Porzellanmanufaktur Allach

Porzellanmanufaktur Allach
Porzellanmarke der Porzellanmanufaktur Allach nach 1939

Die Porzellanmanufaktur Allach war ein Unternehmen in München-Allach, das als nationalsozialistischer SS-Betrieb für Porzellan bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Privatwirtschaftlicher Anfang

Seit 1925 besaß der Industrielle Franz Nagy sen. in München-Allach ein 2.000 m² großes Grundstück, auf dem er ein kleines Siedlungshaus errichtete. Mit seinem Geschäftspartner, dem Porzellanmaler Karl Diebitsch begann er dort mit der Produktion von Kunstporzellan. Carl Diebitsch war es dann auch, der einige Jahre später die Beziehungen zur Allgemeinen SS anknüpfte. Das Gelände der Porzellanmanufaktur Allach befand sich an der Lindenstraße 8, heute Reinhard-von-Frank-Straße 8[1].

Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit unterhielt die SS u. a. Baubetriebe, besaß Siedlungen, Ernährungsbetriebe, Forschungsinstitute. Zu den Unternehmungen der SS gehörten die Mineralwasserfabrik Apollinaris, die Deutsche Edelmöbelfabrik, der Nordland-Verlag, die Schwertschmiede der SS sowie auch die Porzellanmanufaktur Allach.

Übergang zur SS

Im Jahr 1939 erfolgte die Übernahme durch die SS durch Enteignung. Die Manufaktur wurde dem zur Allgemeinen SS gehörenden Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft unterstellt. Im Gegensatz zu anderen wirtschaftlichen Unternehmungen war der Betrieb nicht auf die Erwirtschaftung von Einnahmen gerichtet. Ganz im Sinne der traditionellen Argumentation der Staatsmanufakturen, die ihre immens hohen Subventionen mit dem Verweis auf den erzieherischen Anspruch, „stil- und geschmacksbildend“ zu wirken rechtfertigten, sollten auch die Produkte der neuen SS-Manufaktur die „Erziehung zum nationalsozialistischen Menschen unterstützen“.

Produktion in Dachau

Da auf Grund einer raschen Expansion des Unternehmens die Anlagen in Allach nicht mehr ausreichten, wurde Ende des Jahres 1940 ein Teil der Produktion auf das Gelände des SS-Übungs- und Ausbildungslagers beim Konzentrationslager Dachau verlegt. Schließlich wurde dorthin die gesamte Porzellanherstellung verlagert. Die keramische Abteilung blieb in München-Allach. Franz Nagy arbeitete in der technologischen Entwicklungsabteilung, kaufmännischer Direktor war R. Dippe, technischer Direktor war Hechtfischer. Der künstlerische Leiter war Theodor Kärner. In den Kriegsjahren produzierten in Dachau etwa 25-30 Zivilpersonen und stets an die 50 Häftlinge des KZ Dachau sowohl Zierporzellan (Tierplastiken, den Führerkopf und andere Figuren) wie auch einfache Gebrauchsgegenstände, wie Salbengefäße und Kantinengeschirr. Der von Heinrich Himmler zum Julfest verschenkte "Julleuchter" wurde ebenfalls dort hergestellt.

Theodor Kärner, seit 1938 Professor an der Münchner Kunstakademie, entwarf 1942 in Anlehnung an den sog. Geburtsleuchter (Modellnummer "89") von Carl Diebitsch den großen Kinderfrieskerzenhalter mit umlaufendem Kinderfries, der von Heinrich Himmler als Geschenk zur Geburt des vierten Kindes in SS-Familien bestimmt war. Er trug auf dem Schaft umlaufend ein reliefiertes Fries über dem Schriftband "In der Sippe ew' ger Kette bin ich nur ein Glied".

Das allgemeine Vermarktungskonzept der Produkte sah keinen Verkauf im Fachhandel vor. Der wurde vielmehr durch Schauräume in wenigen Städten wie Berlin, Posen, Warschau und Lemberg organisiert. In München gab es merkwürdigerweise keine Verkaufsstelle. Die Erzeugnisse wurden sehr billig; zu reinen Dumping-Preisen abgegeben. Der "Hitlerjunge" von Richard Förster kostete in den Jahren 1938-39, weiß 15,90 RM und farbig 32,45 RM. und gehörte damit zu den teureren Figuren im Produktkatalog. Das System der Schauräume trug jedoch auch dazu bei, dass das Allacher Porzellan der breiten Bevölkerung trotz des niedrigen Preises weitestgehend unbekannt blieb.

Eine wichtige Aufgabe der Manufaktur bestand darin, „Stadt- und Staatspräsente“ herzustellen. Damals wie heute wurde - den internationalen Gepflogenheiten entsprechend - den in Deutschland weilenden politischen Gästen und dem sie begleitenden Diplomatischen Corps Kunstporzellan überreicht.

Die Allacher Porzellanmanufaktur besaß, wie bereits angemerkt, keinen direkten wirtschaftlichen Zweck; sie galt als das „Lieblingskind“ Himmlers. Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen wurde erstmals 1941 erwähnt. Tötungen sind nicht bekannt.

