- Tonart
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Eine Tonart wird im Rahmen der seit dem 18./19. Jahrhundert etablierten Dur-Moll-Tonalität bestimmt durch die Feststellung des Tongeschlechts (Dur oder Moll) und des Grundtons der verwendeten Tonleiter.[1]
Beispiel: Tongeschlecht Dur plus Grundton D ergibt die Tonart D-Dur.
Die denkbare alternative Definition über die Festlegung von Grundton und Art der verwendeten Tonleiter wäre problematisch, weil den drei verschiedenen Formen der Molltonleiter (natürlich, melodisch, harmonisch) nicht drei, sondern nur eine Molltonart entspricht. Das Tongeschlecht ist also entscheidender als die Struktur der Leiter.
Dies gilt jedoch nur, solange das traditionelle Dur-Moll-System nicht verlassen wird. Bezieht man z.B. modale Tonleitern mit ein, ändern sich die Verhältnisse.
Inhaltsverzeichnis
Der Tonartbegriff außerhalb der Dur-Moll-Tonalität
Modale Tonleitern
Seit ca. 1900 werden neben den Dur- und Molltonleitern im Rückgriff auf die alten Kirchentonarten auch wieder verstärkt modale Tonleitern wie Dorisch, Lydisch u.a. verwendet. Die mit ihrer Hilfe gebildeten Tonarten können nicht durch bloße Angabe von Tongeschlecht und Grundton gekennzeichnet werden, es sei denn, man fasst diese Tonleitern selbst als Tongeschlechter auf, die zu Dur und Moll hinzutreten.
Diese gelegentlich vertretene Auffassung verbietet sich jedoch, weil heute (im Unterschied zu früheren Zeiten) nur noch Dur und Moll als Tongeschlechter angesehen werden. Ebenso wenig wie man das harmonische Moll als ein vom natürlichen Moll unterschiedenes Tongeschlecht auffasst, kann man z.B. dem Dorischen, das sich vom natürlichen Moll ebenfalls nur durch einen Ton unterscheidet, ein eigenes Tongeschlecht zubilligen. Dorisch und Phrygisch gehören beide (wegen der kleinen Terz über dem Grundton) dem Tongeschlecht Moll, Lydisch und Mixolydisch (wegen der großen Terz) dem Tongeschlecht Dur an. Die Tonartbezeichnungen c-Dorisch oder D-Lydisch setzen sich also zusammen aus der Angabe des Grundtons und der verwendeten Tonleiter, wobei ein kleiner Buchstabe auf Moll und ein großer Buchstabe auf Dur als Tongeschlecht hinweisen.
Freie Tonalität
Die um 1900 einsetzende Loslösung von der tradierten Dur-Moll-Tonalität führte nicht nur zur Atonalität Schönbergs und der Zweiten Wiener Schule, sondern auch zu Versuchen, der Tonalität eine neue Grundlage zu verschaffen. Einer dieser Versuche war die von Paul Hindemith propagierte freie Tonalität.[2] Hier entfällt eine Unterscheidung nach Tongeschlechtern oder diatonischen Tonleitern, weil die gesamte chromatische Tonleiter als Tonmaterial verwendet wird. Tonarten entstehen nur noch dadurch, dass sich einzelne Töne aufgrund ihrer Intervallbeziehungen gegenüber anderen Tönen sozusagen in den Vordergrund drängen und so zu "tonalen Zentren" werden. Eine Tonartangabe im Sinne der freien Tonalität enthält also weder den Bezug auf ein Tongeschlecht noch auf eine Tonleiter, sondern gibt lediglich den Grundton an, also statt C-Dur oder c-Moll nur noch C (ohne alles und immer groß geschrieben). (vgl. Ludus tonalis)
Tonartliche Verhältnisse in Musikstücken
Tonale Musikstücke stehen in der Regel in einer bestimmten Tonart, der sich ihre wichtigsten Abschnitte (vor allem der Schluss, oft auch der Anfang) zuordnen lassen. Mit Kompositionsmethoden wie Modulation und Rückung können die Tonarten innerhalb eines Stücks wechseln, wobei sie meist irgendwann zur Haupttonart zurückführen, so dass diese in der Regel innerhalb eines Stückes dominiert und damit seinen musikalischen Charakter mitbestimmt.
