Artistenfakultät

Artistenfakultät

Die Artistenfakultät war ein Bestandteil der mittelalterlichen Universität und diente der Vermittlung propädeutischen Wissens zur Vorbereitung auf das Studium an den drei „höheren“ Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin). Ihr Name leitete sich von den an ihr gelehrten artes liberales her. Im Laufe der Neuzeit wandelte sich die Artistenfakultät zur Philosophischen Fakultät, aus der wiederum viele der heutigen geisteswissenschaftlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten hervorgingen.

Geschichte

Gegenstand des Studiums an der Artistenfakultät waren die Sieben Freien Künste (auch Septem Artes Liberales), die sich in ein trivium („Dreiweg“ mit den Fächern Grammatik, Rhetorik, Dialektik bzw. Logik) sowie ein quadrivium („Vierweg“ mit den Fächern Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie/Astrologie), unterteilten. Beide Kurse dauerten jeweils etwa eineinhalb Jahre. Das Studium wurde nach dem Trivium mit dem Grad des Bakkalaureus und nach dem Quadrivium mit dem des Magisters abgeschlossen; letzterer eröffnete zugleich den Zugang zu den oberen oder höheren Fakultäten.

Die Schüler der Artistenfakultät mussten bei der Aufnahme lediglich grundlegende Lese-, Schreib- und Lateinkenntnisse vorweisen und waren etwa zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren alt. Die Lehrer der Artistenfakultät waren in der Regel zugleich Schüler einer der oberen Fakultäten und gehörten daher nicht zum eigentlichen Lehrkörper der Universität, sondern zu den Scholaren.

Unter dem Einfluss von Renaissance-Humanismus und Aufklärung wandelten sich die Artistenfakultäten zwischen dem 15. Jahrhundert und dem 18. Jahrhundert allmählich in Philosophische Fakultäten, was sich insbesondere in der Errichtung neuer Lehrstühle unter anderem für die klassischen Philologien (Latein, Griechisch, Hebräisch), Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften niederschlug. So besaß beispielsweise die Tübinger Artistenfakultät seit 1496 einen eigenen Lehrstuhl für (lateinische) Rhetorik und Poesie. Sein erster Inhaber war Heinrich Bebel (1472–1518), Verfasser einer lateinischen Grammatik, einer Dichtungslehre, verschiedener lateinischer Dichtungen und vor allem der berühmten "Facetiae", einer Schwanksammlung, die bis heute oft gedruckt wurde.

Spätestens mit der Einführung des Abiturs bzw. der Matura als Zugangsvoraussetzung zur Universität verloren die Philosophischen Fakultäten im 19. Jahrhundert schließlich auch ihre einstige propädeutische Funktion und wurden den übrigen Fakultäten gleichgestellt.

Literatur

Übergreifende Darstellungen
  • Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. München: Beck: Bd. 1 (1993) S. 289ff.; Bd. 2 (1996) S. 367ff., 456ff.
  • Rainer Christoph Schwinges (Hrsg.): Artisten und Philosophen: Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. Basel: Schwabe, 1999
  • Immanuel Kant: Der Streit der Fakultäten (1798)
Fallstudien
  • Albrecht Liess: Die artistische Fakultät der Universität Ingolstadt 1472–1588. In: Laetitia Boehm-Johannes Spörl (Hrsg.): Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihren Fakultäten Bd. 2 (Duncker & Humblot, Berlin 1980), S. 9–35
  • Paul Uiblein: Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät : Kommentar zu den Acta Facultatis Artium Universitatis Vindobonensis 1385–1416. Wien: Wiener Universitäts-Verlag, 1987. – 2., verbesserte und vermehrte Auflage 1995

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Artistenfakultät — Artistenfakultät, bei den Universitäten ehemals die Fakultät der freien Künste, jetzt philosophische Fakultät; s. Universitäten …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Artistenfakultät — Ar|tịs|ten|fa|kul|tät 〈f. 20〉 an den Universitäten des Mittelalters die Fakultät der Artes liberales, Vorläufer der heutigen philosophischen Fakultät * * * Artịstenfakultät,   im Mittelalter die den »höheren Fakultäten« (Theologie, Jurisprudenz …   Universal-Lexikon

  • Artistenfakultät — Ar|tịs|ten|fa|kul|tät 〈f.; Gen.: , Pl.: en〉 mittelalterl. Fakultät der Universität (Vorläuferin der philosoph. Fakultät) …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Artistenfakultät — Ar|tis|ten|fa|kul|tät die; , en: die Fakultät der ↑Artes liberales an mittelalterlichen Universitäten …   Das große Fremdwörterbuch

  • Siger von Brabant — Siger (mit rotem Gewand rechts oben) unter den Weisheitslehrern im Sonnenhimmel von Dantes Paradiso (MS Thott 411.2, 15. Jh.) Siger von Brabant (lat. Sigerus oder Sigerius de Brabantia, * um 1235/1240 in Brabant; † vor dem 10. November 1284 in… …   Deutsch Wikipedia

  • Facultas artium — Die Artistenfakultät erhielt ihren Namen von den an ihr gelehrten Artes liberales und ist dem späteren studium generale vergleichbar. Sie ist der Vorläufer vieler geisteswissenschaftlicher und der mathematischen Fakultäten. Historie Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Mittelalterliche Fakultäten — Die Artistenfakultät erhielt ihren Namen von den an ihr gelehrten Artes liberales und ist dem späteren studium generale vergleichbar. Sie ist der Vorläufer vieler geisteswissenschaftlicher und der mathematischen Fakultäten. Historie Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Universitas Studii Coloniensis (1388–1798) — Die erste 1388 durch die Patrizier im Rat der Stadt Köln gegründete Universität Köln oder wie es noch präziser auf ihrem ersten Siegel heißt universitas studii s[an]c[ta]e civitatis coloniensis hatte Bestand bis zu ihrer Auflösung während der… …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolaus Stör von Schweidnitz — (auch Nikolaus Stoer; Nikolaus Stöhr; Nikolaus Ster; lateinisch Nicolaus Stor de Swydnicz; Nicolai Stoer; tschechisch Mikuláš Stor ze Svídnice; * in Schweidnitz; † 1424) lehrte Theologie an der Prager Karlsuniversität, deren Rektor er 1401 war.… …   Deutsch Wikipedia

  • 7 freie Künste — Septem artes liberales aus Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180) Die Sieben freien Künste (lat. septem artes liberales, seltener auch studia liberalia) sind ein in der Antike entstandener Kanon von sieben Studienfächern, d …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”