- Prypjat (Stadt)
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Prypjat (Прип'ять) Basisdaten Oblast: Oblast Kiew Rajon: Kreisfreie Stadt Höhe: 120 m Fläche: 6 km² Einwohner: 49.360 (April 1986 (heute: offiziell 0 aufgrund des Reaktorunfalls von Tschernobyl)) Bevölkerungsdichte: 8.227 Einwohner je km² Postleitzahlen: 01196 Vorwahl: +380 44 Geographische Lage: 51° 24′ N, 30° 3′ O51.40694444444430.05120Koordinaten: 51° 24′ 25″ N, 30° 3′ 0″ O KOATUU: 3211100000 Verwaltungsgliederung: 1 Stadt Bürgermeister: Wolodymyr Majboschenko Adresse: площа Лесі Українки 1
01196 м. КиївStatistische Informationen Prypjat (ukrainisch Прип'ять, russisch Припять/Pripjat) ist heute eine Geisterstadt in der Oblast Kiew (Rajon Tschornobyl) in der Ukraine, die 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kernkraftwerks Tschernobyl gegründet und infolge des Reaktorunglücks von 1986 geräumt wurde. Zum Zeitpunkt der Katastrophe am 26. April 1986 wohnten hier etwa 49.360[1] Menschen (darunter ca. 15.504 Kinder[2]), die meisten von ihnen Arbeiter im Kernkraftwerk und ihre Familien.
Als Ersatz für Prypjat wurde nach der Katastrophe die Stadt Slawutytsch neu errichtet.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Die Stadt liegt am Fluss Prypjat und ist mit einer Entfernung von etwa vier Kilometern die dem Reaktor nächstgelegene Siedlung. Damit liegt Prypjat inmitten der unbewohnbaren 30-Kilometer-Zone rund um das Kraftwerk.
Sehenswürdigkeiten
In Prypjat gibt es noch heute einen Rummelplatz mit Riesenrad und Autoscooter. Der Rummel sollte am 1. Mai 1986 eröffnet werden, wozu es aufgrund der Reaktorkatastrophe nicht mehr kam, da die Stadt am 27. April 1986 evakuiert wurde. Ein weiterer Ort ist die Schwimmhalle in Prypjat, die mit etwa einem Kilometer Luftlinie Entfernung unweit des Volksfestplatzes liegt.
In der Nähe des Reaktors existierte lange Zeit ein riesiger Schrottplatz, da nach den Aufräumarbeiten und dem Bau des Sarkophags hunderte Fahrzeuge (LKW, Feuerwehrautos, Hubschrauber, Geländewagen) so stark kontaminiert waren, dass eine Weiterverwendung unmöglich war. Heute ist dieser Schrottplatz im Rahmen der Dekontamination aufgelöst, aber die Fahrzeuge wurden aufgrund ihrer hohen Radioaktivität bis heute nicht entsorgt. Viele der Fahrzeuge sind jedoch im Laufe der Zeit von Plünderern ausgeschlachtet, einige sogar komplett weggeschafft worden (siehe auch: Situation heute).[3]
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Blick von einem Hausdach auf das Kernkraftwerk
Geschichte der Stadt
1970 bis 26. April 1986
Prypjat wurde am 4. Februar 1970 gegründet.[4] Die Stadt wurde als Wohnort für die Arbeiter des ersten Atomkraftwerks der Ukraine geplant[5] – dem Atomreaktor Tschernobyl, benannt nach der nahegelegenen Kleinstadt. Der Großteil der Bevölkerung waren Arbeiter und deren Familien. Dadurch konnte die Stadt ein schnelleres Wachstum erlangen. Zum Zeitpunkt der Katastrophe war Prypjat eine relativ reiche und insbesondere junge Stadt – das Durchschnittsalter lag zum Zeitpunkt der Katastrophe bei ca. 26 Jahren.[4]
Die Stadt besteht aus fünf Mikrodistrikten[1], die sich kreisförmig um das Stadtzentrum gruppieren.[4] Die Fläche beträgt schätzungsweise 600 ha, auf denen sich 149 mehrgeschossige Gebäude befinden.[1] Die ca. 13.500 Wohnungen umfassen eine Fläche von ungefähr 520.000 m².[1] Ursprünglich sollte Prypjat parallel zum Ausbau des Atomkraftwerks – Block 5 und 6 waren bereits im Bau – auf bis zu 80.000 Einwohner anwachsen.[4] Die Erweiterungsfläche nordöstlich der Stadt ist noch heute als unbewachsenes Feld sichtbar, auf dem nach dem Unfall Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, um Winderosion des kontaminierten Bodens weitestgehend zu verhindern.