Die Tonart eines Stückes kann insgesamt transponiert werden, indem ein anderer Grundton gewählt und alle Töne des Stückes im gleichen Abstand zu den Originaltönen versetzt werden, so dass ihre Intervalle zueinander und damit das Tongeschlecht unverändert bleiben. Dadurch ändert sich der wesentliche Charakter des Stückes also nicht. Transponieren ist besonders zu Aufführungszwecken populärer Musik üblich und legitim, etwa um ein Stück der Stimmlage von Sängern oder Grundstimmung von Instrumenten anzupassen. In vorklassischer Kunstmusik werden jedoch zum einen oft nicht-gleichstufige Stimmungen verwendet, zum anderen legten Komponisten seit etwa 1700 die Tonart oft ausdrücklich fest, so dass sie im Namen des Stücks genannt wird. Dann ist die angegebene Tonart wesentlich für den vom Komponisten gewünschten Charakter des Stückes und damit für seine Aufführung.
Notation mit Vorzeichen
Die übliche europäische Notation geht von den sieben Stammtönen der C-Dur-Tonleiter aus (a, h, c, d, e, f, g) und bezeichnet alle davon abweichenden Tonstufen der gewünschten Tonart mit Hilfe von Versetzungszeichen (Kreuze oder Bes). Mit der Tonart eines Stückes sind auch die darin in Relation zu C-Dur versetzten Tonstufen von vornherein festgelegt, so dass sie als Vorzeichen zu Beginn des Notensystems jeder Zeile notiert werden und damit die reguläre gleichbleibende Versetzung dieser Tonstufen für die Gesamtdauer eines Stückes oder Abschnitts markieren. In Verbindung mit dem Schlusston und/oder Schlussakkord geben diese Vorzeichen also einen Hinweis auf die Tonart, in der dieses Stück oder dieser Abschnitt stehen.
Die Art und Anzahl der Vorzeichen ergibt sich aus der Entfernung der jeweiligen Tonart von der Ausgangstonart C-Dur, wie sie durch die Anordnung aller Tonarten im Quintenzirkel ersichtlich wird. Dabei bezeichnet jede Vorzeichen-Variante jeweils eine Dur-Tonart und die dazugehörige parallele natürliche Molltonart. Ein Stück ohne Vorzeichen kann also in C-Dur oder in a-Moll stehen; ein Stück mit einem Kreuz in G-Dur oder e-Moll, eins mit einem Be in F-Dur oder d-Moll usw. Eine verlässliche Entscheidung kann meist nur mit Blick auf den Schlusston getroffen werden, der fast immer mit dem Grundton identisch ist.
Auch die Modi werden mit Hilfe von Vorzeichen notiert; hier können bestimmte Vorzeichen jedoch je nach dem Grundton desselben Tonvorrats verschiedene Modi bezeichnen. Eine Tonleiter mit zwei Kreuzen zum Beispiel, die die Töne von D-Dur enthält, kann ausgehend vom Grundton e E-Dorisch, ausgehend vom Grundton a A-Mixolydisch, vom Grundton g dagegen G-lydisch sein.
Andere Tonleitern als Dur, natürliches Moll und Kirchentonarten – etwa Harmonisch-Moll oder Tonleitern aus osteuropäischer, jüdischer oder arabischer Musik – werden nicht durch reguläre Vorzeichen zu Beginn des Notensystems, sondern durch jeweils vor Einzelnoten gesetzte Versetzungs- oder Auflösungszeichen notiert, die von den Tonstufen einer zugrunde gelegten Dur- oder Molltonleiter abweichen. Hierin spiegelt sich, dass Dur und Moll in der neuzeitlichen abendländischen Musik als Regel, andere Tonleiterarten als Ausnahmen betrachtet werden.
In der freitonalen und atonalen Musik wird in der Regel auf eine globale Angabe von Vorzeichen am Beginn eines Stückes ganz verzichtet.
