Polyzystischen Lebererkrankung

Polyzystischen Lebererkrankung
Klassifikation nach ICD-10
K44.6 Zystenleber
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Als Zystenleber, auch polyzystische Leber oder zystische Leberkrankheit genannt, bezeichnet man eine meist angeborene Fehlbildung der Leber, bei der dieses Organ mit einer Vielzahl von flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen (Zysten) durchsetzt ist. Die Zystenleber wird zu den gutartigen (benignen) Tumoren gezählt.

Im Gegensatz zu der sehr häufig auftretenden Leberzyste, die meist ein harmloser Zufallsbefund der Leber mit einer Zyste darstellt, ist die Zystenleber eine relativ seltene ernsthafte Erkrankung.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ätiologie und Prävalenz

Die zystische Leberkrankheit kann sowohl genetische (autosomal-dominanter Erbgang) Ursachen haben, als auch sporadisch auftreten. Die Prävalenz ist nicht genau bekannt. Von der Erkrankung sind meist Frauen ab dem vierzigsten Lebensjahr betroffen.[2]

Die häufige Ursache für die zystische Leberkrankheit ist die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD).[3][4] Als systemische Erkrankung befällt die ADPKD sehr häufig auch die Leber, weshalb bei Patienten mit ADPKD in etwa 75% der Fälle auch eine Zystenleber diagnostiziert wird.[5][6]

Polyzystische Lebererkrankung

Während der größte Teil der Zystenleber-Erkrankungen ihre Ursache in der genetisch bedingten ADPKD hat, gibt es eine von der ADPKD unabhängige, ebenfalls autosomal-dominante Ursache für eine Zystenleber.[7] In diesem Fall spricht man von einer Polyzystischen Lebererkrankung (PCLD). Der genetische Hintergrund für die PCLD sind Mutationen auf Chromosom 19, Genlocus p13.2–p13.1 oder Chromosom 6 Genlocus 21.

Auf Chromosom 19 befindet sich beim Menschen das PRKCSH-Gen, auch G19P1- oder PCLD-Gen genannt. Dieses Gen kodiert das Proteinkinase C Substrat 80K-H.[8][9][10][11]

Das auf Chromosom 6 befindliche SEC63-Gen kodiert für einen Endoplasmatisches-Reticulum-Membrankomplex.[12][13][14]

Die PCLD ist eine sehr seltene Erkrankung. Die Inzidenz der PCLD liegt bei weniger als 1:10.000.[1]

Symptome und Diagnose

Der Raumanspruch der ständig anwachsenden Zysten verursacht je nach Größe der Leber ein Druckgefühl und Schmerzen im Oberbauch. Die Zysten können dabei auf Magen und Darm drücken. Die betroffenen leider dann oft an Appetitmangel und Gewichtsverlust. Die Leberfunktion bleibt auch bei einer starken Durchdringung mit Zysten lange Zeit erhalten.

Bei vorhandenen Symptomen erfolgt die Diagnose mittels bildgebender Verfahren, meist mittels Ultraschall oder Computertomographie. Da die Mehrzahl der polyzystischen Lebererkrankungen genetisch bedingt ist, spielt auch eine eingehende Familienanamnese eine wichtige Rolle.

Therapie

Eine medikamentöse Behandlung einer Zystenleber ist derzeit nicht möglich. Nur ein chirurgischer Eingriff gewährleistet eine Heilung. Dabei stehen zurzeit drei Eingriffsmethoden zu Verfügung, die erst dann angewendet werden, wenn die Leberfunktion durch die Zysten erheblich eingeschränkt ist.

Offene Zystenentdeckelung

siehe Hauptartikel Marsupialisation

Vor der Entwicklung der Laparoskopie war die 1968 von dem taiwanesischen Arzt T. Y. Lin und Kollegen entwickelte[15] offene Zystenentdeckelung (engl.: de-roofing), auch offene Fenestrierung genannt, die Methode der Wahl.[1]

Laparoskopische Zystenentdeckelung

Die laparoskopische Zystenentdeckelung ist mittlerweile beim Menschen das Mittel der Wahl zur Behandlung einer Zystenleber. [1] Der minimal-invasive Eingriff wurde erstmals 1991 durchgeführt. Dabei wird nach der Aspiration (Absaugung) der Zystenflüssigkeit das Dach der Zysten vollständig entfernt und der verbleibende Hohlraum mit dem körpereigenem großen Netz (Omentum majus) ausgefüllt, das dabei an den Zystenrand genäht wird. Dies unterdrückt die Zystenneubildung.[16]

Lebertransplantation

siehe Hauptartikel Lebertransplantation

Die letzte und deutlich aufwändigste Maßnahme zur Therapie einer Zystenleber ist die Lebertransplantation. Sie wird in der Regel erst dann durchgeführt, wenn die Leberfunktion fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, was bei einem vollständigen Befall der Leber mit Zysten gegeben ist.[17][18][4]

