Photo Porst

Photo Porst

Photo Porst war bis zur Insolvenz 2002 ein deutsches Unternehmen der Fotowirtschaft mit Sitz anfänglich in Nürnberg später in Schwabach, das insbesondere durch den frühen Versandhandel, als Fachgeschäftskette und in den 1970er Jahren durch die Umwandlung des Familienbetriebes in ein sozialistisches Unternehmen mit großer Mitarbeiterbeteiligung bekannt wurde.

Unternehmenslogo

Die Markenrechte an dem Namen Photo Porst liegen heute bei der Ringfoto-Gruppe.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Geschichte von Photo Porst ist nicht nur die Geschichte eines deutschen Unternehmens, vom Aufbau und Blüte in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, kompletter Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und neue Blüte zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders, bis hin zu sozialistischen Experimenten (das Unternehmen wurde komplett auf die Mitarbeiter übertragen), deren Scheitern und dem endgültigen Aus im Jahre 2002. Die Geschichte von Photo Porst ist auch die Geschichte der deutschen Fotoindustrie von den Anfängen zur Blüte, den ersten Preiskämpfen – zunächst mit Produkten aus Ostdeutschland (in Konkurrenz zu den russischen Produkten des Mitbewerbers Photo Quelle), den ersten Kameras aus japanischer Produktion bis hin zum Niedergang der deutschen Kameraindustrie. Die Kataloge von Photo Porst sind somit eine lückenlose Dokumentation dieser Entwicklung in der Industrie- und Wirtschaftsgeschichte. Eine Besonderheit in der Geschichte von Photo Porst ist die Entwicklung spezieller Marketing-Konzepte, die für die jeweilige Zeit sehr innovativ waren (und trotzdem den Untergang des Unternehmens nicht verhindern konnten).

Gründung und Aufbau

Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg eröffnete der damals 23-jährige städtische Schreiber Hanns Porst am 1. Juli 1919 in seiner Heimatstadt Nürnberg einen kleinen Fotoladen. Die Liebe zur Fotografie hatte er schon als Junge entdeckt: Der Untermieter seiner Eltern, selbst ein begeisterter Fotoamateur, führte Hanns Porst in die Geheimnisse der Fotografie und der Dunkelkammer ein. Das als Zeitungsjunge verdiente Geld wurde in eine erste eigene Kamera investiert, und von da an war der 15-jährige Hanns Porst als Fotograf bei allen möglichen Veranstaltungen unterwegs, um sich sein Taschengeld und eine immer bessere Kamera-Ausstattung zu verdienen.

Frühes Marketing

Schon bald nach der Eröffnung des ersten kleinen Ladens bewies Hanns Porst sein Marketing-Geschick. Er hatte kein Geld für große Werbekampagnen, also ließ er eines Nachts den Bürgersteig vor seinem Laden in eine unkonventionelle Werbefläche umwandeln. Seine Freunde verzierten den Gehweg flächendeckend in Großschrift mit dem Logo PHOTO PORST. Zwar sorgten die Ordnungshüter schnell dafür, dass diese unerlaubte Werbung wieder verschwand, aber Photo Porst war in aller Munde. Eine ähnliche Idee lieferte Hanns Porst 1925 nach der Eröffnung seines dritten „großen“ Geschäfts mit 11 Schaufenstern am Lorenzerplatz in Nürnberg. Die wegen der etwas abgelegenen Lage ausbleibenden abendlichen „Schaufensterbummler“ und damit potentiellen Kunden wurden durch die neue, damals noch unübliche nächtliche Beleuchtung der Auslagen und des Gebäudes angelockt.