Prypjat unmittelbar nach dem Unfall
Aufgrund des schleppenden Informations- und Notfallmanagements wurde Prypjat erst 36 Stunden nach dem Reaktorunfall evakuiert. Dadurch wurden viele Anwohner einer hohen Strahlung ausgesetzt und litten oft an Spätfolgen. So wurde gegen Mittag des 27. April eine kurze Radionachricht gesendet, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, sich auf eine dreitägige Abwesenheit einzurichten. Die Evakuierung erfolgte ab 14:00 Uhr und wurde mit ca. 1.200 Bussen innerhalb von zweieinhalb Stunden durchgeführt.[6]
Durch den Unfall wurde Prypjat mehrere Male und durch verschiedene radioaktive Stoffe kontaminiert.[7] Aufgrund günstiger Winde fand die stärkste Kontaminierung der Stadt durch radioaktive Niederschläge jedoch erst nach der Evakuierung – zwischen dem 27. und 29. April – statt.[7]
Dekontaminierungsaktivitäten wurden überall in der Stadt durchgeführt, wobei die ausführlichsten Arbeiten in Mikrodistrikt 4 stattfanden.[8] Die Arbeiten wurden in verschiedenen Phasen unternommen und reduzierten die durchschnittliche radioaktive Belastung in der Stadt von schätzungsweise 20-40 mR/h auf 2,8 mR/h im Dezember 1986.[9]
Situation heute
Da die 49.360 Bewohner in dem Glauben gelassen wurden, bald wieder nach Hause zu können, stehen viele Gebäude noch im Originalzustand. Allerdings kam es im Laufe der Zeit zu Vandalismus und Plünderungen. So wurden fast alle Wohnungen nach der Evakuierung ausgeraubt und beschädigt. Daneben besteht zunehmend die Gefahr, dass, abgesehen von den allgemeinen Verfallserscheinungen, vor allem der wachsende Tourismus seine Spuren hinterlassen wird – im Jahr 2009 waren laut offiziellen Angaben bereits 7.500 Menschen als Touristen vor Ort.[10] Das US-amerikanische Forbes Magazine bezeichnete Prypjat/Tschernobyl bereits als Destination der Kategorie „world's unique places to visit“ (weltweit einzigartige Orte für einen Besuch).[10]
Die kontaminierte Zone wird bis heute von der Miliz bewacht, nur wenige Menschen wohnen noch im Gebiet rund um den Reaktor. Die meisten von ihnen sind Armeeangehörige, Wissenschaftler oder Illegale, die jedoch zumeist geduldet werden. Im Rahmen geführter Touren durch das Kernkraftwerk kann heute auch Prypjat besichtigt werden, da die Hauptstraßen dekontaminiert wurden. Die übrigen Gebiete der Stadt sollten jedoch nicht betreten werden.
Noch heute wird die Infrastruktur Prypjats durch ständige Bauarbeiten erhalten, um Verkehrswege und Strom im Falle eines weiteren Unfalls in Reaktor 4 (z.B. das Einstürzen des Sarkophags) bereitstellen zu können. Dadurch werden rund 4000 Arbeiter beschäftigt, welche zumeist in Zwei-Wochen-Schichten arbeiten, um der gefährlichen Strahlung vorzubeugen.
Ende Juli 2011 wurde das Gebiet um das Kernkraftwerk Tschernobyl endgültig für den Tourismus geöffnet.[11] Nach Angaben von Spiegel Online gehen Tourismusexperten von bis zu einer Million Besuchern pro Jahr aus, die dieser Art von „Extremtourismus“ nachgehen wollen. Vertreter des UN-Entwicklungsprogramms, welches bereits seit 2004 koordinierend vor Ort ist, begrüßten diese Entscheidung, da so dringend benötigte Investitionen in die Region gelangen könnten.
Vor dem Hintergrund des sich verstärkenden Interesses stellt sich die Frage, wie weiter mit der Stadt umgegangen werden soll. Denn zum einen wird die Region wohl aufgrund der Kontaminierung mit radioaktivem Material mindestens für die nächsten 300 Jahre unbewohnbar bleiben. Andererseits ist der Ort zum Sinnbild der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden und stellt damit ein Mahnmal dar, das vor allem die Denkmalpflege vor interessante Diskussionen stellen wird. Bereits heute gibt es Stimmen, welche die Stadt in die Welterbeliste der UNESCO aufnehmen lassen wollen.