Historie

Die Zystenleber wurde erstmals 1856 von dem britischen Arzt F. Bristowe als Begleiterscheinung der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) beschrieben.[19]

Einzelnachweise

  1. a b c d R. T. Russell und C. W. Pinson: http://www.wjgnet.com/1007-9327/13/5052.asp Surgical management of polycystic liver disease. In: World J Gastroenterol 13, 2007, S.5052–5059.
  2. orphanet.org: Leberkrankheit, polyzystische eingesehen am 2. November 2008
  3. I. D. A. d'Agata u. a.: Combined cystic disease of the liver and kidney. In: Sem Liver Dis 14, 1994, S. 215–228. PMID 7939783
  4. a b J.Milutinovic u. a.: Liver cysts in patients with autosomal dominant polycystic kidney disease. In: Am J Med 68, 1980, S. 741–744. PMID 7377224
  5. A. C. Ong und P. C. Harris: Molecular pathogenesis of ADPKD: the polycystin complex gets complex. In: Kidney Int 67, 2005, S. 1234–1247. PMID 15780076
  6. U. Faber: Langzeitverlauf bei Adulter Polyzystischer Nierendegeneration nach Nierentransplantation. Dissertation, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2000.
  7. G. T. Everson u. a.: Polycystic disease of the liver. In: Hepatology 40, 2004, S. 774–782. PMID 15382167
  8. J. P. H. Drenth u. a.: Germline mutations in PRKCSH are associated with autosomal dominant polycystic liver disease. In: Nature Genetics 33, 2003, S. 345–348. PMID 12577059
  9. A. Li u. a.: Mutations in PRKCSH cause isolated autosomal dominant polycystic liver disease. In: Am. J. Hum. Genet. 72, 2003, S. 691–703. PMID 12529853
  10. D. M. Reynolds u. a.: Identification of a locus for autosomal dominant polycystic liver disease, on chromosome 19p13.2-13.1. In: Am. J. Hum. Genet. 67, 2000, S. 1598–1604. PMID 11047756
  11. OMIM: PROTEIN KINASE C SUBSTRATE, 80-KD, HEAVY CHAIN; PRKCSH eingesehen am 2. November 2008
  12. S. Davila u. a.: Mutations in SEC63 cause autosomal dominant polycystic liver disease. In: Nature Genetics 36, 2004, S. 575–576. PMID 15133510
  13. E. Woollatt u. a.: Human SEC63 endoplasmic reticulum membrane protein: map position 6q21. In: Chromosome Res 7, 1999, S. 77. PMID 10219736
  14. OMIM: [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/dispomim.cgi?id=608648 SEC63, S. CEREVISIAE, HOMOLOG OF eingesehen am 2. November 2008
  15. T. Y. Lin u. a.: Treatment of non-parasitic cystic disease of the liver: a new approach to therapy with polycystic liver. In: Ann Surg 168, 1968, S. 921–927. PMID 5684196
  16. charite.de: Minimal-invasive Chirurgie: Leberzysten eingesehen am 2. November 2008
  17. H. Lang u. a.: Liver Transplantation in Patients with Polycystic Liver Disease. In: Transplant Proc 29, 1997, S. 2832–2833. PMID 9365580
  18. J. Klupp u. a.: Orthotope Lebertransplantation zur Therapie der fortgeschrittenen polycystischen Lebererkrankung. In: Chirurg 67, 1996, S. 515–521. PMID 8777881
  19. F. Bristowe: Cystic disease of the liver associated with similar disease of the kidneys. In: Trans Pathol Soc Lond 7, 1856, S. 229–234.

Literatur

Fachbücher

  • C. Thomas (Herausgeber): Spezielle Pathologie. Schattauer Verlag, 1996, ISBN 3-794-52110-2 S. 253.
  • W. Wermke: Sonographische Differenzialdiagnose Leberkrankheiten. Deutscher Ärzteverlag, 2006, ISBN 3-769-10433-1

Übersichtsartikel

Fachartikel

  • J. P. Grünfeld u. a.: Liver changes and complications in adults polycystic kidney disease. In: Adv Nephrol 14, 1985, S. 1–20. PMID 2983516
  • B. Kremer u. a.: Die Zystenleber, eine Indikation zur Lebertransplantation oder zur dekompressiven Resektion? In: Zentralbl Chir 123, 1998, S. 131–135. PMID 9556884
  • H. Sanchez u. a.: Surgical Management of Nonparasitic Cystic Liver Disease. In: Am J Surg 161, 1991, S. 118–119. PMID 1987844
  • T. E. Starzl u. a.: Liver transplantation for polycystic liver disease. In: Arch Surg 125, 1990, S. 575–577. PMID 2331212
  • J. N. Vauthey u. a.: Clinical experience with adult polycystic liver disease. In: Br J Surg 79, 1992, S. 562–565. PMID 1611453
  • D. R. Jeyarajah u. a.: Liver and kidney transplantation for polycystic disease. In: Transplantation 66, 1998, S. 529–532. PMID 9734499

Dissertationen

Weblinks

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