Osterfuchs

Osterfuchs

Von einem zum österlichen Brauchtum des deutschsprachigen Raumes gehörigen Osterfuchs berichtete die ältere volkskundliche Literatur bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.[1] Der Fuchs nahm nach diesen Berichten die Stelle des Hasen als ostereierlegendem oder -bringendem Tier ein.

Inhaltsverzeichnis

Regionale Verbreitung

Karl Heßler berichtet im Jahr 1904 aus dem Schaumburger Land, dort würden die Ostereier nicht vom Hasen, sondern vom Fuchs gelegt. Die Kinder bereiteten für den Fuchs am Tag vor Ostern ein Nest aus Moos und Heu vor und sorgten dafür, dass der Fuchs in der Nacht nicht gestört würde.[2]

Um 1910 weist Karl Wehrhan den Fuchs als alleinigen Eierbringer in den im Nordosten Nordrhein-Westfalens gelegenen Orten Schildesche und Südlengern nach. Fuchs und Hase brachten sie in Versmold, Spenge und Asmissen. Die Tradition des Fuchses als Eierleger oder -bringer dürfte zu dieser Zeit schon im Schwinden begriffen gewesen sein, denn es wird angemerkt: „ … es sähe so aus, als ob der Fuchs vor dem Hasen zurückwiche.“[3][4]

In Großmühlingen in Sachsen-Anhalt brachte ebenfalls der Osterfuchs die Ostereier.[5]

Herkunft

Über die Herkunft oder den Ursprung des Glaubens an den Fuchs als Eierbringer finden sich in der volkskundlichen Literatur nur Vermutungen. Wehrhan nahm eine Übertragung des Fuchses aus dem Pfingstbrauchtum auf das Osterfest an: „Die weite Verbreitung des „Pingstvoss“ (Pfingstfuchs)“ und seine „Beziehung zu den Pfingsteiern“ ließen dies als naheliegend erscheinen.[3]

Der Volkskundler Hugo Hepding vermutete im Jahr 1927[6] einen Zusammenhang mit den weihnachtlichen Gebildbroten, für die in der Gegend um Osnabrück „Hasen und Vösse“ („Hasen und Füchse“) der übliche Ausdruck sei: „ … für Westfalen“, so Hepding, „wo doch gerade neben dem Hasen der Fuchs als Eierbringer erscheint, [möchte] man auch ein Ostergebäck in Fuchsgestalt erwarten." Nur, so wandte Hepding selber ein, sei kein Fuchs als Ostergebäck in Max Höflers Studie zu den Ostergebäcken erwähnt[7], dennoch müsse bei der „ … auffallenden Übereinstimmung zwischen den kindlichen Vorstellungen von den die Ostereier legenden Tieren und diesen verschieden tiergestaltigen Ostergebildbroten ein Zusammenhang bestehen“[6]. Möglicherweise sei der Glaube an Fuchs und Hase als Eierbringer aber auch dadurch entstanden, so Hepding, weil beide „ … nicht selten bis in die Gärten der Häuser“[6] kämen und so die kindliche Phantasie angeregt hätten.

Einen anderen Erklärungsansatz verfolgte Theodor Schnitzler in seiner Studie von 1957[8]: Er verweist auf die in Zwiebelschalen gekochten und dadurch braunrot gefärbten Ostereier[9], die in Westfalen „Fuchseier“ genannt würden. Deren Farbe erinnere an die Farbe des Hasenfells oder an das rote Fell des Fuchses. „Die ungewöhnliche Braun-Rot-Färbung des Eies wird dann mühelos der Herkunft von Fuchs und Hase zugeschrieben.“[8]

Fuchseier

Neben den nachgewiesenen Bedeutungen „gefärbtes Osterei“ oder „Osterei in der Kindersprache“ im Niedersächsischen Wörterbuch[10], „(durch Kochen in Zwiebellaub) braungefärbte[sic!], zu Ostern verschenktes Ei“ im Westfälischen Wörterbuch[11] und „Lüge“ oder „Trug“ im Mittelelbischen Wörterbuch[12], finden sich auch verschiedene Redensarten zum Fuchsei.

Im mittelelbischen Raum steht „von Fosseier(n) drömen“ für Unmögliches Denken oder erwarten, während „Fosseier (ge)freten hebben“ bedeutet, dass jemand besserwisserisch ist oder ein schlechtes Gewissen hat[12]. Auch im Niedersächsischen ist „Du dröömß woll van Foßeier“ bekannt; hier bedeutet die Redensart „bist in Gedanken, nicht bei der Sache, denkst an Unmögliches, hast eine merkwürdige Meinung, triffst mit der Ansicht daneben“[10]. Für das Westfälische ist „Met Fossoeggern feort (gefüttert)“ nachgewiesen, das für gerissene, unangenehm schlaue oder auf ihren Vorteil bedachte Menschen steht[11].

In Westfalen kann „Fosei“ auch einen Pilz, den Bovist, bezeichnen[11][13], so ebenfalls an der Mittelelbe, wo noch die Bedeutung „Hühnerei ohne feste Schale“ (vgl. Windei) hinzukommt.[12].

