Newton-Identitäten

Newton-Identitäten

In der Mathematik, spezieller der Algebra, verknüpfen die Newton-Identitäten zwei fundamentale Typen symmetrischer Polynome in einer Anzahl n von Variablen X_1,\dots,X_n, die elementarsymmetrischen Polynome

\sigma_k(X_1,\dots,X_n)=\sum_{1\le j_1<\dots<j_k\le n} X_{j_1}\cdot\ldots\cdot X_{j_k},  k=0,1,\dots,n

und die Potenzsummen

s_m(X_1,\dots,X_n)=X_1^m+\ldots+X_n^m, m=0,1,2,\dots

Diese Identitäten werden allgemein auf Überlegungen von Isaac Newton um 1666 zurückgeführt, sie finden sich aber auch schon bei Albert Girard im Jahre 1629. Anwendungen dieser Identitäten finden sich in der Galoistheorie, der Invariantentheorie, der Gruppentheorie, Kombinatorik, aber auch außerhalb der Mathematik zum Beispiel in der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Herleitung mittels formaler Potenzreihen

Sei T die Variable im Ring der formalen Potenzreihe \Bbb Q[X_1,\dots,X_n][[T]]. Dann gilt, analog zu der Satzgruppe von Vieta,

p(T)=(1+TX_1)(1+TX_2)\dots(1+TX_n)=1+\sigma_1T+\sigma_2T^2+\dots+\sigma_nT^n.

Da das Polynom p(T) einen konstanten Koeffizienten 1 hat, ist es im Ring der formalen Potenzreihen invertierbar. Für die logarithmische Ableitung ergibt sich


\frac{p'(T)}{p(T)}=\frac{X_1}{1+TX_1}+\dots+\frac{X_n}{1+TX_n}
.

Die Quotienten auf der rechten Seite existieren ebenfalls als formale Potenzreihen, sie ergeben sich als geometrische Reihen. Somit gilt


\frac{p'(T)}{p(T)}
=X_1\sum_{m=0}^\infty(-TX_1)^m+\dots+X_n\sum_{m=0}^\infty(-TX_n)^m
=\sum_{m=1}^\infty s_m(-T)^{m-1}
.

Dies kann nun umgeformt werden zu


\sigma_1+2\sigma_2T+\dots+n\sigma_nT^{n-1}
=(1+\sigma_1T+\dots+\sigma_nT^n)\cdot(s_1-s_2T+s_3T^2-s_4T^3\pm\dots)
.

Durch Vergleich gleicher Potenzen von T auf beiden Seiten ergibt sich ein Gleichungssystem zur Bestimmung der elementarsymmetrischen Polynome aus den Potenzreihen und umgekehrt,

\begin{align}
   \sigma_1 &= s_1\\[.3em]
2\,\sigma_2 &= s_1\,\sigma_1-s_2\\[.3em]
3\,\sigma_3 &= s_1\,\sigma_2-s_2\,\sigma_1+s_3\\[.3em]
4\,\sigma_4 &= s_1\,\sigma_3-s_2\,\sigma_2+s_3\,\sigma_1-s_4\\[.3em]
\text{etc.}\qquad\\[.3em]
k\,\sigma_k &= s_1\,\sigma_{k-1}-s_2\,\sigma_{k-2}+s_3\,\sigma_{k-3}\pm\ldots+(-1)^{k-2}s_{k-1}\,\sigma_1+(-1)^{k-1}s_k\\[.3em]
\end{align}

Diese Beziehungen lassen sich mittels Ausführen der Division formaler Potenzreihen in p'(T)/p(T) nach den Potenzsummen auflösen, es gilt

s_1\,=      \sigma_1,\,
s_2\,=     \sigma_1^2 - 2\,\sigma_2,
s_3\,=     \sigma_1^3 - 3\,\sigma_1\,\sigma_2 + 3\,\sigma_3,
s_4\,=     \sigma_1^4 - 4\,\sigma_1^2\,\sigma_2 + 4\,\sigma_1\,\sigma_3 + 2\,\sigma_2^2 - 4\,\sigma_4,
s_5\,=      \sigma_1^5 - 5\,\sigma_1^3\,\sigma_2 + 5\,\sigma_1^2\,\sigma_3 + 5\,\sigma_1\,\sigma_2^2 - 5\,\sigma_1\,\sigma_4 - 5\,\sigma_2\,\sigma_3 + 5\,\sigma_5,
s_6\,=     \sigma_1^6 - 6\,\sigma_1^4\,\sigma_2 + 6\,\sigma_1^3\,\sigma_3 + 9\,\sigma_1^2\,\sigma_2^2 - 6\,\sigma_1^2\,\sigma_4 - 12\,\sigma_1\,\sigma_2\,\sigma_3 + 6\,\sigma_1\,\sigma_5 - 2\,\sigma_2^3 + 6\,\sigma_2\,\sigma_4 + 3\,\sigma_3^2 - 6\,\sigma_6,

Umgekehrt gilt, dass der Quotient aus Ableitung und Funktion die Ableitung des Logarithmus ist, somit gilt nach Integration und exponentieren p(T)=\exp(s_1T-\frac12s_2T^2+\frac13s_3T^3\pm\dots), woraus sich nach Koeffizientenvergleich die folgenden Beziehungen ergeben.

\sigma_1\,=           s_1,\,
\sigma_2\,=          \frac1{2}\,s_1^2-\frac1{2}\,s_2,
\sigma_3\,=          \frac1{6}\,s_1^3-\frac1{2}\,s_1\,s_2+\frac1{3}\,s_3,
\sigma_4\,=          \frac1{24}\,s_1^4-\frac1{4}\,s_1^2\,s_2+\frac1{3}\,s_1\,s_3+\frac1{8}\,s_2^2-\frac1{4}\,s_4,
\sigma_5\,=          \frac1{120}\,s_1^5-\frac1{12}\,s_1^3\,s_2+\frac1{6}\,s_1^2\,s_3+\frac1{8}\,s_1\,s_2^2- \frac1{4}\,s_1\,s_4- \frac1{6}\,s_2\,s_3+\frac1{5}\,s_5,
\sigma_6\,=           \frac1{720}\,s_1^6-\frac1{48}\,s_1^4\,s_2+\frac1{18}\,s_1^3\,s_3+\frac1{16}\,s_1^2\,s_2^2- \frac1{8}\,s_1^2\,s_4-\frac1{6}\,s_1\,s_2\,s_3+\frac1{5}\,s_1\,s_5-\frac1{48}\,s_2^3+ \frac1{8}\,s_2\,s_4+ \frac1{18}\,s_3^2-\frac1{6}\,s_6

Literatur

  • Jean-Pierre Tignol: Galois's theory of algebraic equations. World Scientific, Singapore 2001, ISBN 981-02-4561-6 (Eine historisch orientierte Einführung in die Galois-Theorie).
  • Peter J. Cameron: Permutation Groups. Cambridge University Press, 1999, ISBN 0-521-65378-9 (Eine Einführung in Permutationsgruppen, einschließlich des Zyklusindex von Pólya, oligomorphe Permutationsgruppen und deren Verbindung zur mathematischen Logik.).
  • Alan Tucker: Applied Combinatorics. Wiley, New York 1984, ISBN 0-471-86371-8 (Eines der elementarsten und verständlichsten Lehrbücher, die die Aufzählungsformel von Pólya und Zyklusindexpolynome darstellen.).

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