Graffiti-Projekt „Strahlende ORTE“
Im Jahr 2005 wurde auf Initiative von Sergey Abramchuk und Vitali Shkliarou, welche die Katastrophe als Kinder miterlebt haben, ein Projekt initiiert, das sich als „Ein Requiem der besonderen Art“ versteht. Sieben Künstler aus Moskau, Minsk und Berlin fuhren nach Prypjat, um mit ihrer Graffiti-Kunst an die Katastrophe zu erinnern.
„Das Projekt trägt sich in der Hoffnung, neue Aufmerksamkeit auf den Ort des Geschehens zu lenken. Mit den Bildern aus dem Zentrum der Katastrophe will sie das Denken an das Leid der Menschen aufrechterhalten. Das Vergessen aufhalten, innehalten – und verstehen, welche Verantwortung für die Zukunft allein in unseren Händen liegt.“[12]
Prypjat als Gegenstand in der Popkultur
- Tschernobyl – Die Schwelle – sowjetischer Dokumentarfilm 1989
- Chernobyl Heart – Dokumentarfilm 2003 – gewann den Oscar als bester Dokumentarfilm
- The Door – Kurzfilm 2008
- V Subbotu – An einem Samstag – Spielfilm 2011 (Teilnahme im Wettbewerb der Berlinale 2011)
- Call of Duty 4: Modern Warfare (Ausgeprägte Singleplayer-Mission in Prypjat), Call of Duty: Modern Warfare 2 und Call of Duty: Black Ops (beide enthalten Multiplayer-Karten im Gebiet um Prypjat) – Videospiele
- Stalker: Shadow of Chernobyl, Stalker: Clear Sky und Stalker: Call of Pripyat – Videospiele
- This Momentary – Musikvideo (2009) der britischen Musikgruppe Delphic[13]
- pripyat - home of lilith - Album der deutschen SynthiePop-Band Nova-Spes (erschienen 2011 bei Danse Macabre)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d EMRAS Urban Remediation Working Group: Scenario for modeling changes in radiological conditions in contaminated urban environments. 2006, S. 5.
- ↑ Yevgeny Leontyev, Pripyat in Numbers. Pripyat.com. Abgerufen am 8. März 2011.
- ↑ http://www.urbanghostsmedia.com/2009/10/chernobyl-rescue-operation-the-vehicle-graveyard/
- ↑ a b c d The Pripyat city history. Abgerufen am 8. März 2011.
- ↑ Near the cradles of Pripyat history. Pripyat.com. Abgerufen am 8. März 2011.
- ↑ Evacuation of Pripyat population. Abgerufen am 8. März 2011.
- ↑ a b EMRAS Urban Remediation Working Group: Scenario for modeling changes in radiological conditions in contaminated urban environments. 2006, S. 8.
- ↑ EMRAS Urban Remediation Working Group: Scenario for modeling changes in radiological conditions in contaminated urban environments. 2006, S. 9.
- ↑ EMRAS Urban Remediation Working Group: Scenario for modeling changes in radiological conditions in contaminated urban environments. 2006, S. 9/10.
- ↑ a b Tourists flock to Chernobyl radiation zone. Abgerufen am 8. März 2011.
- ↑ Gruppenreisen nach Tschernobyl. Von n-tv.de. Abgerufen am 31. Juli 2011.
- ↑ 1986-2006 - Strahlende ORTE - Pressekit. Abgerufen am 16. März 2011.
- ↑ Delphic: Delphic - This Momentary. Vimeo, abgerufen am 3. Mai 2011 (Video, englisch).
Weblinks
Commons: Prypjat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Die Geschichte der Atom-Stadt Prypjat 1986-2008. (englisch)
- Website über die Stadt
- Reportagen aus Stadt Prypjat
- Die Zone der Entfremdung - virtueller Spaziergang - Fotos: Natalja Monastyrnaja (russisch)
- Tschernobyl und seine Folgen 20 Jahre danach - Reise eines Teams aus Mitarbeitern des WDR und des Forschungszentrums Jülich zum Unglücksreaktor und nach Prypjat
- Karte zur regionalen Verteilung der Strahlenbelastung nach dem Tschernobyl-Unfall (Quelle: CIA, 1996)
- Scenario for modeling changes in radiological conditions in contaminated urban environments - Pripyat, Districts 1 and 4 (englisch)
- Katastrophentourismus - Ukraine will Tschernobyl für Besucher öffnen
- 1986-2006 - Strahlende ORTE
- Pripjat fotografiert im Jahre 2011
- www.pripyat.de - Fotos und Geschichten aus Pripjat (Deutsch)
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