Augsburger Reichs- und Religionsfrieden

Augsburger Reichs- und Religionsfrieden
Augsburg: Die beiden Türme der evangelischen (im Vordergrund) und der katholischen Ulrichskirche stehen für den Religionsfrieden in der Stadt.
Erste Seite des von Franz Behem in Mainz gedruckten Dokuments

Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden sicherte als Reichsgesetz für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation den Anhängern der Confessio Augustana, ein grundlegendes Bekenntnis der lutherischen Reichsstände, Frieden und ihre Besitzstände zu. Er verfügte vermittels der Formel Cuius regio, eius religio, dass ein Fürst eines Landes berechtigt ist, die Religion für dessen Bewohner vorzugeben; nicht die Bewohner selbst. Er verdrängte die Idee des universalen christlichen Kaisertums.

Er wurde am 25. September 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg zwischen Ferdinand I., der seinen Bruder Kaiser Karl V. vertrat, und den Reichsständen geschlossen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Nach der kaiserlichen Ablehnung der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag von 1530 bildete sich ein Jahr später der Schmalkaldische Bund als Bündnis der protestantischen Reichsstände. Dieser verlor 1547 den Schmalkaldischen Krieg gegen Kaiser Karl V. und musste widerwillig das Augsburger Interim annehmen, welches von allen Forderungen der Reformation bis zur endgültigen Klärung durch ein Konzil nur den Laienkelch und die Priesterehe gewährte.

Kaiser Karls Plan der Spanischen Sukzession, nach dem die Kaiserwürde an seinen Sohn Philipp II. von Spanien übergehen sollte, obwohl Ferdinand I. 1531 zum römischen König gewählt worden war, führte zum Widerstand der Fürsten, die um ihre teutsche Libertät, ihre Freiheiten, fürchteten.

Kurfürst Moritz von Sachsen erhielt 1547 von Karl V. die Kurwürde des dem Schmalkaldischen Bund angehörenden Johann Friedrich von Sachsen. Moritz wechselte danach die Seite und setzte sich an die Spitze der gegen die Spanische Sukzession aufbegehrenden Fürsten, täuschte Karl 1552 und nötigte ihn zur Flucht. Wegen dieses Seitenwechsels wurde Moritz von den Katholiken als Judas von Meißen und von den Protestanten als Retter der Reformation bezeichnet. Die Truppen der protestantischen Fürsten drangen bis nach Innsbruck vor.

Ferdinand I. handelte unterdessen mit den Reichsfürsten 1552 den Passauer Vertrag und 1555 den Augsburger Religionsfrieden aus.

Regelungen

Grundregelungen

Um die nach der Reformation in Deutschland ausbrechenden Unruhen zwischen den protestantischen und katholischen Reichsständen (Schmalkaldischer Krieg / Fürstenaufstand) zu befrieden, kamen die Fürsten und Stände im September 1555 nach Augsburg, um einen Reichstag abzuhalten. Nach langen Verhandlungen formulierten die Fürsten hier nicht mehr eine religiöse, sondern eine politische Kompromissformel, der beide Seiten zustimmen konnten: Wer das Land regiert, solle den Glauben bestimmen: cuius regio, eius religio (wessen Land, dessen Religion) - eine Formel, die der Greifswalder Jurist Joachim Stephani 1576 für das ius reformandi treffend einführte. Das bedeutete aber keinesfalls religiöse Freiheit der Untertanen oder gar Toleranz, sondern Freiheit der Fürsten, ihre Religion zu wählen. Den Untertanen, die nicht konvertieren wollten, wurde lediglich das „Recht“ eingeräumt, in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern (ius emigrandi).

Es war somit ein Sieg der Territorialherren über das Reich, der Sieg der fürstlichen Libertät über die Zentralgewalt, der Sieg über die Idee des universalen christlichen Kaisertums. Nach 1555 hatte der Kaiser keine religiösen Kompetenzen mehr inne, Luthertum und Katholizismus waren formal gleichberechtigt. Kurz gesagt, die lutherischen Stände hatten genau das erreicht, was ihnen vor Beginn des Schmalkaldischen Krieges verwehrt worden war: Die Anerkennung ihres Augsburger Bekenntnisses, der Confessio Augustana.

