- Algebra
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Die Algebra ist eines der grundlegenden Teilgebiete der Mathematik, das sich mit den Eigenschaften von Rechenoperationen befasst. Im Volksmund wird Algebra häufig als das Rechnen mit Unbekannten in Gleichungen bezeichnet (zum Beispiel x + 1 = 2), also als das Rechnen mit Buchstaben. Als Begründer der Algebra gilt der Grieche Diophantus, auch Diophant von Alexandrien, der etwa 100 v.Chr., nach anderen Angaben etwa 350 nach Chr. lebte. In seinem 13 Bände umfassenden Werk Arithmetica wird die algebraische Methode, also das Rechnen mit Buchstaben, zuerst verwendet.[1]
Inhaltsverzeichnis
Wortgeschichte
Die erste Darstellung der algebraischen Methode findet sich in der Arithmetica, einem Lehr- und Aufgabenbuch des Diophant von Alexandrien, deren Entstehungszeit auf das 1.Jahrhundert v.Chr., nach anderen Quellen auf das 4.Jahrhundert n.Chr. datiert wird.[2] Eine weitere Darstellung der Algebra ist das Aryabhattiya, ein mathematisches Lehrbuch des indischen Mathematikers Aryabhata aus dem 5. Jahrhundert; die verwendete Methodik wurde Bijaganitam genannt. Ab dem 9. Jahrhundert übernahmen und verfeinerten dann Gelehrte aus dem arabischsprachigen Raum diese Methode, die sie al-ǧabr (von arab.: „das Ergänzen“/„das Einrichten“) nannten. Der Begriff ist aus dem Titel des Rechen-Lehrbuchs al-Kitab al-Muchtasar fi hisab al-dschabr wa-l-muqabala („Das kurz gefasste Buch über die Rechenverfahren durch Ergänzen und Ausgleichen“, entstanden um 825) des Mathematikers und Universalgelehrten al-Chwarizmi entnommen, der im 9. Jahrhundert in Bagdad wirkte. Vier Jahrhunderte nach der Publikation des Buches erschien seine lateinische Übersetzung Ludus algebrae almucgrabalaeque. Aus „al-ǧabr“ entwickelte sich das heutige Wort „Algebra“.
Klassische und moderne Algebra
Die Algebra teilt man bezüglich ihrer Entstehung in die klassische und die moderne Algebra ein. Methoden der Algebra, die bis in 19. Jahrhundert entwickelt wurden, rechnet man der klassischen Algebra zu. In ihr untersuchte man algebraische Gleichungen
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auf Eigenschaften ihrer Lösungen. Wichtige Aussagen im Bereich der klassischen Algebra sind der von Gauß bewiesene Fundamentalsatz der Algebra, der besagt, dass eine algebraische Gleichung der Ordnung n in genau n Lösungen hat, und der Satz von Abel, der besagt, dass es für eine algebraische Gleichung 5. Grades keine Lösungsformel ähnlich der PQ-Formel gibt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte Évariste Galois die nach ihm benannte Galoistheorie. Diese kann als der Beginn der modernen Algebra verstanden werden. Seit dieser Zeit entwickelte sich die Algebra weg von der Theorie der algebraischen Gleichungen hin zur Gruppen- und Ringtheorie.
Am Beispiel des großen fermatschen Satzes sieht man allerdings, dass sich die klassische und die moderne Algebra nicht klar trennen lassen. Die Vermutung, dass die algebraische Gleichung an + bn = cn mit für n > 2 keine ganzzahlige Lösung besitzt, wurde schon im 17. Jahrhundert von Pierre de Fermat formuliert. Die in der Vermutung enthaltene Fragestellung nach Lösungen der Gleichung ist eine typische Fragestellung der klassischen Algebra beziehungsweise der in dieser Zeit entstandenen Zahlentheorie. Jedoch konnte die Vermutung erst 1995 mit moderneren Methoden der algebraischen Geometrie und der algebraischen Zahlentheorie bewiesen werden.
Algebra als Teilgebiet der Mathematik: Begriffsbestimmung und Gliederung
Die Inhalte und Methoden der Algebra haben sich im Laufe der Geschichte so stark erweitert, dass es schwierig geworden ist, den Begriff der Algebra in einer knappen Definition anzugeben. Im Folgenden werden einige Teilgebiete der Algebra und einige an die Algebra angrenzende, andere Teilgebiete erwähnt. Diese sind allerdings keineswegs scharf voneinander abgegrenzbar.
- Die elementare Algebra ist die Algebra im Sinne der Schulmathematik. Sie umfasst die Rechenregeln der natürlichen, ganzen, gebrochenen und reellen Zahlen, den Umgang mit Ausdrücken, die Variablen enthalten, und Wege zur Lösung einfacher algebraischer Gleichungen.
- Die abstrakte Algebra ist eine Grundlagendisziplin der modernen Mathematik. Sie beschäftigt sich mit speziellen algebraischen Strukturen wie Gruppen, Ringen, Körpern und deren Verknüpfung.
- Die lineare Algebra behandelt das Lösen linearer Gleichungssysteme, die Untersuchung von Vektorräumen und die Bestimmung von Eigenwerten; sie ist Grundlage für die analytische Geometrie.
- Die Tensoralgebra untersucht im Gegensatz zur Tensoranalysis algebraische Eigenschaften von Tensoren.
- Die kommutative Algebra befasst sich mit kommutativen Ringen sowie deren Idealen, Moduln und Algebren.
- Die reelle Algebra untersucht algebraische Zahlkörper, auf denen eine Anordnung definiert werden kann. Weiter werden darauf positive Polynome untersucht.
