergleich zur früheren Anlage jedoch bescheidene) noch heute stehende Gutshaus – eine für die Algarve einzigartige Kombination von Landhaus mit Ecktürmchen, die mit Schießscharten versehen sind.
Bilder
Commons: Milreu – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienLiteratur
- Portugiesisches Institut des archäologischen Patrimoniums (Hrsg.): Roteiros da Arquelogia portuguesa: Milreu - Ruinen, 2002, Lisboa
- Thomas G. Schattner (Hrsg.): Archäologischer Wegweiser durch Portugal, Philipp von Zabern, Mainz 1998 S. 204–207. ISBN 3-8053-2313-1 (Kulturgeschichte der antiken Welt, Band 74).
- Felix Teichner: Zwischen Land und Meer – Entre tierra y mar. Studien zur Architektur und Wirtschaftsweise ländlicher Siedlungen im Süden der römischen Provinz Lusitanien. Stvdia Lvsitana 3 (MNAR) / Madrider Beitr. (DAI) 2008 S. 93 ff. ISBN 978-84-612-7893-0
- Walter Trillmich und Annette Nünnerich-Asmus (Hrsg.): Hispania Antiqua – Denkmäler der Römerzeit. von Zabern, Mainz 1993, ISBN 3-8053-1547-3, bes. S. 72-80, Kat. S. 233–235, Farbtafel 2 und 3, Abb. 104.
Weblinks
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