Operation Jassy-Kischinew

Operation Jassy-Kischinew
Der sowjetische Großangriff am 20. August 1944

Die Operation Jassy-Kischinew (russisch Ясско-Кишинёвская Операция/Jassko-Kischinjowskaja Operazija) bezeichnet den sowjetischen Großangriff vom 20. August 1944 auf dem Gebiet des früheren Bessarabiens und heutigen Moldawiens zwischen den Städten Iași und Chișinău. Sie war eine der großen sowjetischen Offensivoperationen des Jahres 1944 und bestand aus einer großräumigen Umfassungsaktion. Sowjetische Truppen eroberten auf diese Weise in wenigen Tagen große Teile Rumäniens und rieben die gegnerischen deutschen Armeen in einer Kesselschlacht auf. Für die deutsche Seite entsprach die Dimension der militärischen Katastrophe derjenigen der Niederlage von Stalingrad.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Bei der Schlacht wurde die deutsche 6. Armee großenteils zerschlagen, nachdem sie südwestlich von Kischinjow (Chișinău) in einen Kessel geraten war. Teile der 8. Armee konnten sich über die Karpaten nach Ungarn zurückziehen.

Der Operation ging ein Angriffsbefehl des sowjetischen Oberkommandos vom Anfang des Jahres 1944 voraus, Rumänien und Bulgarien aus dem Krieg auszuschalten. Im Süden der Ostfront standen sich 1.250.000 Soldaten, 16.000 Geschütze, 1.870 Panzer und 2.200 Flugzeuge der Roten Armee und etwa 900.000 deutsche sowie rumänische Soldaten, 7.600 Geschütze, 400 Panzer und 810 Flugzeuge [1] an einer weitgehend beruhigten Frontlinie gegenüber. Der weit nach Osten vorspringende Frontverlauf lud die sowjetischen Truppen geradezu ein, die feindlichen Gruppierungen von zwei Seiten zu umfassen und zu vernichten.

Im früheren Bessarabien war die deutsch-rumänische Verteidigungslinie entlang dem Ufer des Dnister mit Gräben und Stellungen bis in fünf Kilometer Geländetiefe stark befestigt worden. Für den Fall des Rückzuges war im Landesinneren eine weitere Kampflinie errichtet worden, die aber nur aus einem Schützengraben am Ufer des Steppenflusses Kogälnik bestand. Im Verlauf des Jahres 1944 führte die Rote Armee Verschleierungsaktionen ihres Truppenaufmarsches durch.

Die Operation begann in den Morgenstunden des 20. August 1944 mit einem Artillerieüberfall. Die sowjetische Armee durchstieß die mehrere hundert Kilometer lange Frontlinie nur an wenigen schmalen Stellen. Gezielt wurden dafür jene Frontabschnitte ausgesucht, an denen die wenig kampfkräftigen rumänischen Einheiten lagen. Die Durchbruchstellen waren wegen der stark befestigten Verteidigungsstellungen nur 5 bis 8 Kilometer breit. Durch die Truppenkonzentration an den Durchbruchstellen betrug die Überlegenheit der Angreifer bei:

Nach dem Durchbruch stießen die motorisierten sowjetischen Truppen, vor allem mit Panzern, sofort tief in das Landesinnere vor. Sie schnitten ihren Gegnern den Rückzug über die Pruth- und Donaubrücken ab. In das Kampfgeschehen griffen sowjetische Bomber und Tiefflieger mit bis zu 2.000 Tageseinsätzen ein. Sie richteten erhebliche Verluste unter den Marschkolonnen der sich zurückziehenden Truppen an. In einer heillosen Flucht versuchten sich am Pruth tausende deutscher Soldaten durch den Fluss nach Westen zu retten, da die Rote Armee bei ihrem schnellen Vorstoß die Übergänge besetzt oder Brücken zerstört hatte.

Folgen

Bewohner von Bukarest begrüßen die einmarschierenden sowjetischen Truppen am 31. August 1944

Über die Verluste der Wehrmacht besteht auch heute noch große Unklarheit. Die grundsätzlich als recht zuverlässig zu betrachtenden Angaben des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge besagen, dass während des gesamten Zweiten Weltkrieges auf dem Staatsgebiet des heutigen Rumäniens rund 38.000, auf dem Staatsgebiet der heutigen Republik Moldawien zwischen 1941 und 1945 150.000 deutsche Soldaten ums Leben kamen.[2] Auf dem bislang einzigen zentralen deutschen Soldatenfriedhof Moldawiens in Kishinew wurden bis 2005 aber nur 4.200 Tote eingebettet; geplant ist die Beisetzung von insgesamt über 30.000 Toten.[3]. Die Anzahl der von der Roten Armee bei der Operation eingebrachten deutschen Kriegsgefangenen ist mit 115.000 zu veranschlagen, von denen bereits vor dem Abtransport in die Sowjetunion 55.000 verstarben - eine Todesrate von fast 50%, die abgesehen von Stalingrad nicht übertroffen wurde.[4]. Das Deutsche Rote Kreuz bearbeitet 80.000 Suchanträge nach Wehrmachtsangehörigen, von denen es die letzte Nachricht aus dem damaligen Rumänien gab. Die Verluste von Deutschen und Rumänen zusammen werden auf 650.000 Tote, Vermisste, Verwundete und Gefangene veranschlagt. Die Rote Armee gab ihre Verluste selbst mit 13.197 Gefallenen/Vermissten und 53.933 Verwundeten/Kranken an;[5] dabei handelt es sich jedoch nur um Zahlen, die sich aus den offiziellen Militärunterlagen belegen lassen. - In Rumänien ereignete sich drei Tage nach Beginn der militärischen Operation ein Staatsstreich. Am 23. August 1944 wechselte die rumänische Armee die Front. Dieser Putsch war bereits mehrere Monate zuvor geplant worden und es hatten Verhandlungen mit den alliierten Mächten stattgefunden.

