- Raubgrabung
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Raubgrabung sind Grabungen nach Bodendenkmälern entgegen den Rechtsnormen, die das Graben nach Bodendenkmälern regeln. In der Regel werden sie unter Missachtung wissenschaftlicher Standards durchgeführt und zerstören den Quellenwert von Funden und Befunden. Häufigstes Motiv ist das der Bereicherung.
Inhaltsverzeichnis
Grabungen
Tatobjekte sind Bodendenkmäler, also archäologische oder – soweit denkmalrechtlich vorgesehen – paläontologische Kulturdenkmäler.
Rechtliche Lage
Deutschland
Denkmalrecht
Verschiedene gesellschaftliche Kräfte haben ein Interesse daran, Bodendenkmäler auszugraben – und sie damit zu zerstören – (archäologische Forschung, „Schatzsucher“), andere, sie unversehrt zu erhalten (Denkmalpflege). Die sich daraus ergebenden Konflikte sind in Deutschland öffentlich-rechtlich, überwiegend in Denkmalschutzgesetzen geregelt, indem vor der Untersuchung einer archäologischen Fundstelle eine "Grabungs- oder Nachforschungsgenehmigung" erteilt werden muss. Die Genehmigung kann mit Bedingungen oder Auflagen versehen werden, beispielsweise auf bestimmte Gebiete beschränkt sein oder festlegen, dass Funde und Befunde in einem vorgeschriebenen Standard zu dokumentieren sind.
Die Zuständigkeit, eine solche Genehmigung zu erteilen, ist – je nach Bundesland – unterschiedlichen Behörden zugewiesen. Bei Zufallsfunden besteht eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Behörde, in der Regel der Denkmalfachbehörde, dem Landesamt für Denkmalpflege.
Eigentum am Grundstück
Weiter ist zu beachten, dass neben dieser denkmalrechtlichen Genehmigung auch eine Genehmigung des Grundstückseigentümers zum Betreten und Graben auf seinem Grundstück vorliegen muss. Andernfalls kommen Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung in Betracht.
Eigentum am Fund
Rechtlicher Regelungsbedarf besteht außerdem hinsichtlich der Frage, wem Fundstücke gehören, wer deren Eigentümer wird. Dies ist in Deutschland teils zivilrechtlich über § 984 BGB geregelt (in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen), teils öffentlich-rechtlich über die Denkmalschutzgesetze (übrige Bundesländer). Raubgrabungen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass der Fund – und damit das Eigentum – unterschlagen werden. Wer solche Funde kauft, tauscht oder verkauft, kann eine Hehlerei begehen.
Sanktionen
Folgen eines Verstoßes gegen die genannten Vorschriften können sein:
- bei Verstoß gegen die Denkmalschutzgesetze Geldbußen nach dem Denkmalschutzgesetz;
- strafrechtliche Verfolgung;
- Einzug benutzter Geräte (Metalldetektoren, Grabungswerkzeuge usw.);
- Beschlagnahme der Funde;
- möglicher Regress bei verursachten Schäden;
- zivilrechtliche Ansprüche des Eigentümers, sei es des Eigentümers, auf dessen Grundstück der Fund entnommen wurde, sei es der Staat, dessen Schatzregal verletzt wurde.
Österreich
In Österreich gilt für alle Bundesländer ein einheitliches Denkmalschutzgesetz. Eine Bewilligung zur Nachforschung bzw. Grabung nach Bodendenkmälern kann nur vom Bundesdenkmalamt an Personen erteilt werden die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben.
Bei zufällig entdeckten Bodendenkmalen gelten ähnliche Bestimmungen wie in Deutschland. Die Meldung muss spätestens am Tag der Auffindung folgenden Werktag erfolgen. Die Fundstelle muss bis zur Begutachtung durch das Denkmalamt unverändert belassen werden.
Die Eigentumsverhältnisse bei Bodenfunden sind durch den § 399 Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt welcher eine Teilung zu gleichen Teilen zwischen Finder und Grundstückseigentümer vorsieht. Ein Schatzregal, wie in den meisten deutschen Bundesländern, gibt es in Österreich nicht.
Raubgrabungen
Verstößt eine Grabung gegen eine der genannten Vorschriften, wird sie als Raubgrabung bezeichnet.
