Pyramidenspiel

Pyramidenspiel

Als Schneeballsystem oder Pyramidensystem werden Geschäftsmodelle bezeichnet, die zum Funktionieren eine ständig wachsende Zahl Teilnehmer benötigen. Gewinne für Teilnehmer entstehen beinahe ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer in den Systemen mitwirken und Geld investieren. In den meisten Ländern sind diese Systeme mittlerweile verboten.

Inhaltsverzeichnis

Formen

Herz- und Schenkkreise

In Modellen wie Herz- oder Schenkkreisen, auch in Abgrenzung zu Pyramidensystemen als Schneeballsysteme bezeichnet, ist die fehlende Nachhaltigkeit des Modells sehr offen. Es werden keine tatsächlich werthaltigen Produkte oder Dienstleistungen angeboten. Neue Teilnehmer müssen eine Beitrittsgebühr an denjenigen zahlen, der sie für den Herzkreis geworben hat. Diesen Betrag behält der Werber zu einem je nach Modell unterschiedlichen Anteil. Die neuen Teilnehmer beginnen jetzt ihrerseits neue Mitglieder zu werben. Wenn sie eine ausreichende Zahl neuer Teilnehmer geworben haben, amortisiert sich ihr eigener Mitgliedschaftsbeitrag, und sie machen Gewinn. Ein frühes Beispiel in Deutschland war die 1746 gegründete Dukatensozietät.

Gut durchdachte Schneeballsysteme wachsen eher langsam und kollabieren entweder durch staatlichen Eingriff oder an verbreitetem Erkenntnisgewinn bei den potenziellen Neukunden. Schneeballsysteme sind in der Regel leicht zu erkennen, so dass Neukunden gewarnt werden können. Es wird im Laufe der Zeit immer schwieriger, neue Mitglieder anzuwerben, die auf das System hereinfallen. Allmählich steigt der Anteil der Mitglieder, die ihre Investition nicht mehr amortisieren können. Das System kollabiert, wenn auch die zuvor erfolgreichen Mitglieder aufgeben und das System wechseln.

Pyramidensysteme

Im Gegensatz dazu werden in Pyramidensystemen Produkte von oben nach unten weitergereicht, dabei kommt es zu einer Preissteigerung. A wirbt B, B muss bei A ein Produkt kaufen (dieses kostet B z. B. 50 Cent mehr als A), B kann dieses Produkt nun weiter verkaufen, oder wirbt C, der das Produkt ab sofort von B bezieht (50 Cent teurer) usw... Dies funktioniert nur bis zu einem bestimmten Preis, danach bricht das System für die untersten zusammen. Das Gefährliche daran ist der Produktfluss von oben nach unten in die Breite, die Weitergabe der Produkte von A nach B zu C und die Veränderung der Preise.

Multi-Level-Marketing

Schwierigkeiten bereitet oft die Abgrenzung von illegalen Schneeballsystemen zu legalem Strukturvertrieb oder Multi-Level-Marketing. Der Übergang ist fließend und teilweise nicht alleine von der Ausgestaltung der Regeln, sondern auch dessen faktischer Umsetzung abhängig. Grundfrage für die Abgrenzung ist: Würde der Kunde das angebotene Produkt erwerben, selbst wenn er keine Provision für die Vermittlung von Neukunden erhielte?

Bei einem Schneeballsystem steht regelmäßig die Verdienstmöglichkeit für die Anwerbung von Neukunden im Vordergrund. Dies zeigt sich bereits bei der Ansprache: Bei Schneeballsystemen wird mit Verdienstmöglichkeiten statt mit Konsumprodukten geworben. Bei zulässigem Multi-Level-Marketing wird das Produkt hauptsächlich an Verbraucher vertrieben, die nicht gleichzeitig Teil des Vertriebssystems werden.