Sonderregelungen

Nach 1555 sah es tatsächlich so aus, als hätte sich die friedliche Absicht des Augsburger Religionsfriedens bewahrheitet. In den 1570er Jahren stritten sich die Theologen jedoch umso heftiger um Stellen, die sich bei genauerem Hinsehen im Kontrakt ergaben und zum Nutzen der eigenen und Schaden der gegnerischen Partei ausgelegt werden konnten. Maßgeblich beteiligt an diesen Konflikten waren zwei Sonderregelungen: Eine dieser Ausnahmeregelungen war eine im Augsburger Religionsfrieden enthaltene Klausel, das Reservatum ecclesiasticum (lat. für: "geistlicher Vorbehalt"), welches für geistliche Territorien eine Ausnahme im Grundsatz des ius reformandi vorsah. Sollte ein geistlicher Territorialherr zum Protestantismus konvertieren, so musste er sein Amt niederlegen und seine Herrschaft aufgeben. Die Reichskirche würde fortan also katholisch bleiben.

Damit war die Mehrzahl der protestantischen Stände nicht einverstanden, sie sahen den "geistlichen Vorbehalt" als eine deutliche Benachteiligung für sich an. Die Klausel wurde von ihnen wahrscheinlich nur geduldet, weil der Kaiser in einem Zusatzvertrag, der Declaratio Ferdinandea landsässigen evangelischen Rittern, Reichsstädten, Adligen und Gemeinden in geistlichen Gebieten Bekenntnisfreiheit zugestand. Da solche Zusatzerklärungen laut §28 des Augsburger Religionsfriedens jedoch nicht erlaubt waren und die Declaratio nicht in den offiziellen Reichstagsabschied aufgenommen wurde, zweifelten später oft Katholiken an deren Wahrheitsgehalt [2] .

Ein weiterer Streitpunkt war das Reformationsrecht der Reichsstädte. Die Protestanten hatten zwar erreicht, dass vor 1555 zum Protestantismus übergetretenes Kirchengut seine Konfession behalten durfte, über den zukünftigen Zustand des Rechts wurde jedoch nicht weiter diskutiert. Ebenso blieb die reichsrechtliche Stellung der Calvinisten ungeklärt, der Augsburger Religionsfrieden galt ausdrücklich nur für die Anhängerschaft der Confessio Augustana.

Trotz all dieser Probleme, die weitere Konflikte entfachten, sicherte der Augsburger Religionsfrieden zusammen mit dem gleichzeitig vereinbarten allgemeinen Landfrieden dem Reich einen inneren Frieden und verhinderte über 60 Jahre lang den Ausbruch eines größeren Krieges. Diese Friedensperiode stellt eine der längsten in der europäischen Geschichte dar. Erst mit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 traten die Gegensätze erneut und um so heftiger und grauenvoller hervor.

Auszug aus dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden vom 25. September 1555