Darüber hinaus wird der Begriff außerhalb dieser rechtlichen Kategorien noch verwendet, wenn eine Ausgrabung zwar mit den rechtlich erforderlichen Genehmigungen geschieht, aber ohne die erforderliche Sorgfalt einer archäologisch-wissenschaftlichen Dokumentation hinsichtlich der Befunde und Funde, so dass das Bodendenkmal, in seiner Originalsubstanz beschädigt oder zerstört wird, ohne dass dieser Verlust durch eine Dokumentation (Pläne, Fotografien, Zeichnungen, Grabungstagebuch) substituiert wird. Diese Konstellation ist aber eher theoretisch, da die Grabungs- oder Nachforschungsgenehmigung in der Praxis nur denjenigen Antragstellern gegeben wird, die auch dafür garantieren, dass sie die erforderlichen Dokumentationen leisten.
Geschichte
Raubgrabungen im modernen Sinn gibt es deshalb erst, seit die kulturelle Kategorie Bodendenkmal kreiert wurde und damit auch Objekt von Forschung oder Denkmalschutz werden konnte. Raubgrabungen sind also ein relativ neues Phänomen.
Die Raubgrabung ist allerdings in der Form des Grabraubes, also der „Schatzsucherei“, ein altes Phänomen. Diese gibt es seit der Vorgeschichte, seit wertvolle Beigaben in Gräber gelegt wurden. Damals wie heute setzten sich solche Täter aus finanziellem Interesse – und heute auch häufig wegen des „Spaßes“ einer spannenden Suche – über bestehende Schutzvorschriften hinweg.
Bis heute werden Raubgrabungen häufig als Schatzsuche bagatellisiert und als Kavaliersdelikt wahrgenommen [1].
Raubgräber
Raubgräber sind inzwischen mit technischem Gerät zugange, mit dem sie gezielt nach Funden suchen. Dies begann mit Metalldetektoren. Viele deutsche Bodendenkmäler sind oberflächlich mittlerweile nahezu metallfrei. Inzwischen werden auch weitere Techniken eingesetzt, etwa Bodenradar.
Schäden durch Raubgräberei
Raubgrabungen schaden mehrfach:
- Das undokumentierte und unfachliche Graben nach historischen Gegenständen zerstört in ganz erheblichem Umfang materiell vielleicht wertlose, aber archäologisch-kulturhistorisch bedeutende Artefakte und die Befunde. Der genaue Kontext von Funden ist für deren wissenschaftlichen Wert entscheidend. So kann die Kombination mit anderen Funden, aber auch die exakte Lage Informationen über die Menschen der Vergangenheit geben oder zumindest quellenkritisch bedeutende Beobachtungen liefern.
- Dem Grundstückseigentümer oder – bei Schatzregal – dem Staat wird Eigentum entzogen.
- Funde gehen der Allgemeinheit verloren.
- Bei Gräbern gefallener Soldaten kann durch das Entwenden von Erkennungsmarken die Möglichkeit unwiderruflich zerstört werden, den Toten zu identifizieren.
Beispiele
- Besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregte der durch eine Raubgrabung zu Tage gebrachte Fund der Himmelsscheibe von Nebra.
- Der Berliner Goldhut, der als Raubgrabungsgut auf dem Markt kam und von dem keine gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich der Fundumstände vorliegen. Deshalb ist bis heute nicht klar, was dessen Funktion eigentlich war.
- Aktuell sind Raubgräber besonders aktiv im Irak, wo archäologische Fundplätze in großem Umfang zerstört werden.
- Schon seit Jahrzehnten finden in allen Staaten mit antiken Hochkulturen zum Teil organisierte Raubgrabungen statt, so dass z.B. ganze Nekropolen in Trichterfelder verwandelt wurden und werden.
- Im Herbst 2010 gab Helmut Thoma zu, ein Grab in der antiken Stadt Palmyra geplündert zu haben. Der historische Zusammenhang der von ihm entwendeten und illegal nach Deutschland verbrachten und heute in seinem privaten Wohnzimmer zur Schau gestellten Plastiken ist für immer verloren - eine wichtige Quelle für die Sozialgeschichte der Wüstenstadt wurde mutwillig zerstört. [2]
Literatur
- Ralf Fischer zu Cramburg: Das Schatzregal. Der obrigkeitliche Anspruch auf das Eigentum an Schatzfunden in den deutschen Rechten. Numismatischer Verl. Forneck, Höhr-Grenzhausen 2001, ISBN 3-923708-11-4 (Dissertation).
- Reinhard Dietrich: Antiken, Markt und Recht. In: Kunstrechtsspiegel 04/2008, ZDB-ID 2316066-4, S. 174–181.