Indizien für ein illegales Schneeballsystem sind:

  • Verdienstmöglichkeiten bestehen überwiegend aus den Vorteilen, die für die Anwerbung neuer Mitglieder gewährt werden, dabei wird oft von sog. „passivem Einkommen“ (oder „selbständigem Einkommen“) gesprochen.
  • Das vertriebene Produkt ist oft überteuert.
  • Die Handelsmarge oder Vertriebsprovision ist für Produkt und Branche ungewöhnlich hoch.
  • Es gibt kaum Kunden, die das Produkt zum angebotenen Preis ohne Provisionsaussichten erwerben würden.

In der Schweiz wird in erster Linie auf das Kriterium der Ausschließlichkeit abgestellt (entsprechend dem ersten Kriterium): Wenn eine Amortisation der Eintrittssumme ausschließlich über die Anwerbung neuer Mitglieder möglich ist, handelt es sich um ein Schneeballsystem. Diesfalls hängt die Möglichkeit zu einer Amortisation von der bestehenden Marktsättigung ab, d. h. das Neumitglied riskiert, bei gesättigtem Markt an der Amortisation zu scheitern, weil nicht mehr ausreichend viele neue Mitglieder gefunden werden können. Darin, dass ein Neumitglied den Sättigungsgrad des Marktes nicht beurteilen kann und damit letztlich bei der Bezahlung seiner Eintrittssumme mit dem Zufall spielt, liegt das „lotterieähnliche Element“, das dem Verbot von Schneeballsystemen zugrunde liegt.

Anlagesysteme mit Schneeballcharakter

Im erheblichen Maße schädigend sind Systeme, über deren Charakter sich die Anleger nicht bewusst sind. Hierzu zählen Investitionsschemata, bei denen Geld angelegt wird und häufig sehr hohe Renditen geboten werden, die aber nicht erwirtschaftet werden, sondern ausschließlich auf dem Papier existieren. Wenn Anleger Geld zurückfordern, werden sie über einige Zeit ausbezahlt. Die Gewinne können aber nur ausgezahlt werden, indem die Investitionen anderer Anleger angegriffen werden. Das System bricht zusammen, wenn sich eine größere Zahl der Anleger der Natur des Systems bewusst wird und versucht, ihr Geld zurück zu erhalten.

1997 wurden durch solche Anlagesysteme in Albanien schwere Unruhen ausgelöst. Anlegern wurden sehr hohe Renditen auf ihre Investitionen geboten. Viele Familien investierten ihr gesamtes Vermögen, häufig wurden auch Häuser beliehen. Insgesamt wurden 1,2 Mrd. US-$ investiert. Charles Ponzi gelang es in den USA 1920, innerhalb von etwa sechs Monaten nach heutigem Wert ungefähr 150 Mio. US-$ einzusammeln. Bei beiden Beispielen wurde den Anlegern suggeriert, dass die Renditen tatsächlich erwirtschaftet wurden. Die Firmen in Albanien führten vereinzelte Scheininvestitionen mit diesem Ziel durch. Charles Ponzi behauptete, ein besonderes Geschäftsmodell entwickelt zu haben, das die Renditen ermögliche.

Die türkische Firma Yimpaş warb mit dem Glauben als Gütesiegel unter Auslandstürken in Europa. Über 50 türkische Holdings akquirierten vorzugsweise in Moscheevereinen im Zeitraum von 1997–2002 zwischen 5 und 50 Mrd. Euro mit dem sogenannten „Konya-Modell“. Den Anlegern wurde suggeriert, dass sie ihr Geld nach den Geboten des Islam anlegen würden, außerdem würden sie mit ihren Anlagen Arbeitsplätze in der Türkei schaffen und hohe Renditen erzielen.

Das bislang größte derartiges Anlagesystem wurde im Dezember 2008 durch den Madoff-Skandal (Bernard L. Madoff) bekannt und schädigte mit Hilfe eines vermeintlichen Hedgefonds seine Anleger um insgesamt ca. 50 Mrd. Dollar.

