Nationalparkprogramm der DDR

Nationalparkprogramm der DDR

Das Nationalparkprogramm der DDR war eine Phase der Ausweisung von 14 Großschutzgebieten auf dem Gebiet der heutigen neuen Bundesländer. Diese wurde mit dem Ministerratsbeschluss vom 12.September 1990 vollendet, in dessen Folge fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparks endgültig unter Schutz gestellt wurden. Die Gebiete umfassten eine Fläche von 4882 km², was 4,5 % des DDR-Territoriums entsprach. Sie galten als „Tafelsilber“ der deutschen Wiedervereinigung zum 3. Oktober 1990.

Der Prozess vollzog sich in den turbulenten Zeiten der politischen Wende. Die Hauptakteure bestanden in einer Arbeitsgruppe im Umweltministerium der letzten DDR-Regierung unter Michael Succow, zahlreichen helfenden Kräften aus der BRD und lokalen Trägern. Die Regierung erhielt fachkundige Unterstützung aus dem Bundesumweltministerium unter Minister Klaus Töpfer.

Inhaltsverzeichnis

Chronologische Abfolge

1950er Jahre: Durch Erna und Kurt Kretschmann wurde die Nationalparkidee als Instrument des flächenhaften Naturschutzes zum ersten Mal bedacht.

1980er Jahre: Zahlreiche Strömungen in der DDR wie z. B. im ehrenamtlichen Naturschutz, im „Kulturbund für Natur- und Umwelt“ oder in der Bürgerinitiative für den Müritz-Nationalpark bekundeten den Willen zur Errichtung von Großschutzgebieten auf dem Territorium von Staatsjagdgebieten und Truppenübungsplätzen.

1989: Entwurf vom „Nationalparkprogramm der DDR als Baustein für ein europäisches Haus“.

16. März 1990: Es wurden durch Ministerratsbeschluss fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservate und 16 Naturschutzparks einstweilig gesichert, was 10,8 Prozent der damaligen Landesfläche entsprach. Die nach den ersten freien Wahlen am 18.März 1990 zu bildende Regierung erhielt das Mandat zur Weiterarbeit an dem Programm.

18. März 1990: Erste freie Wahl in der DDR. Unter der neuen Regierung von Lothar de Maizière wird das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit (MUNER) gegründet. Unter Minister Steinberg wird Michael Succow stellvertretender Umweltminister der letzten Volkskammer, der in einer Arbeitsgruppe von 40 Mann in der Abteilung Naturschutz die Fortführung des Nationalparkprogramms übernimmt.

Mai 1990: Die Arbeitsgruppe erhält personelle Unterstützung aus dem Bundesumweltministerium. Vor allem Rechtsberatung ist nötig, da hauptsächlich Wissenschaftler ohne Erfahrung in Ministeriums- oder Gesetzgebungsarbeit mitwirken. Nach dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion sollte die DDR zum 1. Juli das Umweltrecht der BRD übernehmen. Das Bundesnaturschutzgesetz enthält die entscheidenden Paragraphen zur Ausweisung von Großschutzgebieten. Der Termin 3. Oktober 1990 für die deutsche Wiedervereinigung war zu der Zeit noch nicht bekannt. Er wurde erst im Rahmen der 2plus4-Gespräche mit dem Vertrag vom 12. September 1990 festgelegt. Die Arbeitsgruppe ging also von einer Arbeitsdauer mindestens bis Ende 1990 aus, wovon letztendlich nur die halbe Zeit bis September zur Verfügung stand.

Juni 1990: Die Arbeitsgruppe im MUNER erteilt dem Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz (ILN) in Greifswald den Auftrag, die wissenschaftlichen Grundlagen für die endgültige Unterschutzstellung der zunächst vorläufig gesicherten Gebiete bis Ende des Jahres zu erarbeiten.

Juli 1990: Mit der Währungsunion tritt das Umweltrahmengesetz der BRD in Kraft. Für die künftigen Großschutzgebiete bedeutet dies, dass individuelle Verordnungen mit klarer Zonierung, Ge- und Verboten sowie inklusive kartographischer Abgrenzungskarten erarbeitet werden müssen. Die Schutzgebietsverordnungen sind vor Ort mit dem Rat des Bezirkes abzustimmen und dem Ministerrat als Vorschlag vorzulegen. Die zahlreichen Aufbaustäbe in den Verwaltungen vor Ort erhielten personelle Unterstützung von zahlreichen Experten aus der BRD. Vom ILN wurde anhand einer Biotopkartierung die Zonierungsabgrenzung fortgeführt. Beratungen mit den Bezirks- und Kreisräten wurden durchgeführt. Stellenweise gab es Bürgerversammlungen. Am 25. Juli wurden von Minister Steinberg noch die Gebiete Nationalpark Untere Oder und die Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft sowie Erzgebirge-Vogtland unter einstweiligen Schutz gestellt. Die Zahl der einstweilig gesicherten Großschutzgebiete erhöhte sich so auf 26.

August 1990: Zur Mitte des Monats wurden die Pläne zur raschen deutschen Wiedervereinigung bekannt. Der Ministerrat beschloss am 15. August, dass am 12. September die letzte Zusammenkunft stattfinden sollte. Das Nationalparkprogramm erfuhr so eine enorme Beschleunigung. Anfang September sollten alle Schutzgebietsverordnungen bei Minister Steinberg vorliegen, damit sie abgestimmt und in der allerletzten Sitzung des Ministerrates beschlossen werden konnten. Der sehr enge Zeitplan galt als unrealistisch und ein Scheitern war nicht auszuschließen. Trotzdem gelang es die einzelnen Verordnungen miteinander abzustimmen und juristisch abzusichern, nachdem Ende August die Verordnung des Müritz-Nationalparks als Muster angelegt wurde.

September 1990: Die verbleibenden Schutzgebietsverordnungen wurden erarbeitet und am 5. September Minister Steinberg zur Unterschrift vorgelegt, der sie anschließend an die sieben Ministerien weiterschickte, da deren Zustimmung innerhalb der kommenden zwei Tage benötigt wurde. Die Abstimmung gelang, auch wenn umfangreiche Zugeständnisse an die einzelnen Fachressorts gemacht werden mussten. Am 12. September verabschiedete der Ministerrat das Nationalparkprogramm mit der Ausweisung von 14 der 26 vorläufig gesicherten Gebiete.

Im Anschluss mussten die Verordnungen bis zum 3. Oktober in den Einigungsvertrag aufgenommen werden, was sich überraschend schwierig gestaltete. Die Landwirtschaftsministerien in Ost und West sowie das Bundesverkehrsministerium waren gegen das Nationalparkprogramm. Unter Leitung der beiden Innenminister Schäuble und Krause wurden die Verhandlungen geführt. Als Kompromiss wurde der Vorrang des Bundesverkehrswegeplans vor die Vorschriften der Nationalparkverordnungen festgeschrieben.

Oktober 1990: Inkrafttreten der 14 Schutzgebietsverordnungen zum 3. Oktober.

Ausgewiesene Großschutzgebiete

Literatur

  • Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): 15 Jahre Großschutzgebiete. S. 35. Schwerin 2006.
  • Knapp, H., Succow, M.: Bilanz und Ausblick. 10 Jahre ostdeutsches Nationalparkprogramm. Nationalpark Nr. 106 (1). S. 4-6

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