Produkterpressung

Produkterpressung

Eine Produkterpressung ist eine erpresserische Forderung, die in der Regel an ein Wirtschaftsunternehmen gestellt wird. Für den Fall der Nichtbefolgung gestellter, in der Regel geldwerter Forderungen werden Sabotagen an Produkten in Aussicht gestellt, welche von Dritten in eine sachlich nährere Verbindung zum Opferunternehmen gebracht werden.

Die Produkterpressung ist ein Unterfall der Erpressung, die nach § 253 Strafgesetzbuch neben einer Nötigung einen durch sie bewirkten Vermögensschaden des Genötigten oder eines Dritten voraussetzt. Deutsche Gerichte neigen dazu, die Qualifikation der räuberischen Erpressung gemäß § 255 StGB anzuwenden, womit ein größerer Spielraum hinsichtlich eines erhöhten Strafmaßes mit abschreckender Wirkung erzielt wird.

Produkterpressungen sorgen regelmäßig für erhebliches Medieninteresse und verursachen bei betroffenen Unternehmen oft hohe Umsatzeinbußen, da verunsicherte Verbraucher die betroffenen Markenartikel und Hersteller regelmäßig meiden.

Auch beispielsweise sogenannte Kaufhauserpressungen, in denen den betroffenen Unternehmen etwa mit Sprengstoffanschlägen gedroht wird, unterfallen in der wissenschaftlichen Darstellung aufgrund ihrer Wesensähnlichkeit dem Oberbegriff der Produkterpressung.

Zum Ende der 1990er Jahre sind in Deutschland verstärkt Fälle aufgetreten, in denen Täter angaben, dass sie Lebensmittel oder andere Produkte schädlich manipulierten, wenn ihren Forderungen nach Lösegeldern gegenüber Produzenten oder Distribuenten nicht nachgekommen würde. Die Fallzahlen sind nur schwer nachzuvollziehen, da derartige Fälle nicht einheitlich statistisch dokumentiert werden. Nach Schätzungen geschehen in Deutschland jährlich etwa 50 bis 400 Fälle. Kriminologische Unterschiede bestehen dabei zwischen Produkterpressungen und sonstigen kriminellen Produktsabotagen lediglich darin, welche Ziele (materieller oder sonstiger Art) der oder die Täter mit ihrem Tun erzielen wollen.

Produkterpressung gilt als Nachahmdelikt: Die meisten Täter werden durch Presseberichterstattungen über bereits erfolgte Produkterpressungen inspiriert. So war beispielsweise ein Anstieg der Fallzahlen in unmittelbarer zeitlicher Abfolge zu dem sehr medienwirksamen Fall des Erpressers Dagobert zu beobachten, der wiederholt das KaDeWe erpresste und durch seine spektakulären Geldübergabeideen berühmt wurde. Einige Täter sind auch durch Darstellungen in Büchern oder Fernsehkrimis wie etwa dem Tatort zu ihrer Tat inspiriert worden.

Im Endeffekt verläuft der Erpressungsvorgang nur in lediglich drei Prozent der Fälle erfolgreich für den Täter. Das liegt vor allem an einer enorm hohen Misserfolgsquote in der sogenannten Phase 3, der Phase der Geldübergabe. Während die Manipulation von Produkten und z. B. deren Auslegen in Supermärkten aus der Anonymität heraus geschehen kann, ist nämlich zu einer Geldübergabe ein räumlich und zeitlich enger Kontakt zu einem Geldboten notwendig, der im Regelfall polizeilich überwacht wird. In der Mehrzahl der Fälle wird hierbei kein echtes Geld verwendet. Auch die neueren Geldübergabevarianten mittels elektronischer Geldverschiebung über internationale Geldinstitute waren bisher aufgrund ihrer Rückverfolgbarkeit lediglich in Einzelfällen erfolgreich.

Ständig im Fluss ist die Frage, inwieweit die betroffenen Unternehmen zivilrechtlichen Haftungsrisiken unterliegen, die nach einigen Gerichtsurteilen erheblich sein können. In Frage kommen vor allem Ansprüche aus Produkthaftung und aus Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten mit der Folge zu leistenden Schadensersatzes. In der rechtlichen und wissenschaftlichen Diskussion umstritten ist darüber hinaus die Frage, in welchem Maße die verantwortlichen Personen in den betroffenen Unternehmen persönlich in strafrechtlicher Hinsicht verantwortlich zu machen sind. Die hier bestehenden Risiken sind den handelnden Personen oft nicht bewusst und für den Laien im Normalfall auch kaum überschaubar.

Literatur

  • Alexander Marcus Moseschus: Produkterpressung - Ein Kriminalphänomen unter kriminologischer, straf- und haftungsrechtlicher sowie taktischer Betrachtungsweise -, Göttingen 2004 ISBN 3-86537-186-8
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Produkterpressung — Pro|dụkt|er|pres|sung, die: durch Androhen der Vergiftung von Lebensmitteln durchgeführte Erpressung von Lebensmittelherstellern …   Universal-Lexikon

  • Fleischvergiftung — Lebensmittelvergiftungen sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die durch den Verzehr von Nahrungsmitteln mit giftigen (toxischen) Inhaltsstoffen ausgelöst werden. Davon abgegrenzt sind die nicht toxischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten… …   Deutsch Wikipedia

  • Lebensmittelintoxikation — Lebensmittelvergiftungen sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die durch den Verzehr von Nahrungsmitteln mit giftigen (toxischen) Inhaltsstoffen ausgelöst werden. Davon abgegrenzt sind die nicht toxischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten… …   Deutsch Wikipedia

  • Nahrungsmittelvergiftung — Lebensmittelvergiftungen sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die durch den Verzehr von Nahrungsmitteln mit giftigen (toxischen) Inhaltsstoffen ausgelöst werden. Davon abgegrenzt sind die nicht toxischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten… …   Deutsch Wikipedia

  • Paul Britton — (* Mai 1946 in Royal Leamington Spa, England) ist ein britischer Kriminalpsychologe und einer der Begründer der Operativen Fallanalyse der britischen Polizei. Er war an der Aufklärung einiger der spektakulärsten britischen Kriminalfälle beteiligt …   Deutsch Wikipedia

  • Krisenkommunikation (Öffentlichkeitsarbeit) — Krisenkommunikation oder Krisen PR (von engl. Public Relations) bezeichnet die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen in Krisen Situationen. Inhaltsverzeichnis 1 Krisenkommunikation von Unternehmen 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Lebensmittelvergiftung — Lebensmittelvergiftungen sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die durch den Verzehr von Nahrungsmitteln mit giftigen (toxischen) Inhaltsstoffen ausgelöst werden. Davon abgegrenzt sind die nicht toxischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten… …   Deutsch Wikipedia

  • Glückliche Tage — Dieser Artikel wurde wegen inhaltlicher Mängel auf der Qualitätssicherungsseite der Redaktion Film und Fernsehen unter Angabe von Verbesserungsvorschlägen eingetragen. Beteilige Dich an der Verbesserung dieses Artikels und entferne diesen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”