Kundenorientierung und Versandhandel

Die Kundenorientierung galt als oberstes Grundprinzip des Unternehmens und war der Schlüssel des Erfolgs von Photo Porst. Hanns Porst hatte sehr früh erkannt, dass zufriedene Kunden immer wiederkehren und durch Mundpropaganda weitere Kunden ins Haus bringen. Die Kataloge von Porst strotzten nur so von sog. Testimonials, d. h., abgedruckten Zuschriften zufriedener Kunden. Am besten wird dies durch die „Leitsätze zur Kundenbetreuung“ des Unternehmens erkenntlich. Erst der Einstieg in den Versandhandel schuf die Voraussetzung für das weitere Wachstum von Photo Porst. Angefangen hatte das Ganze wohl eher mit einem Missgeschick. Um das Jahr 1925 hatte Hanns Porst sich mit dem Einkauf einer größeren Menge hochwertiger Plattenkameras etwas übernommen: Die Kameras verkauften sich nicht schnell genug, es bestand die Gefahr, darauf sitzen zu bleiben. So bot er diese Kameras – mit einem großzügigen Teilzahlungsmodell (1/10 Anzahlung, Rest in Monatsraten) – auch außerhalb Nürnbergs an und stieß auf sehr große Resonanz. Ab da wurde der Versandhandel systematisiert und ermöglichte das rasante Wachstum des Unternehmens zum „größten Photohaus der Welt“.

Katalog und breites Sortiment

Das breite Sortiment des Unternehmens, Kameras aller Preislagen, ein komplettes Zusatzsortiment und günstige Preise (ermöglicht durch die großen Mengen) waren die Grundlage für den Erfolg des Hauses Porst. In der damaligen Zeit waren Fotofachgeschäfte klein und sicher nur in größeren Städten vorhanden. Das in den Läden ausgestellte Angebot war recht begrenzt, und Kameras und Zubehör mussten aus den Herstellerschriften ausgewählt und bestellt werden. Da war das große Angebot des Porst-Katalogs mit seinen vielen Abbildungen, das in Ruhe im heimischen Wohnzimmer studiert werden konnte, für viele eine gute Alternative. Porsts Kommunikations-Konzept, bestehend aus dem Porst Fotohelfer (Katalog), Büchern, Gelegenheitslisten, einer Kundenzeitschrift und vielem mehr, führten zu einer Kundenbindung, deutlich enger und besser als bei so manchem konventionellen Ladengeschäft. Viele Zitate aus Zuschriften zufriedener Kunden waren in den Katalogen zu finden.

Teilzahlungsmodell

Das Teilzahlungsmodell von Photo Porst (normalerweise 1/10 Anzahlung oder ein Gebrauchtgerät, „Rest in 12 kleinen Monatsraten“; die genauen Details variierten) – ohne Kreditprüfung und Rückfrage bei Bank oder Arbeitgeber – kam dem Porst-Publikum sehr entgegen. Die Blütezeit von Photo Porst war die Zeit des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch die Zeit des Aufbaus zwischen den Weltkriegen. Die Menschen wollten sich „Luxusgüter“ kaufen, aber konnten es sich nicht leisten, bar für ihre neue Kamera zu bezahlen. Aber das sollten Nachbarn, Freunde und Kollegen natürlich nicht wissen. So waren die anonymen Kreditbedingungen von Photo Porst sehr willkommen. Nach Angaben von Hannsheinz Porst nahmen nahezu 100 % aller Käufer das Finanzierungsangebot an und kauften auf Raten.

Ausbau der Porst-Ladenkette nach der Krise 1964

Um 1964 brachen die Umsätze ein: Ladengeschäfte boten mittlerweile ein adäquates Sortiment an und anonyme Teilzahlungsangebote waren (und noch dazu deutlich günstiger) auch von anderen Anbietern zu haben. Der neue Wettbewerber Foto Quelle war zum mächtigen Konkurrenten geworden. Die deutsche Kameraindustrie verlor massiv an Bedeutung, Billigangebote aus der DDR und der UDSSR (vor allem bei Foto-Quelle) konnten den Siegeszug der japanischen Importe nicht aufhalten und erforderten eine Umorientierung auch bei Photo Porst. In dieser Zeit traf Porst eine richtige Entscheidung, die den Erfolg des Unternehmens für nahezu 20 weitere Jahre sicherte. Mit Hochdruck wurde eine Kette von Ladengeschäften – in späteren Jahre ergänzt durch Franchise-Partner – in guten City-Lagen aus dem Boden gestampft. Und das alte Rezept „guter Service und Kundenfreundlichkeit“ führten erneut zum Erfolg.

Hannsheinz Porst – Unternehmer, Spion und Sozialist?

