- Egon Flaig
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Egon Flaig (* 16. Mai 1949 in Gronau, Württemberg) ist ein deutscher Althistoriker.
Egon Flaig studierte von 1970 bis 1976 Geschichte und Romanistik in Stuttgart, Paris und Berlin. Zunächst war er 1977 bis 1981 als Referendar an Berliner Gymnasien tätig. 1982 bis 1984 arbeitete er als Übersetzer und studierte nebenher Philosophie. Nach der Promotion in Berlin bei Alexander Demandt (Alte Geschichte) und Jacob Taubes (Philosophie) im Jahr 1984 zu Angeschaute Geschichte. Zu Jakob Burckhardts Griechischer Kulturgeschichte und der Arbeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg im Breisgau bei Jochen Martin erfolgte 1990 die Habilitation zu Den Kaiser herausfordern. Anschließend lehrte er zunächst als Privatdozent in Freiburg und Göttingen, arbeitete anschließend am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte, war 1995 Gastprofessor am Collège de France bei Pierre Bourdieu und seit 1998 ordentlicher Professor für Alte Geschichte an der Universität Greifswald. Nach Einstellung der Alten Geschichte in Greifswald wurde er zum 1. April 2008 an die Universität Rostock versetzt, wo er die Nachfolge von Rainer Bernhardt antrat.
Gastprofessuren führten ihn 2000 und 2001 ans Centre Gustave Glotz (Sorbonne, Paris I) und die Universität Konstanz. 2002–2003 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2009–2010 Stipendiat des Historischen Kollegs in München. Flaig erhielt 1996 den Hans-Reimer-Preis der Aby-Warburg-Stiftung. Flaig ist einer der wichtigsten Vertreter derjenigen Althistoriker, die in besonderem Maße auf die Erkenntnisse der französischen Annales-Schule rekurrieren. Dabei legt er einen Schwerpunkt auf die Strukturanalyse der politischen Praktik (verstanden im Sinne von Paul Veyne: „Foucault revolutioniert die Geschichte“).
Flaig selbst betont, dass er aus keiner althistorischen „Schule“ stamme. Er orientiert sich an Pierre Bourdieu und ist von der Cultural Anthropology beeinflusst. Er sieht sich als „weit entfernt von der traditionellen deutschen Althistorie“, deren Vertreter er nicht selten mit recht polemischen Aussagen provoziert hat. Seine Arbeitsweise wird umgekehrt von nicht wenigen Gelehrten kritisiert – zwar werden seine Arbeiten rezipiert und diskutiert, doch zugleich sind manche seiner Thesen auf teilweise heftige Ablehnung gestoßen. Wichtiger Punkt seiner Arbeit ist die interdisziplinäre Forschung.
Öffentliche Aufmerksamkeit erhielt ein Essay Flaigs in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. September 2006. In diesem Artikel setzte er sich kritisch mit der Geschichte der Expansion des Islam und dessen Verhältnis zur Gewalt auseinander; er kommt zu dem Schluss: „Wer weiterhin das Märchen von der islamischen Toleranz“ verbreite, behindere „jene muslimischen Intellektuellen, die ernsthaft an jener Reform des Islam arbeiten, die im neunzehnten Jahrhundert so erfolgversprechend begann (…) Gelänge es den Reformern, den Islam radikal zu entpolitisieren, dann könnten die Muslime zu wirklichen Bürgern in ihren Staaten werden. Übrig bliebe jene hochgradig spirituelle Religion, die nicht nur Goethe fasziniert hat.“[1]
Im Oktober 2007 veröffentlichte Flaig im Merkur (Nr. 701) unter dem Titel Zur Unvergleichlichkeit, hier wird’s Ereignis. Reflexion über die moralisch erzwungene Verdummung einen Beitrag zur Singularität des Holocaust. Flaig schrieb, dass die vermeintliche Singularität einer Banalität gleichkomme:[2][3]
„Rein logisch ist alles Existierende singulär, weil die Bedingungen des Existierens für zwei Dinge unmöglich dieselben sein können, ja weil diese Bedingungen sich für ein und dasselbe Ding bereits geändert haben, während ich diesen Satz schreibe. Doch wenn ich wissen will, in welcher Hinsicht etwas singulär ist, dann komme ich nicht umhin zu vergleichen. Wer wird bestreiten, daß das Warschauer Ghetto ‚singulär‘ war? Aber jede einzelne Krankheit meines Großvaters war es ebenso. Sogar der Rotz in meinem Taschentuch ist singulär.“
Schriften
- (Hrsg.): Giovanni Boccaccio. Dargestellt von Egon Flaig. Andreas, Salzburg 1984, ISBN 3-85012-137-2
- Angeschaute Geschichte. Zu Jacob Burckhardts „Griechische Kulturgeschichte“. Schäuble, Rheinfelden 1987, ISBN 3-87718-618-1
- Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1992, ISBN 3-593-34639-7
- Ödipus. Tragischer Vatermord im klassischen Athen. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43284-0
- Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-36700-7
- Warum weint der Feldherr?, Rezension von Uwe Walter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. September 2003
- Essay: Djihad und Dhimmitude. Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht (Weiter unten). In: moritz. Nr. 60, Dezember 2006, S. 38-42
- Martin Behrens Kritische Antwort auf „Djihad und Dhimmitude. Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht“. In: moritz. 29. Januar 2007
- Weltgeschichte der Sklaverei. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58450-3
- Die ‚Habermas-Methode‘ und die geistige Situation ein Vierteljahrhundert danach. Skizze einer Schadensaufnahme, in: Mathias Brodkorb (Hrsg.): Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre Historikerstreit, Adebar-Verlag e. K., Banzkow 2011 ISBN 978-3-9809375-9-7
Weblinks
- Literatur von und über Egon Flaig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag im Catalogus Professorum Rostochiensium
- Egon Flaig auf der Webseite des Heinrich Schliemann-Instituts für Altertumswissenschaften an der Universität Rostock
- Egon Flaig beim Perlentaucher
- Unsere fremd gewordene Antike, Aufsatz von Egon Flaig in der Neuen Zürcher Zeitung, 6. Oktober 2001
Fußnoten
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Essay: Der Islam will die Welteroberung. 15. September 2006
- ↑ Zitiert nach Zur Unvergleichlichkeit – Greifswalder Professor Flaig erhält Beifall von Rechtsextremisten. In: Endstation Rechts. Archiviert vom Original am 26. März 2009, abgerufen am 9. April 2011.
- ↑ „Für moralischen Terror gibt es keine mildernden Umstände“ – Prof. Flaig im Interview. In: Endstation Rechts. Archiviert vom Original am 19. Juni 2008, abgerufen am 9. April 2011.
Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Universität RostockErnst Hohl (1923–1949) | Rainer Bernhardt (1993–2008) | Egon Flaig (seit 2008)
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