Moebius-Zeichen

Moebius-Zeichen
Klassifikation nach ICD-10
H06.2* Exophthalmus bei Funktionsstörung der Schilddrüse
E05.0+ Hyperthyreose mit diffuser Struma
- Basedow-Krankheit (Morbus Basedow)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die endokrine Orbitopathie (auch: endokrine Ophthalmopathie) äußerst sich klinisch als Exophthalmus (Hervortreten der Augen). Zusammen mit Tachykardie und Struma bildet sie die "Merseburger Trias", gehört also zu den klassischen Symptomen des Morbus Basedow, die bereits 1840 von Carl Adolph von Basedow beschrieben worden waren. Verantwortlich für das auffällige Hervortreten der Augen sind die Veränderungen des hinter dem Augapfel (retrobulbär) gelegenen Gewebes. Eine die Ursache behebende (kausale) Therapie ist bislang nicht bekannt.[1][2][3]

Inhaltsverzeichnis

Krankheitsbild

Beidseitiger Exophthalmus als typische Folge einer endokrinen Orbitopathie

Die endokrine Orbitopathie wird als außerhalb der Schilddrüse (extrathyreoidal) gelegene Manifestation der dem Morbus Basedow zugrundeliegenden Autoimmunprozesse interpretiert und somit die gleichen Ursachen angenommen. Dabei spielen genetische Disposition, Umwelteinflüsse (Bedeutung noch nicht eindeutig geklärt) und ein komplexer immunologischer Prozess eine Rolle. [1]

Definition

Die Definition der endokrinen Orbitopathie ist in der Literatur derzeit nicht einheitlich. Während Franz Grehn sie als eine Erkrankung autoimmunogener Ursache sieht, die bei Schilddrüsenerkrankungen begleitend auftritt[3] und Hädecke und Schneyer sie als extrathyreoidale Manifestation des Morbus Basedow betrachten[1][4], geht Albert Augustin von einer eigenständigen Autoimmunerkrankung ohne kausalen Bezug zu Erkrankungen der Schilddrüse aus und beschreibt unter diesem Oberbegriff auch die immunogene, nicht endokrine Orbitopathie[2].

Symptome

Leitsymptom sind ein Exophthalmus (Hervortreten der Augen aufgrund der Volumenzunahme des hinter retrobulbär gelegenen Fettgewebes), der typischerweise zu einer Verbreiterung der Lidspalte führt, Lidretraktion und Bewegungsstörung der Augen. Zusätzlich können Sehstörung und Weichteilschwellungen (z. B. Ödeme) auftreten. Differentialdiagnostisch ist mittel CT oder NMR ein Tumor auszuschließen.[3]

Exophtalmus

Ursächlich ist die Vermehrung des retrobulbär in der Augenhöhle gelegenen Fettgewebes, das sich bis in die Augenlider vorwölben kann.[3] Das Ausmaß des Exophthalmus lässt sich mit einem Exophthalmometer einfach quantifizieren.

Lidretraktion

Meist ist davon das Oberlid betroffen. Typisch ist, dass die Sklera oberhalb der Regenbogenhaut (Cornea) sichtbar ist (Dalrymple-Zeichen) und beim Absenken des Blickes das Oberlid zurückbleibt (Graefe-Zeichen). Der Lidschlag ist selten (Stellwag-Zeichen).[3] Durch eine starre Fixation wird die Retraktion des Lides verstärkt (Kocher-Zeichen).

Bewegungsstörung der Augen

Sie entstehen durch Schwellung, Infiltration oder Fibrotisierung der Augenmuskeln. Als Folge können Einschränkungen in der Beweglichkeit, Doppelbilder und Schielen auftreten.[3][5] Ein weiteres, typisches Symptom ist das so genannte Möbius-Zeichen, eine teils ausgeprägte Konvergenzinsuffizienz.

