Mißverständnis

Mißverständnis

Der Begriff Missverständnis bezeichnet in der menschlichen Kommunikation den Unterschied zwischen dem, was auf der einen Seite der Sender gemeint und auf der anderen Seite der Empfänger verstanden hat. Der Empfänger versteht in diesem Fall etwas anderes, als der Sender gemeint hat.

Inhaltsverzeichnis

Begriffabgrenzung

Kennzeichnend für Missverständnisse ist, dass sie erst dann bemerkt werden, wenn sie schon passiert sind. Dies ergibt sich aus der Abfolge von Senden, Empfangen und Interpretieren.

Doch wird nicht jedes Missverständnis bemerkt; ein Mensch wird nie in der Lage sein, die Intention eines jeden Satzes vollständig zu verstehen, da Terme für unterschiedliche Sprecher unterschiedliche Bedeutungen haben.

Dennoch ist der Mensch kontinuierlich darauf angewiesen, auf das Verstehen der Intention zu vertrauen. Dieses Vertrauen kann aber eine Fehlinterpretation verursachen: Eine noch ungesicherte Annahme wird zu hoch bewertet und als gesichertes Wissen gesehen; ein Missverständnis.

Missverständnis versus Missverstehen

Ein Missverständnis ist nicht mit dem Missverstehen gleichzusetzen. Das Missverstehen hat seine Ursache in fehlerhaftem akustischen Verstehen, oder es basiert auf einer inkorrekten Ausdrucksweise.

Missverständnis versus Irrtum

Während ein Missverständnis - wie oben schon erwähnt - dadurch zustandekommt, dass man etwas anders versteht, als es gemeint war, handelt es sich bei einem Irrtum im engeren Sinne um eine falsche Annahme, Behauptung oder Meinung. Dabei sind der Behauptende oder Meinende jeweils von der Wahrheit ihrer Aussage(n) überzeugt. Im Zivilrecht ist ein „Irrtum“ folgenreich, und hier besteht eine eigene „Irrtumslehre“ mit sorgfältigen Definitionen (siehe auch Vertrag).

Missverständnis versus Unverständnis

Unverständnis kann mit einem Missverständnis einhergehen und dessen Ursache oder Folge sein, aber auch davon unabhängig – und von einem unmittelbaren kommunikativen Akt losgelöster – als grundlegendes Nichtverstehen oder Ablehnung bzw. mangelnde Zustimmung auftreten. Während ein Missverständnis eher als Fehler oder Störung in der Kommunikation zu sehen ist, bezieht sich Unverständnis in der Regel eher auf die Haltung einer einzelnen Person.

Ursachen von Missverständnissen

Ein Missverständnis kann dadurch entstehen, dass sich der Sprechende mehrdeutig, kompliziert oder verklausuliert ausdrückt bzw. in Bezug auf das Gesagte widersprüchlich verhält. Hinzu kommt jedoch, dass ein und dieselbe Nachricht von verschiedenen Menschen unterschiedlich aufgenommen werden kann. Wo der Eine eine sachlich neutrale Frage erblickt, sieht ein anderer eventuell schon einen Vorwurf. Zu einem Missverständnis kann es also auch kommen, wenn der Empfänger ohne in weitere Kommunikation mit dem anderen zu treten, dessen Sprechen alleine interpretiert. So wird das Gehörte umgedeutet, bis hin zu der Annahme, dass es der andere ja gar nicht so gemeint habe. Problematisch hierbei ist insbesondere, dass es in solch einer Situation nicht mehr zu einer weiteren verbalen Kommunikation, zu einer Auseinandersetzung mit dem anderen kommt. Das Gesagte wird eigenmächtig durch eine Fiktion ersetzt. Letztlich kann man wohl sagen, dass es sich hierbei auch um eine Form der Machtausübung handelt.

Folgeketten von Missverständnissen

Viele Missverständnisse werden oft nicht einmal bemerkt - und wenn, dann werden sie als unwichtig abgetan. Jedoch ist es schwierig zu unterscheiden, ob dies in der gegebenen Situation ein Fehler ist oder nicht.