Anordnung und Verwandtschaft der Dur- und Molltonarten
Tonarten und ihre Vorzeichen Vorzeichen: 7 ♭
+fes6 ♭
+ces5 ♭
+ges4 ♭
+des3 ♭
+as2 ♭
+es1 ♭
b0 ♭/♯
1 ♯
fis2 ♯
+cis3 ♯
+gis4 ♯
+dis5 ♯
+ais6 ♯
+eis7 ♯
+hisDur-Tonarten: Ces Ges Des As Es B F C G D A E H Fis Cis Moll-Tonarten: as es b f c g d a e h fis cis gis dis ais Ohne Vorzeichen
Kreuz-(♯)-Tonarten (rechte Seite des Quintenzirkels):
- G-Dur und e-Moll: ein Vorzeichen Fis
- D-Dur und h-Moll: zwei Vorzeichen Fis und Cis
- A-Dur und fis-Moll: Fis/Cis/Gis
- E-Dur und cis-Moll: Fis/Cis/Gis/Dis
- H-Dur und gis-Moll: Fis/Cis/Gis/Dis/Ais
- Fis-Dur und dis-Moll: Fis/Cis/Gis/Dis/Ais/Eis
- Cis-Dur und ais-Moll: Fis/Cis/Gis/Dis/Ais/Eis/His
Be-(♭)-Tonarten (linke Seite des Quintenzirkels)
- F-Dur und d-Moll: B
- B-Dur und g-Moll: B/Es
- Es-Dur und c-Moll: B/Es/As
- As-Dur und f-Moll: B/Es/As/Des
- Des-Dur und b-Moll: B/Es/As/Des/Ges
- Ges-Dur und es-Moll: B/Es/As/Des/Ges/Ces
- Ces-Dur und as-Moll: B/Es/As/Des/Ges/Ces/Fes
Die Tonarten Cis-Dur/ais-Moll, Ces-Dur/as-Moll mit jeweils sieben Vorzeichen werden in Kompositionen nur selten verwendet. Die Tonarten Gis-Dur, Dis-Dur, Ais-Dur, des-Moll, ges-Moll und ces-Moll werden normalerweise gar nicht verwendet, weil ihre Notation mehr als sieben Kreuze oder Bes erfordern würde. Stattdessen setzt man sie mithilfe der enharmonischen Verwechslung mit einer jeweils gleich klingenden, aber weniger Vorzeichen erfordernden Be- oder Kreuztonart gleich. Cis-Dur (sieben Kreuze) wird dann zum Beispiel mit Des-Dur (fünf Bes) identifiziert, Des-Moll (acht Bes) mit Cis-Moll (vier Kreuze) usw.
Abgrenzung von Tonarten
Obwohl der Begriff Tonart meist im oben beschriebenen strikten Sinne verwendet wird, ist er darüber hinaus auch ein umfassenderer Begriff für den harmonischen Bedeutungszusammenhang, in dem sich ein Stück bewegt.
Tonarten haben keine scharfen Begrenzungen. Man könnte also nicht exakt sagen, welche Töne zu einer Tonart gehören und welche nicht. Es ist der harmonische und besonders der melodische Zusammenhang, welcher den Ausschlag gibt. Dies gilt besonders dann, wenn keine Festlegung durch eine Notenschrift vorliegt und man nach dem Gehör entscheiden muss.
Obwohl sich Tonarten durch den Gebrauch ihrer Tonleitern deutlich hervorheben, tauchen in jedem anspruchsvolleren Stück auch gehäuft Töne außerhalb der Tonleitern auf, ohne dass man bereits von einem Tonartwechsel sprechen würde.
Eine Tonart wird zu einem erheblichen Teil durch das Vorkommen charakteristischer Wendungen in Form von Progressionen, Melodien und Kadenzen bestimmt, die gemeinsam auf ein Tonales Zentrum hinweisen.
Siehe auch
- Anderssprachige Tonbezeichnungen
- Quintenzirkel
- Tonartencharakter
- Tonales Zentrum
- Funktionstheorie, Stufentheorie (Harmonik)
Einzelnachweise
- ↑ Lemacher-Schroeder: Harmonielehre, Köln 1958, S. 27
- ↑ Paul Hindemith: Unterweisung im Tonsatz (Theoretischer Teil), Mainz 1937
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