Obertribunal Wismar

Obertribunal Wismar
Fürstenhof

Das Obertribunal Wismar war von 1653 bis zur Verlegung des Gerichtssitzes nach Stralsund und weiter nach Greifswald im Jahr 1803 das höchste Gericht in den schwedischen Besitzungen auf dem Europäischen Festland.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Stadt Wismar, in der seit der Stadtrechtsverleihung 1266 Lübisches Recht gegolten hatte, wurde 1632 durch Schweden besetzt und zusammen mit dem näheren Umland, der Insel Poel und dem Amt Neukloster, durch den Westfälischen Frieden dauerhaft Schweden zugesprochen. Zu Schweden kamen zu dieser Zeit auch als deutsche Reichslehen Schwedisch-Pommern (bis 1815) und die Herzogtümer Bremen und Verden (bis 1712), die als ein einheitliches Gebiet von Stade aus verwaltet wurden, sowie das Domkapitel von Hamburg.

Die Bestimmungen des Friedensvertrages machten auch die Etablierung eines eigenen höchsten Gerichtshofes für die schwedischen Reichslehen erforderlich, da diesen fortan der bisher übliche Rechtszug zum Reichskammergericht verwehrt war. Die Eingangsgerichte der ersten Instanz und Appellationsgerichte für den zweiten Rechtszug (heute zumeist Berufung genannt) wurden aber weitestgehend unverändert belassen. Als höchste und letzte Instanz zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Appellationsgerichte wurde 1653 unter Königin Christina I. von Schweden das Tribunal in Wismar eingerichtet. Es hatte seinen Sitz im prächtigen Renaissancegebäude des Fürstenhofes, der heute noch in der Altstadt als Kulturdenkmal erhalten ist und vom Amtsgericht und dem Stadtarchiv genutzt wird.

Da die an Schweden gekommenen Reichslehen weiterhin deutsche Reichsterritorien blieben, wurde das bisherige Rechtssystem beibehalten, das auf der Reichsgesetzgebung und der Reichsprozessordnung basierte. Das „gemeine Recht“ Pommerns, Privat-, Straf und Kirchenrecht sowie die überwiegende Zahl der verfassungsrechtlichen Bestimmungen blieben erhalten. Das schwedische Landrecht bzw. das allgemeine schwedische Reichsgesetz wurden nicht auf die deutschen Reichslehen übertragen. [1][2]

Das Königliche Obertribunal Wismar wurde in seiner Struktur und auch in seiner Rechtsprechung entscheidend von seinem ersten Vizepräsidenten David Mevius geprägt. Dieser schuf 1656 die Verfahrensordnung des Tribunals, die zu ihrer Zeit Vorbildcharkter auch im Deutschen Reich erlangte.

Ab 1753 wurde das Obertribunal für Klagen gegen die Universität Greifswald sachlich als Gericht erster und einziger Instanz zuständig.

Durch die Verpfändung Wismars an Mecklenburg 1803 wurde eine vorherige Verlegung des nun faktisch nur noch für Schwedisch-Pommern zuständigen Gerichtes notwendig. Über einen nur ganz kurzen Zwischenaufenthalt in Stralsund kam es 1802 nach Greifswald.

Nach der Verlegung nach Greifswald wurde das Gericht 1810 infolge einer Gerichtsreform in Schwedisch-Pommern zum Oberappellationsgericht Greifswald. Unter dieser Bezeichnung blieb es wegen der rechtlichen Sonderstellung von Neuvorpommern bzw. des Regierungsbezirkes Stralsund auch nach der Übernahme durch Preußen bestehen und wurde erst im Zuge der allgemeinen Gerichtsreform der 1870er Jahre aufgelöst.

Bekannte Vertreter

Aktenverwahrung

Die nachgelassenen Akten des Obertribunals Wismar befinden sich zum größten Teil im Landesarchiv Greifswald (Bestand Rep. 29). Weitere Teile liegen im Stadtarchiv Wismar, also an Ort und Stelle, im Stadtarchiv Greifswald, im Landesarchiv Niedersachsen-Staatsarchiv Stade, aber auch im Reichsarchiv Stockholm, dort auch als Bestandteil der Gadebuschsammlung des Staatsrechtlers Thomas Heinrich Gadebusch.

Literatur

  • Nils Jörn: Lübecker Oberhof, Reichskammergericht, Reichshofrat und Wismarer Tribunal. Forschungsstand und Perspektiven weiterer Arbeit zur letztinstanzlichen Rechtsprechung im südlichen Ostseeraum. In: Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2005, S. 371-380. ISBN 3-7950-5555-5

Einzelnachweise

  1. Norbert Buske: Pommern - Territorialstaat und Landesteil von Preußen. Ein Überblick über die politische Entwicklung. Helms, Schwerin 1997, ISBN 3-931185-07-9, S. 51.
  2. Heiko Wartenberg: Archivführer zur Geschichte Pommerns bis 1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008, ISBN 978-3-486-58540-7, S. 68. (Digitalisat)

Weblinks


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