Am Beispiel des Stille-Post-Spielens lassen sich Folgeketten von Missverständnissen treffend beschreiben. Bei der Weitergabe von Nachrichten wird die ursprüngliche Meldung verfälscht. Missverständnisse werden hier nicht vereitelt. Die Rückfrage entfällt, das Verstandene wird unter hinzufügen der eigenen Interpretation weitergegeben.

Folgeketten von Missverständnissen müssen jedoch - wie beim Stille-Post-Spiel - nicht unbedingt über mehrere Empfänger/Sender gehen. Für fatale Konsequenzen aus Folgeketten von Missverständnissen reicht aus, wenn zwei Sender/Empfänger sich gegenseitig wiederholt missverstehen und auf diesen Missverständnissen ihre weitere Kommunikation aufbauen.

Missverständnisse in Volkserzählungen

Das Missverständnis ist ein bestimmender Teil etlicher Erzählungen; die volkskundliche Erzählforschung differenziert zwischen drei Arten: dem falschen Verstehen von Worten, der falschen Auffassung einer gemeinten Aussage und dem gegenseitigen Nichtverstehen aufgrund unterschiedlicher Ansichten. Dabei handelt es sich jeweils entweder um ein akustisches Problem (z. B. bei Schwerhörigen) oder um ein sprachliches (z. B. im Falle einer Fremdsprache) oder um ein semantisches (z. B. durch das Wörtlichnehmen einer Redensart) oder um ein provoziertes (z. B. aufgrund von Täuschung mithilfe eines Homonyms) oder um ein kulturelles (z. B. im Zuge einer eingeschränkten Wahrnehmung der Realität). Ernste Missverständnisse enden oft tragisch und sind daher Bestandteil von Sagen. Lächerliche Missverständnisse werden hingegen in Schwänken und Witzen thematisiert.

Missverständnisse als Chance

Im Alltag geben uns Missverständnisse die Chance, den Anderen besser zu verstehen. Dies kann zum Beispiel durch den Appell an den Empfänger geschehen, die ihm eben mitgeteilte Botschaft nochmals zu wiederholen - und darauf zu achten, ob das vom Sender Gemeinte auch so aufgefasst wurde (siehe auch Paraphrasierung, Verständigung). Auch beinhalten Missverständnisse die Chance, mehr über sich selbst zu erfahren, denn gerade die Interpretation des Gesagten teilt etwas über den Empfänger mit. Zudem hilft der Spruch "Höre auf das, was ich sage, und nicht auf das, was ich meine" oder (anders ausgedrückt) auf das, was Du glaubst, was ich gemeint haben könnte. Dies zeugt auch von Achtung vor dem anderen und Wahrnehmung seines Subjekts.

Siehe auch

Literatur

  • Walter Krämer und Götz Trenkler: Lexikon der populären Irrtümer. 500 kapitale Missverständnisse, Vorurteile und Denkfehler von Abendrot bis Zeppelin. Eichborn, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8218-0479-3 (Bestseller, der zahlreichen Nachfolgern als Vorbild diente)
  • Eckhard Henscheid, Gerhard Henschel, Brigitte Kronauer: Kulturgeschichte der Missverständnisse. Studien zum Geistesleben. Reclam, Stuttgart 1997 (Zahlreiche Essays zu Missverständnissen aller Art)
  • Volker Hinnenkamp: Mißverständnisse in Gesprächen. Eine empirische Untersuchung im Rahmen der interpretativen Soziolinguistik. Westdt. Verlag, Opladen 1998, ISBN 3-531-13074-9
  • Siegfried Neumann: Mißverständnisse. In: Enzyklopädie des Märchens; Band 9 (1999), Sp. 707-717.
  • Veit Didczuneit, Anja Eichler, Lieselotte Kugler (Hg.): Missverständnisse: Stolpersteine der Kommunikation, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in den Museen für Kommunikation, Edition Braus im Wachter Verlag, Heidelberg 2008, ISBN 3-8990-4311-1

Weblinks


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