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  • „Setzen demnach, ordnen, wollen und gebieten, daß fernerhin niemand, welcher Würde, Standes oder Wesens er auch sei, den anderen befehden, bekriegen, fangen, überziehen, belagern, […] [möchte], sondern ein jeder den anderen mit rechter Freundschaft und christlicher Liebe entgegentreten soll und durchaus die Kaiserliche Majestät und Wir (der römische König Ferdinand, der für seinen Bruder Karl V. die Verhandlungen führte) alle Stände, und wiederum die Stände Kaiserliche Majestät und Uns, auch ein Stand den anderen, bei dieser nachfolgenden Religionskonstruktion des aufgerichteten Landfriedens in allen Stücken lassen sollen.“ (§ 14 – Landfriedensformel)
  • „Und damit solcher Friede auch trotz der Religionsspaltung, wie es die Notwendigkeit des Heiligen Reiches Deutscher Nation erfordert, desto beständiger zwischen der Römischen Kaiserlichen Majestät, Uns, sowie den Kurfürsten, Fürsten, und Ständen aufgerichtet und erhalten werden möchte, so sollen die Kaiserliche Majestät, Wir, sowie die Kurfürsten, Fürsten und Stände keinen Stand des Reiches wegen der Augsburgischen Konfession, und deren Lehre, Religion und Glauben in gewaltsamer Weise überziehen, beschädigen, vergewaltigen oder auf anderem Wege wider Erkenntnis, Gewissen und Willen von dieser Augsburgischen Konfession, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Zeremonien, die sie aufgerichtet haben oder aufrichten werden, in ihren Fürstentümern, Ländern und Herrschaften etwas erzwingen oder durch Mandat erschweren oder verachten, sondern diese Religion, ihr liegendes und fahrendes Hab und Gut, Land, Leute, Herrschaften, Obrigkeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten ruhig und friedlich belassen, und es soll die strittige Religion nicht anders als durch christliche, freundliche und friedliche Mittel und Wege zu einhelligem, christlichem Verständnis und Vergleich gebracht werden.“ (§ 15 – Religionsformel)
  • „[…] Wo ein Erzbischoff, Bischoff, Prälat oder ein anderer geistliches Stands von Unser alten Religion abtretten würde, dass derselbig sein Erzbistumb, Bistumbe, Prälatur und andere Benificia, auch damit alle Frucht und Einkommen, so er davon gehabt, alsbald ohn einige Verwiderung und Verzug, jedoch seinen Ehren ohnnachteilig, verlassen, auch den Capituln, und denen es von gemeinhin Rechten oder der Kirchen und Stifft Gewohnheiten zugehört, ein Person, der alten Religion verwandt, zu wehlen und zu ordnen zugelassen sehn, welche auch samt der geistlichen Capituln und anderen Kirchen bey der Kirchen und Stifft-Fundationen, Electionen, Präsentationen, Confirmationen, altem Herkommen, Gerechtigkeiten und Gütern, liegend und fahrend, unverhindert und friedlich gelassen werden sollen, jedoch künfftiger Christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung der Religion unvergreifflich.“ (§ 18 – Geistlicher Vorbehalt, Reservatum ecclesiasticum)

Literatur

  • Thomas Brockmann: Augsburger Religionsfrieden. In: Enzyklopädie der Neuzeit. J. B. Metzler, Stuttgart 2005, ISBN 3-476-01935-7, Sp. 848-850.
  • Karl-Hermann Kästner: Augsburger Religionsfriede. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Auflage. Band I, Erich Schmid, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 360-362 (Ruth Schmidt-Wiegand als philologischer Beraterin ; Redaktion: Falk Hess und Andreas Karg; völlig überarbeitete und erweiterte Auflage).
  • Axel Gotthard: Der Augsburger Religionsfrieden. Aschendorff, Münster 2004, ISBN 3-402-03815-3.
  • Carl A. Hoffmann u. a. (Hrsg.): Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden. Begleitband zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg (16. Juni - 16. Oktober 2005). Schnell und Steiner, Regensburg 2005, ISBN 3-7954-1748-1.
  • Harm Klueting: Das konfessionelle Zeitalter. Ulmer, Stuttgart 1989, ISBN 3-8001-2611-7.
  • Wolfgang Wüst, Georg Kreuzer, Nicola Schümann (Hrsg.): Der Augsburger Religionsfriede 1555. Ein Epochenereignis und seine regionale Verankerung. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-507-6 (Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben (Nummer 98)).
  • Heinz Schilling, Heribert Smolinsky (Hrsg.): Der Augsburger Religionsfrieden 1555. Aschendorff, Münster 2007, ISBN 978-3-402-11575-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gerhard Ruhbach: Augsburger Religionsfrieden. In: Helmut Burkhardt und Uwe Swarat (Hrsg.): Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. 1, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1992, ISBN 3417246415, S. 157.
  2. vgl. Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648. Reclam Sachbuch, Stuttgart 2009. (S. 32)

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