Literatur

  • Porzellan-Manufaktur Allach-München GmbH : Verzeichnis der Erzeugnisse ; Liste 1938/39. Verl. Porzellan-Manufaktur Allach-München, Allach-München 1939.
  • Gerhard P. Woeckel: Der bayrische Tierbildhauer Theodor Kärner. In: Renate Lotz; Wilhelm Siemen (Hrsg.): Theodor Kärner : 1884 - 1966 ; Gedächtnisausstellung zu seinem 100. Geburtstag. Museum der Dt. Porzellanindustrie, Hohenberg/Eger 1984, ISBN 3-927793-02-7, S. 11-38 (Schriften und Kataloge des Museums der Deutschen Porzellanindustrie ; 3).
  • Joachim Rechenberg: Der »Bauch der SS«. In: Berlinische Monatsschrift. Nr. 4, 1997, ISSN 0944-5560, S. 42-46 (http://www.luise-berlin.de/Bms/BMSTXT97/9704proh.htm#seite42).
  • Gabriele Huber: Die Porzellan-Manufaktur Allach-München GmbH : eine "Wirtschaftsunternehmung" der SS zum Schutz der "deutschen Seele". Jonas Verlag, Marburg 1992, ISBN 3-89445-132-7 (Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss.).
  • Rozalija Sokola (Hrsg.): 30. April 1945 - Ende und Anfang : Vom KZ-Aussenlager Allach zur Siedlung München-Ludwigsfeld. Geschichtswerkstatt Neuhausen, München 2005, ISBN 3-931231-15-1.

Einzelnachweise

  1. Benedikt Weyerer:München 1933 – 1945. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. Buchendorfer, München 1996, ISBN 3-927984-40-X, S. 221 f.
48.19055555555611.473888888889

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Aussenlager Allach — Das Außenlager Allach war von 19. März 1943 bis April 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im Münchner Stadtteil Allach. Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungshintergrund 2 Lager 3 Kriegsende 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Außenlager Allach — Das Außenlager Allach war von 19. März 1943 bis April 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im Münchner Stadtteil Allach. Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungshintergrund 2 Lager 3 Kriegsende 4 …   Deutsch Wikipedia

  • KZ-Außenlager Allach — Gedenktafel für die ehemaligen Häftlinge des Außenlagers Allach Das KZ Außenlager Allach, auch Lager Ludwigsfeld, Lager Allach Karlsfeld genannt, war vom 22. Februar 1943 bis April 1945 eines der Außenlager des Konzentrationslagers Dachau im… …   Deutsch Wikipedia

  • Theodor Kärner — (* 10. Januar 1884 in Hohenberg an der Eger; † 6. September 1966 in München) war ein deutscher Porzellanbildner und Tierbildhauer. 1898 1903 absolvierte Kärner eine Ausbildung zum Modelleur bei der Firma Hutschenreuther. Danach besuchte er die… …   Deutsch Wikipedia

  • Porzellanbildner in Deutschland — Die Liste der Porzellanbildner enthält Künstler, die Verdienste um die bildende Porzellankunst in Deutschland erworben haben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte helfen sie, diese Liste zu vervollständigen. Porzellanbildner… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Außenlager des KZ Dachau — Die Liste der Außenlager des Konzentrationslagers Dachau beinhaltet Außenlager, auch Außenkommandos genannt, des Konzentrationslager Dachau. Es war mit 197 Außenlagern das am weitesten verzweigte KZ. Von diesen 197 unterstanden 188 nur dem Lager… …   Deutsch Wikipedia

  • Dienststelle Heißmeyer — Die nationalsozialistische Parteiorganisation „SS“ entwickelte im Laufe der Diktatur einen aus verschiedenen „Hauptämtern“ und deren Unterabteilungen bestehenden Dachverband und bildete mit ihnen seit spätestens 1942 einen regelrechten Staat im… …   Deutsch Wikipedia

  • Führungshauptamt — Die nationalsozialistische Parteiorganisation „SS“ entwickelte im Laufe der Diktatur einen aus verschiedenen „Hauptämtern“ und deren Unterabteilungen bestehenden Dachverband und bildete mit ihnen seit spätestens 1942 einen regelrechten Staat im… …   Deutsch Wikipedia

  • Hauptamt Dienststelle Heißmeyer — Die nationalsozialistische Parteiorganisation „SS“ entwickelte im Laufe der Diktatur einen aus verschiedenen „Hauptämtern“ und deren Unterabteilungen bestehenden Dachverband und bildete mit ihnen seit spätestens 1942 einen regelrechten Staat im… …   Deutsch Wikipedia

  • Hauptamt SS-Gericht — Die nationalsozialistische Parteiorganisation „SS“ entwickelte im Laufe der Diktatur einen aus verschiedenen „Hauptämtern“ und deren Unterabteilungen bestehenden Dachverband und bildete mit ihnen seit spätestens 1942 einen regelrechten Staat im… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”