Geschichtliche und rechtliche Aspekte

Der Vertrieb von Waren im Schneeballsystem ist keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts. Schon in der Monarchie wurden aus gewerblichen Kreisen immer wieder Klagen gegen sogenannte „Schneeballensammlungen“ laut. Das System funktionierte so, dass dem Kunden beim Kauf der Ware in Aussicht gestellt wurde, einen Teil des geleisteten Kaufpreises wieder hereinzubringen, wenn er Anweisungen auf eine bestimmte Zahl weiterer Kaufgeschäfte, die er miterwerben musste, um einen bestimmten Betrag an potentielle Neukunden weiterveräußerte. Solche Anweisungen wurden Coupons genannt. Immer wieder wurde die Bevölkerung in den Medien vor diesen Praktiken gewarnt:

Der Uhren-Coupon-Schwindel von welchem in diesem Blatte schon die Rede war, scheint sich auch auf andere Handelszweige auszudehnen. Vorige Woche erhielten in F. mehrere Personen Circulare der Fahrradfirmen „Multiplex“ und „Elliot“ in Berlin. Beide Firmen offerieren Fahrräder für 9 respektive 10 Kronen, der Käufer muss jedoch 50 Kronen einsenden, worauf er vier Gutscheine erhält, die er an andere á 10 Kronen verkaufen kann. Sobald nun jeder der vier anderen 40 Kronen eingesendet hat, erhält unser Käufer das Rad, sodass die Firma tatsächlich 50 Kronen und 4 × 40 Kronen = 210 Kronen eincassiert hat, bevor sie ein Rad liefert. Für jedes weitere Fahrrad scheint sie nur 4 × 40 Kronen einzunehmen, jedoch ist zu bedenken, dass viele, ja vielleicht die Mehrzahl, 40 bzw. 50 Kronen einsenden, ohne ein Fahrrad zu erhalten. Unser Käufer hat also ein Bicycle für 10 K, welches aber diejenigen bezahlen, denen es nicht gelingt, vier weitere Narren zu finden. [1]

In Deutschland werden derartige Systeme von § 16 Abs. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) erfasst. Das Delikt ist als sogenanntes Unternehmensdelikt und als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Das heißt, es muss nicht einmal ein Schaden entstehen. Schon der „Versuch“, ein Schneeballsystem ins Leben zu rufen, ist strafbar. Juristisch betrachtet gibt es also gar keinen Versuch im Sinne des § 22 StGB, da Versuch und Vollendung zusammenfallen. Strafdrohung sind Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Eine Strafbarkeit wegen § 263 Strafgesetzbuch (Betrug) scheitert dagegen in der Regel daran, dass die Betroffenen nicht über den Inhalt des Spiels getäuscht wurden.

Steuerrechtlich sind die dem Teilnehmer gutgeschriebenen (Schein)gewinne aus dem Schneeballsystem aber gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Einkommenssteuergesetz steuerpflichtig[2].

Pyramidenspiele sind in Österreich nach § 168a StGB seit 1. März 1997 verboten: Der Strafrahmen beträgt dabei bis zu 6 Monate; gibt es viele Geschädigte, drohen bis zu 3 Jahre Haft.

In der Schweiz sind nach dem Schneeballsystem funktionierende Veranstaltungen durch Art. 43 Abs. 1 der Lotterieverordnung verboten. Der Strafrahmen umfasst Haft bis drei Monate und Buße bis 10'000 Franken (Art. 38 Lotteriegesetz). Je nach Aufbau und Funktionsweise liegt bei Schneeballsystemen auch ein Verstoß gegen das Bankengesetz, gegen das Börsengesetz, gegen das Kollektivanlagengesetz oder gegen das Geldwäschereigesetz vor. So ist auch die Ausübung einer bewilligungspflichtigen Bank-, Effektenhändler- oder Finanzintermediär-Tätigkeit, ohne entsprechende Bewilligung der Eidgenössischen Bankenkommission verboten.

Siehe auch

Webseiten

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Einzelnachweise

  1. Innsbrucker Nachrichten, 30. Mai 1900, Nr. 123, S. 3 und 31. Juli 1900, Nr. 173, S. 3
  2. Urteil des Bundesfinanzhofes vom 28. Oktober 2008, AZ. VIII R 36/04

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