Militärhistorischer Rückblick

Eroberung Rumäniens im August 1944

Die operative und taktische Führung der Roten Armee zeigte im Jahre 1944 während der Operation Jassy-Kischinjow einen bisher nicht erreichten Leistungsstand. Man hatte sich die deutsche Kriegsführung zu Eigen gemacht, die einst mit starken, schnellen Umfassungsaktionen Kesselschlachten für sich entschied. Zum Vorteil der Sowjets gereichte auch die in Nord-Süd-Richtung ausgeprägte Hügellandschaft, der sich das Wegenetz anpasste. So war der Umfassungsangriff von Nord nach Süd leichter zu bewältigen als der Rückzug von Ost nach West, bei dem Täler und Höhen zu passieren waren.

Die Ursache der deutsch-rumänischen Niederlage lag darin, den sowjetischen Angriff am Dnister anzunehmen. Ein frühzeitiger Rückzug nach Westen auf den Pruth sowie die Donau mit dem Ausbau rückwärtiger Stellungen hätte den Untergang verhindern können. Für Hunderttausende von deutschen Soldaten wäre bei einem sofortigen Rückzug am ersten Angriffstag eine Rettung möglich gewesen. Dies verhinderten Hitlers notorische Durchhalteparolen zur Verteidigung jeden Meters Boden.

Über die Bedeutung der Schlacht schrieb Sergei Matwejewitsch Schtemenko (Chef der operativen Verwaltung des Generalstabs):

„Die Bedeutung des sowjetischen Sieges in der Operation von Iași-Kischinjow ist kaum zu überschätzen. Die Vernichtung der Hauptkräfte der Heeresgruppe Südukraine wirkte sich militärisch und politisch aus. Die sowjetischen Truppen stießen mit diesem Sieg gewissermaßen das Tor zum Inneren Rumäniens und zu den Grenzen Bulgariens und Jugoslawiens auf. Die Operation schuf auch günstige militärische und politische Voraussetzungen für die Beseitigung der Antonescu-Diktatur, weil sie die militärische Stütze dieses Regimes zerschlug. Unter diesen Bedingungen rief die Kommunistische Partei Rumäniens das Volk zum bewaffneten Aufstand auf, der den Weg für die sozialistische Zukunft des Landes bahnte.“

Beteiligte Truppen

Rote Armee:

Osten: 3. Ukrainische Front (Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin)

  • 37. Armee (Michail Nikolajewitsch Scharochin)
  • 46. Armee (Iwan Timofejewitsch Schljomin)
  • 57. Armee (Nikolai Alexandrowitsch Gagen)
  • 5. Stoßarmee (Nikolai Erastowitsch Bersarin)
  • 17. Luftarmee (-)

Norden: 2. Ukrainische Front (Rodion Jakowlewitsch Malinowski)

  • 27. Armee (S.G. Trofimenko)
  • 40. Armee (F.F. Schmatschenko)
  • 52. Armee (K.A. Korotejew)
  • 53. Armee (I.M. Managarow)
  • 4. Gardearmee (I.W. Galanin)
  • 7. Gardearmee (M.S. Schumilow)
  • 6. Panzerarmee (A.G. Krawtschenko)
  • 5. Luftarmee (-)

Deutsche Wehrmacht:

Heeresgruppe Südukraine (Johannes Frießner):

Westlicher Norden Gruppe Wöhler:
Nördlicher Osten/Süden Gruppe Dumitrescu:

Literatur

  • Hans Kissel, Die Katastrophe in Rumänien 1944, Darmstadt, 1964
  • Hans Friessner, Verratene Schlachten. Die Tragödie der deutschen Wehrmacht in Rumänien und Ungarn, Hamburg 1956
  • W. Rehm: Jassy. Schicksal einer Division oder einer Armee?, Neckargemünd 1959
  • Peter Gosztony, Deutschlands Waffengefährten an der Ostfront 1941-1945, Stuttgart, 1981
  • Axel Hindemith, Bessarabien im 2. Weltkrieg in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien, Heimatkalender 2004, Hannover, 2004, ISBN 3-9807392-5-2

Einzelnachweise

  1. http://wwii-soldat.narod.ru/OPER/ARTICLES/027-kishenev.htm
  2. http://www.volksbund.de/kgs/
  3. http://www.volksbund.de/kgs/stadt.asp?stadt=2439
  4. K.W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand. Eine Bilanz, München 1966, S.112 (Reihe: Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges", Band VII - "Maschke-Kommission")
  5. G. Krivosheev, Soviet Casualties and Combat Losses in the Twentieth Century, ISBN 1-85367-280-7, Greenhill Books, 1997

Weblinks


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