Von Anfang an spielten die Mitarbeiter (neben seinen Kunden) die wichtigste Rolle für Hanns Porst. Mit vorbildlichen Sozialleistungen wie großzügigen Urlaubsregelungen, firmeneigenen Ferienheimen, dem Bau moderner Mitarbeiterwohnungen, Fortbildungseinrichtungen usw. war Hanns Porst ein sehr sozial eingestellter Firmenchef, ähnlich wie es Robert Bosch auch gewesen ist. Bei seinem Sohn Hannsheinz Porst, der 1960 die Unternehmensleitung übernahm, gingen diese Gedanken offenbar noch weiter. Er war hin und her gerissen zwischen den Gegenpolen von Kapitalismus und dem Sozialismus der DDR (die er von Einkaufsreisen her gut kannte). Hannsheinz Porst versuchte auf seine Art, zwischen BRD und der DDR zu vermitteln – er war nicht nur im Westen politisch in der FDP tätig, sondern insgeheim auch Mitglied der SED und spionierte für die Stasi. Die von Porst produzierte Zeitschrift rtv wollte man dazu nutzen, in Westdeutschland ein Sprachrohr für den Sozialismus zu haben, was aber nie wirklich der Fall war und nur eine Idee des DDR-Regime blieb. Im Juli 1969 wurde Hannsheinz Porst wegen Spionage für die DDR zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten ohne Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 DM verurteilt.

Das sozialistische Experiment ab 1972

Auch im eigenen Unternehmen versuchte Hannsheinz Porst, diese Gedanken umzusetzen. 1972 führte Photo Porst die „totale Mitbestimmung“ ein. Eine Mitarbeitergesellschaft wurde gegründet, das Unternehmen und dessen Leitung an die Mitarbeiter übergeben, und Hannsheinz Porst zog sich 1978/79 komplett aus der Unternehmensleitung zurück. Ab jetzt wurden die Manager des Unternehmens von den Mitarbeitern bestimmt und auch wieder abgewählt. Dieses Vorgehen war damals und ist heute auch noch unüblich. 1982 scheiterte die Mitarbeitergesellschaft aufgrund der schlechten Auftragslage[1], Hannsheinz Porst stieg wieder ins Unternehmen ein. Die Schweizer Firma Interdiscount übernahm die Mehrheit der Firmenanteile.

Insolvenz 2002

Obwohl die Entwicklung der Ladenkette und Franchise-Partner weiter zügig vorangetrieben wurde, kam das Unternehmen nicht mehr auf die Beine. Der Umbruch im Fotomarkt war zu gewaltig. Auch die Sonderkonjunktur der deutschen Wiedervereinigung und die zusätzlichen Märkte im ehemaligen Ostblock konnten das Ende nur aufschieben, aber nicht aufhalten. Nach mehreren Änderungen der Gesellschaftsform und Eigentümer-Wechseln meldete die Photo Porst AG im Jahr 2002 Insolvenz an. Die Namensrechte für „Photo Porst“ gingen an die Ringfoto-Gruppe, Kodak übernahm die Rechte für das Bildgeschäft. 83 Jahre nach seiner Gründung war das ehemals „größte Photohaus der Welt“ am Ende.

Siehe auch

Literatur

Quellen

  • Günther Kadlubek: Photo PORST, eine Unternehmensgeschichte. 2000. ISBN 3-8950-6217-0
  • Günther Kadlubek, Rudolf Hillebrand: Kadlubeks Kamera Katalog. Lindemanns, 2004. ISBN 3-8950-6995-7 (und vorherige Auflagen)

Weitere Literatur:

  • Hannsheinz Porst: Gelebte Visionen – Die Geschichte eines Protagonisten. BoD, Norderstedt, 2003. ISBN 3-8311-4656-X
  • Hannsheinz Porst: Vermögensbildung und Selbstbestimmung, Schritte zur Demokratisierung in der Porst-Unternehmensgruppe? Carl-Backhaus-Stiftung. Ahrensburg, 1972.
  • L.Gg.Greck und K.H. Rühle: Das Photo-Versandhaus der Firma Der Photo-Porst, Nürnberg Band 44 der Serie DEUTSCHE GROSSBETRIEBE. J.J. Arnd Verlag Übersee-Post, Leipzig 1939

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/82/82_3/porst.htm

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