- Motiv (Schach)
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Taktik ist im Schachspiel die koordinierte Anwendung von Kombinationsmotiven nach Kraft, Raum und Zeit mit dem Ziel, Überlegenheit oder Gleichgewicht herzustellen. Kombinationsmotive können Elemente wie Abzug, Doppelangriff, Fesselung oder Schachgebote sein, Überlegenheit oder Gleichgewicht kann direkt durch Schachmatt, Patt, auch Dauerschach oder indirekt durch Materialgewinn oder positionelles Remis erreicht werden. Taktik ist auf ein relativ kurzfristiges Ziel ausgerichtet. Im Allgemeinen spricht man von taktischen Stellungen, wenn eine längere Folge beiderseits erzwungener Züge zu berechnen ist. Mit taktischen Mitteln können schrittweise strategische Ziele erreicht werden.
Es gibt zahlreiche in charakteristischen Situationen und Konstellationen vorkommende typische Motive, die im praktischen Spiel immer wieder auftauchen. Schachspieler bemühen sich, diese Zusammenhänge möglichst gut kennen zu lernen, einerseits, um sie selbst anzuwenden, andererseits, um taktische Absichten des Gegners zu erkennen und Abwehrmaßnahmen zu treffen.
Inhaltsverzeichnis
Motive
Was sind Motive?
Ein Motiv ist in der Schachpartie die Begründung für eine Spielhandlung (Kombination oder Plan). Motive dienen zur Klassifikation von Kombinationen oder Manövern und dem Verständnis der Wirkung der Figuren.
Die Anzahl der theoretisch möglichen Stellungen auf einem Schachbrett wird auf 2*1043 geschätzt. Obwohl von dieser großen Zahl möglicher Positionen nur ein verhältnismäßig kleiner Teil in der praktischen Partie relevant ist, bleibt die Menge der natürlich entstehenden Positionen einer Schachpartie so gewaltig, dass selbst mit Schachcomputern die Berechnung aller möglichen nachfolgenden Varianten unmöglich ist. Es ist also sinnvoll für einen Schachspieler, sich wiederkehrende Stellungsmerkmale einzuprägen und die damit verbundenen strategischen und taktischen Ideen, die Motive, zu erforschen. Jeder Kombination liegt ein Motiv zugrunde. Meist sind es mehrere Motive, die nacheinander oder sogar gleichzeitig wirken.
Es gibt zahlreiche Motive; nicht immer lassen sie sich voneinander trennen:
Diagramm 1 soll ein Beispiel geben, wie selbst in Stellungen mit wenigen Figuren und einfachen Motiven, Probleme bei der Wahl der bestmöglichen Fortsetzung entstehen können.
Nehmen wir an, diese Stellung zur Linken sei aus einer Partie zwischen Herrn Klug und Herrn Schlau hervorgegangen.
Herr Klug führt die weißen Steine und ist am Zug. Nach wenigen Sekunden findet Herr Klug das erste Motiv, nämlich eine Springergabel auf f7, in Diagramm 1a rechts sichtbar. Mit dem Zug Se5-f7+ folgt Herr Klug dem Motiv Springergabel. Zum einen gibt nun der Springer dem schwarzen König Schach, zum anderen bedroht er gleichzeitig den wertvollen Turm. Es handelt sich also um einen Doppelangriff. Herr Schlau muss auf das Schach reagieren und überlegt nicht lange, denn sein einzig möglicher Zug ist Kh7. Herr Klug greift freudig nach seinem Springer, um den Turm d8 zu schlagen, und verliert leider nach Dh3-f3+ (gefolgt von der Gabel Df3-e3+ nebst De3xg1) seinen Turm und bald darauf die Partie.
Herr Schlau lässt es sich nicht nehmen, am Schluss zu bemerken, dass Herr Klug die Partie hätte viel stärker spielen können. Er sah für Weiß eine weitere Springergabel, vgl. Diagramm 1b
Die Idee von Herrn Schlau ist also, auf den Turm zu verzichten, eine andere Springergabel zu nutzen und die wertvollere Dame zu erobern, um damit ein Remis zu erreichen.
Glücklicherweise wurde die Partie der beiden von einem erfahrenen Schachspieler beobachtet, der die Motive noch besser kennt. Ihm genügten wenige Sekunden, um zu erkennen, dass Weiß ein Matt in zwei Zügen erzielen kann, wenn er mit 1.Se5-f7+ den schwarzen König auf das Feld h7 lenkt, durch dieses Schach ein Tempo gewinnt und so ein klassisches Mattmotiv mit 2.Tg1-g7# nutzt. Der Zuschauer hat die Motive: Hinlenkung, Tempogewinn, Matt erfolgreich miteinander verknüpft und sich von den (in dieser Stellung zweifelhaften) Springergabeln nicht irritieren lassen.
Der Zuschauer schlägt die richtige Lösung in Diagramm 1c vor.
Liste von Motiven
Beispiele für taktische Motive und Bilder:
- Mattbilder
- Motive und Verfahren
- Ablenkung
- Abzugsangriff bzw. Abzugsschach
- Bauernumwandlung
- Blockade
- Dreiecksmanöver
- Domination
- Doppelangriff
- Doppelschach
- Einsperrung einer Figur
- Fesselung
- Festung
- Freilegung von Raum
- Figurenfang
- Gabelangriff
- Hinlenkung
- Lasker-Manöver
- Materialbegrenzung
- Mehrfachdrohung
- Minoritätsangriff
- Öffnung (von Linien, Reihen oder Diagonalen)
- Opfer
- Patt
- Prokeš-Manöver
- Räumung
- Réti-Manöver
- Röntgenangriff
- Spieß
- Tausch
- Tempogewinn bzw. Tempoverlust
- Troizki-Manöver
- Überlastung
- Umgehung
- Umwandlung und Unterverwandlung
- Verfolgung
- Verhindern des Tausches
- Vernichtung der Verteidigung
- Verstellung (von Linien, Reihen, Diagonalen oder Feldern)
- Zerstörung der Bauernstruktur
- Zugzwang
- Zwickmühle
- Zwischenzug
Auch die Kenntnis der elementaren Endspiele ist hilfreich.
Zu dem Bereich Schachtaktik gibt es umfangreiche Literatur mit Lehrbuchcharakter.
Dynamisches Gleichgewicht
Kraft (Gesamtwert der Figuren), Raum (Gesamtmenge von Feldern, die die Figuren betreten können) und Zeit (Möglichkeit der Figuren, schnell in entscheidende Handlungen eingebunden zu werden) bestimmen den Wert einer Stellung. Dabei kann ein Nachteil bei einem der drei Faktoren durch die anderen kompensiert werden. Besitzen beide Spieler unter Berücksichtigung dieser drei Komponenten etwa gleiche Gewinnaussichten, so sagt man, die Stellung befindet sich im dynamischen Gleichgewicht.
Ziel taktischer Handlungen ist die Störung dieses Gleichgewichts (beziehungsweise dessen Wiederherstellung mit dem Spielziel Remis).
Literatur
- Juri Awerbach: Schachtaktik für Fortgeschrittene, Sportverlag Berlin, 1979
- Björn Lengwenus:Grundlagen der Schachtaktik, DVD[1]
- Martin Weteschnik: Lehrbuch der Schachtaktik, Verlag Quality Chess, 2006, ISBN 91-976005-4-7
Einzelnachweise
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