- Die Computer-Algebra beschäftigt sich mit der symbolischen Manipulation algebraischer Ausdrücke. Einen Schwerpunkt bildet das exakte Rechnen mit ganzen, rationalen und algebraischen Zahlen sowie mit Polynomen über diesen Zahlenräumen. Auf der theoretischen Seite ist diesem Teilgebiet die Suche nach effizienten Algorithmen sowie die Ermittlung der Komplexität dieser Algorithmen zuzuordnen. Auf der praktischen Seite wurde eine Vielzahl von Computeralgebrasystemen entwickelt, die die rechnergestützte Manipulation algebraischer Ausdrücke ermöglichen.
- Die universelle oder allgemeine Algebra betrachtet ganz allgemein algebraische Strukturen.
- Die algebraische Geometrie untersucht Probleme der Algebra mit Methoden der Geometrie.
- Die algebraische Zahlentheorie untersucht Fragestellungen der Zahlentheorie mit Hilfe von Methoden der Algebra.
- Die algebraische Topologie betrachtet Fragestellungen der Topologie und führt sie auf einfacher lösbare Probleme der Algebra zurück.
- Die homologische Algebra ist im Gegensatz zur topologischen Algebra ein echtes Teilgebiet der Algebra. Es hat sich jedoch aus topologischen Algebra heraus entwickelt. In diesem Teilgebiet werden Methoden der algebraischen Topologie untersucht ohne sie in der Kontext der Topologie einzubetten.
Algebra als mathematische Struktur
Als universelle oder allgemeine Algebra, kurz Algebra, wird das Grundkonstrukt einer algebraischen Struktur bezeichnet: Eine (meist nichtleere) Menge, auf der eine oder mehrere (u.U. partielle) Verknüpfungen („Operationen“ genannt) definiert sind und in der gewisse Axiome gelten. Gruppen, Ringe, Körper sind somit Beispiele für spezielle Algebren.
- Oft ist mit dem Begriff Algebra ein Ring gemeint, dessen Grundmenge ein Vektorraum über einen Körper ist.
- Eine Mengenalgebra, manchmal Algebra genannt, ist eine Teilmenge einer Potenzmenge von einer Menge X mit Vereinigung und Komplementbildung als Verknüpfungen und der axiomatischen Forderung .
- Eine σ-Algebra ist eine Mengenalgebra, die unter abzählbar unendlichen Vereinigungen abgeschlossen ist. σ-Algebren bilden eine Grundlage der Maßtheorie.
- Boolesche Algebra
- Siehe Relationale Algebra - ist Grundlage für Datenbanken
- assoziative Algebra
- Clifford-Algebra
- Lie-Algebra
- Jordan-Algebra
- Banach-Algebra
- Divisionsalgebra
- Hopf-Algebra
- Graßmann-Algebra
„Algebraisch“ als Attribut von Zahlen, Funktionen, Gleichungen
Algebraisch als mathematisches Attribut hat folgende Bedeutungen:
- Eine algebraische Gleichung ist eine Gleichung, zu deren Formulierung nur endlich viele elementare Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division) erforderlich sind, in der also zum Beispiel keine typischen analytischen Funktionen vorkommen.
- Die algebraischen Zahlen sind die Nullstellen von Polynomen mit rationalen Koeffizienten; die Menge der algebraischen Zahlen bildet den algebraischen Abschluss der Menge der rationalen Zahlen.
- Das algebraische Element erweitert den Begriff der algebraischen Zahl auf Nullstellen von Polynomen mit Koeffizienten aus einem beliebigen vorgegebenen Körper.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Alten et al: 4000 Jahre Algebra; Berlin-Heidelberg 2003; p.95ff
- ↑ Vgl. Alten et al: 4000 Jahre Algebra; Berlin-Heidelberg 2003; p.99ff
Literatur
Zur Geschichte
- Heinz-Wilhelm Alten et al.: 4000 Jahre Algebra. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2003, ISBN 3-540-43554-9.
- Yu. I. Merzlyakov & A. I. Shirshov: Algebra. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopaedia of Mathematics. Springer-Verlag, Berlin 2002, ISBN 1-4020-0609-8.
- Bartel Leendert van der Waerden A history of Algebra, Springer Verlag 1986
- derselbe Die Algebra seit Galois, Jahresbericht DMV, Band, 68, 1966, S. 155-165
- Jacob Klein: Die griechische Logistik und die Entstehung der Algebra in: Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik, Astronomie und Physik, Abteilung B: Studien, Band 3, Erstes Heft, Berlin 1934, p. 18-105 und Zweites Heft, Berlin 1936, p. 122-235; wiederveröffentlicht in englischer Sprache unter dem Titel: Greek Mathematical Thought and the Origin of Algebra. Cambridge, Mass. 1968, ISBN 0-486-27289-3.
Lehrbücher
- Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger: von der Gleichungsauflösung zur Galoistheorie, Vieweg+Teubner Verlag, 4. Auflage 2009, ISBN 3834807761.
- Siegfried Bosch: Algebra, 7. Auflage 2009, Springer-Verlag, ISBN 3-540-40388-4.
- Gerd Fischer: Lehrbuch der Algebra. Vieweg, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0226-2.
- Christian Karpfinger, Kurt Meyberg: Algebra. Gruppen – Ringe – Körper. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8274-2018-3.
- B. L. van der Waerden: Algebra I, II. Springer-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-540-56801-8.
Weblinks
Wikiversity: Eine einführende Vorlesung zur Algebra – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher AustauschWikibooks: Mathematik: Algebra – Lern- und LehrmaterialienWiktionary: Algebra – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Ancient Greek Algebra (PDF-Datei; 26 kB)
- Vaughan Pratt: Eintrag, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
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