Siehe auch

Literatur

Aufsätze und Monographien

  • Hugo Hepding: Ostereier und Osterhase, in: Hessische Blätter für Volkskunde, Band 26/1927, Seite 127-141
  • Karl Heßler: Hessische Landes-und Volkskunde, Band 2, Hessische Volkskunde, Marburg 1904 (zum eierbringenden Fuchs Seite 581)
  • Paul Sartori: Tage und Festzeiten des Jahres, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, Band 4, 1. Heft, 1907, Seite 1–31 (zu den „Fuchseiern“ Seite 24)
  • Paul Sartori: Sitte und Brauch, Dritter Teil: Zeiten und Feste des Jahres, Leipzig 1914, Seite 160, Anm. 64
  • Theodor Schnitzler: Osterei und Osterhase. Hinweise auf Ergebnisse und Aufgaben der Brauchtumsforschung, in: Balthasar Fischer und Johannes Wagner (Hgg.), Paschatis Sollemnia. Studien zu Osterfeier und Osterfrömmigkeit, Basel, Freiburg, Wien 1959, Seite 267–274
  • Karl Wehrhan: Hase oder Fuchs als Eierspender, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, Band 7, 3. Heft, 1910, Seite 232
  • Robert Wildhaber: Der Osterhase und andere Eierbringer, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band 54/1958, Seite 110–116 (zum Fuchs Seite 114f.)
  • Alfred Wirth: Anhaltische Volkskunde, Dessau 1932, Seite 225

Wörterbücher

  • Mittelelbisches Wörterbuch, begründet von Karl Bischoff, weitergeführt und herausgegeben von Gerhard Kettmann, Band 1, Berlin 2008, Spalte 1034, Lemma „Fossei“
  • Mittelelbisches Wörterbuch, begründet von Karl Bischoff, weitergeführt und herausgegeben von Gerhard Kettmann, Band 2, Berlin 2002, Spalte 1252, Lemma „Osterfuchs"
  • Niedersächsisches Wörterbuch, Vierter Band, herausgegeben von Dieter Stellmacher, Neumünster 1994, Spalte 893, Lemma „Foßei“
  • Westfälisches Wörterbuch, herausgegeben von der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Band II, 10. Lieferung, Neumünster 2006, Spalte 833, Lemma „[Fos]~ei“

Einzelnachweise

  1. Das Lemma „Osterfuchs“ findet sich zwar im Mittelelbischen Wörterbuch von 2002, allerdings nur mit Verweis auf die Monographie Anhaltische Volkskunde, Dessau 1932 von Alfred Wirth. Mehrfach – von 1994 bis 2009 – wird der Osterfuchs auch in der Mitteldeutschen Zeitung (Ergebnisse der Archivsuche; abgerufen am 4. Juli 2010) erwähnt, allerdings folgen die heimatkundlichen Beiträge vom 26. März 1994 und 14. April 1995 inhaltlich sehr eng der Monographie von Wirth.
  2. Karl Heßler: Hessische Landes-und Volkskunde, Band 2, Hessische Volkskunde, Marburg 1904, Seite 581.
  3. a b Karl Wehrhan: Hase oder Fuchs als Eierspender, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, Band 7, 3. Heft, 1910, Seite 232.
  4. So auch Robert Wildhaber im Jahr 1957, der bemerkt „ … dass ein Anwachsen des Osterhasen-Gebietes in neuer Zeit festzustellen ist“; siehe Robert Wildhaber: Der Osterhase und andere Eierbringer, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band 54/1958, Seite 110–116, hier Seite 110.
  5. Unklar ist, ob das für das Veröffentlichungsjahr der Monographie – 1934 – noch zutrifft, merkt doch der Autor an, dass „Vieles von dem, was ich beschrieben habe, … nicht mehr [lebt], die Wandlungen der letzten 30–50 Jahre haben es zerstört oder entstellt.“; siehe: Alfred Wirth: Anhaltische Volkskunde, Dessau 1932 im Vorwort auf Seite VI; zum Osterfuchs Seite 225.
  6. a b c Hugo Hepding: Ostereier und Osterhase, in: Hessische Blätter für Volkskunde, Band 26/1927, Seite 127-141.
  7. Hepding bezieht sich auf Max Höfler: Ostergebäcke. Eine vergleichende Studie der Gebildbrote zur Osterzeit, (= Zeitschrift für österreichische Volkskunde; Supplement Heft 4), Wien 1906. Deutlicher ist Albert Becker: „ … während der Fuchs, der z. B. in Westfalen die Eier bringt, als Ostergebäck nicht begegnet.“; siehe Becker: Osterei und Osterhase. Vom Brauchtum der deutschen Osterzeit, (= Volksart und Brauch), Jena 1937, hier Seite 40.
  8. a b Theodor Schnitzler: Osterei und Osterhase. Hinweise auf Ergebnisse und Aufgaben der Brauchtumsforschung, in: Balthasar Fischer und Johannes Wagner (Hgg.): Paschatis Sollemnia. Studien zu Osterfeier und Osterfrömmigkeit. Basel, Freiburg, Wien 1959, Seite 267–274
  9. Nach Paul Sartori: Sitte und Brauch, Dritter Teil: Zeiten und Feste des Jahres, Leipzig 1914, Seite 160, Anm. 64 sind sie von gelber Farbe. Sartori verweist hier auf Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands, Theil 2: Gebräuche und Märchen, Leipzig 1859, Seite 142, wo sich aber kein entsprechender Hinweis findet.
  10. a b Niedersächsisches Wörterbuch, Vierter Band, herausgegeben von Dieter Stellmacher, Neumünster 1994, Spalte 893, Lemma „Foßei“.
  11. a b c Westfälisches Wörterbuch, herausgegeben von der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Band II, 10. Lieferung, Neumünster 2006, Spalte 833, Lemma „[Fos]~ei“.
  12. a b c Mittelelbisches Wörterbuch, begründet von Karl Bischoff, weitergeführt und herausgegeben von Gerhard Kettmann, Band 1, Berlin 2008, Spalte 1034, Lemma „Fossei“.
  13. Diese Bezeichnung bieten auch die Grimms für die Altmark in ihrem Wörterbuch: Lemma „Fuchsei“, Band 4, Spalte 342.

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