Bewegungsstörungen der Lider

Motilitätsstörungen der Augenlider führen häufig zu einer Chemosis der Bindehaut, da durch seltenen oder inkompletten Lidschlag eine Austrocknung des Auges bewirkt wird.[3]

Sehnervenschädigung

In 3% der Fälle kommt es durch eine retrobulbäre Muskelschwellung zu einer Schädigung des Sehnerven (Nervenkompression).[3]

Weitere klinische Zeichen

An weiteren Symptomen bei endokriner Orbitopathie werden genannt:

  • erschwertes Ektropionieren (Gifford-Zeichen)
  • Oberlid-Ödem (Enroth-Zeichen)
  • abnorme Oberlidpigmentierung (Jellinek-Zeichen)
  • horizontale Lidfurche (Pocher-Zeichen)
  • fehlendes Stirnrunzeln bei Blickhebung (Joffroy-Zeichen)
  • Lidzittern bei geschlossenen Lidern (Rodenbach-Zeichen).

Histologie

Histologisch finden sich lymphozytäre Infiltration des retrobulbären Binde- und Fettgewebes und der Augenmuskeln.[1]

Vorkommen und Häufigkeit

Die endokrine Orbitopathie tritt bei Frauen sechsmal häufiger als bei Männern auf. Sie kommt bei 10 % aller Schilddrüsenerkrankten vor und in 80 % der Fälle ist ein Zusammenhang mit einem Morbus Basedow nachweisbar. Thyreotropin-Rezeptor-Autoantikörper korrelieren (zumindest bei Weißen) mit der Aktivität der Erkrankung. 60 % der betroffenen Patienten leiden an einer Hyperthyreose. [3][2]

Therapie

Eine kausale Therapie ist bislang nicht bekannt.[1] Symptomatisch ist bei leichten Formen (Trockenheit der Augen bei Bewegungsstörungen der Lider) lokal der Einsatz von Tränenersatzmitteln oder Salben angezeigt.[2]

In schweren Fällen, bei denen eine vorhandene oder drohende Beeinträchtigung der Sehkraft besteht, werden, solange sich noch keine Fibrose entwickelt hat, zunächst Steroide eingesetzt. Ergänzend kann auch eine Radiotherapie (Orbitaspitzenbestrahlung: Dosis fallabhängig 2–16 Gy) notwendig werden. Auch ein Behandlung der Hyperthyreose ist angezeigt.[2][4]

Liegt bereits eine Fibrose vor, können operative Maßnahmen indiziert sein. Indikationsbezogen werden hier in seltenen Fällen folgende Arten von Operationen durchgeführt[2]:

  • Druckminderung in der Orbita - Verhinderung der Stangulation des Nervus opticus und Verminderung der cornealen Exposition,
  • Augenmuskeloperationen - Verbesserung der Augenbeweglichkeit, Reduktion von Doppelbildwahrnehmung und Kopfzwanghaltung und
  • plastisch- chirurgische Eingriffe an den Augenlidern - Reduktion einer durch inkompletten Lidschlag hervorgerufenen Austrocknung des Auges und Wiederherstellung eines normalen Aussehens.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Hädecke1 J., Schneyer1 U.: Endokrinologische Befunde bei der endokrinen Orbitopathie in Klin Monatsbl Augenheilkd 2005; 222: 15-18; zuletzt eingesehen am 24.März 2008
  2. a b c d e f Augustin A.J.: Augenheilkunde, Springer, 2007, S. 84-85, ISBN 3540304541; hier online.
  3. a b c d e f g h i Grehn F.: Augenheilkunde, Springer, 2008, S. 324 - 325 ISBN 3540752641; hier online
  4. a b Kanski J.J.: Klinische Ophthalmologie Lehrbuch und Atlas, Urban&Fischer, 2008, S. 174 - 176, ISBN 3437234714; hier online
  5. Berlit P.: Klinische Neurologie, Springer, 1999, S. 376-378; ISBN 3540652817; hier online

Literatur

  • Axenfeld/Pau: Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Unter Mitarbeit von R. Sachsenweger u. a., Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1980, ISBN 3-437-00255-4
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