- Reinhard Dietrich: Münzen, Markt und Mythen. In: Kunstrechtsspiegel 01/2010, ZDB-ID 2316066-4, S. 26-39.
- Peter Fasold, Dagmar Stutzinger: Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe. Begleitheft zur Ausstellung Fundort: Unbekannt - Raubgrabungen in Hessen. Landesamt für Denkmalpflege Hessen u. a., Wiesbaden 1995, (Archäologische Denkmäler in Hessen 127, ISSN 0936-1693).
- Daniel Graepler: Fundort unbekannt. Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe. Eine Dokumentation. D. Graepler c/o Archäologisches Institut, Heidelberg 1993.
- Heinz Günter Horn (Hrsg.): Archäologie und Recht - Was ist ein Bodendenkmal?. Heinz Günter Horn, Hiltrud Kier, Jürgen Kunow, Bendix Trier im Auftrag des Ministeriums für Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen. von Zabern, Mainz 1993, ISBN 3-8053-1319-5.
- Arnd Koch: Antiken, Recht und (kein) Markt? In: Kultur und Recht 2/2008, ZDB-ID 2124402-90, S. 49–54.
- Ulrike Löw: Raubgrabungen im Irak. In: Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft 137, 2003, S. 57–80.
- Hans Georg Niemeyer (Hrsg.): Archäologie, Raubgrabungen und Kunsthandel. Podiumsdiskussionen auf der 23. Mitgliederversammlung des Deutschen Archäologen-Verbandes in Münster, 26. Juni 1993. Deutscher Archäologen-Verband, Hannover 1995 (Schriften des Deutschen Archäologen-Verbandes 13, ZDB-ID 518788-6).
- Peter Watson, Cecilia Todeschini: Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Seith und Jana Plewa. Parthas Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86601-905-X.
Webpublikationen:
- Jörg Häntzschel: Archäologie des Bulldozers. Sammler und Museen im Westen finanzieren die Zerstörung der antiken Welt. In: Süddeutsche Zeitung 202/59/2003, Mittwoch, 3. September 2003, S. 13
- Stefan Koldehoff: „Museen vernichten die Geschichte unserer Erde“. In: Welt am Sonntag, Sonntag, 29. Januar 2006, Interview mit Met-Kurator Oscar W. Muscarella
- Günther Stockinger: Plünderung vor der Haustür. In: Der Spiegel. Nr. 28, 2006, S. 108-110 (online). Fotostrecke
Filmographie
- „Archäologen, Plünderer und die Königin von Saba.“ Dokumentation, 60 Min., Produktion: arte, Regie: Karel Prokop, Sendung: 17. Februar 2007, Inhaltsangabe von arte, Videos: 1., 2. und 3. Teil
- Abenteuer Wissen: Tatort Fürstengrab. Dokumentation, 30 Min., Produktion: ZDF, Sendung: 24. Januar 2007, Inhaltsangabe des ZDF
- Goldgrube Bulgarien: Dorado für Archäologen- und Kunsträuber. Dokumentation, 7 Min., Autor: Tom Fugmann, Produktion: WDR, Sendung: 21. Januar 2007, Inhaltsangabe des WDR
- „Griechenlands Schatzinsel. Antikenschmuggel im großen Stil.“ Dokumentation, 6 Min., Autor: Christoph Spielberger, Produktion: ZDF-aspekte, Sendung: 2. Februar 2006, Inhaltsangabe von aspekte
- Eine Kultur wird geplündert - Das Geschäft der Grabräuber in Peru. 2000, Regie: Hans Gifforn, Produktion: arte, Erstsendung: 9. September 2000, Inhaltsangabe von arte
Weblinks
- Allgemein
- Illicit Antiquities Research Centre „against the theft & traffic of archaeology“ - McDonald-Institut der Universität Cambridge
- Unesco: „Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property“ (Konvention zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut)
- EU-Projekt: „Witness the Past“, entwickelt museumspädagogische Angebote, die auf die Gefährdung von archäologischem Kulturgut durch Raubgrabungen und Plünderungen hinweisen.
- Deutschland
- „Tor auf für Raubgrabungsgüter oder Schutz des Kulturerbes?“, Telepolis, 26. Juli 2006, „Das neue Gesetz zum Schutz von Kulturgütern.“
- „Archäologe würdigt Susanne Osthoff. "Man kann ihre Arbeit nicht hoch genug einschätzen"“ (nicht mehr online verfügbar), tagesschau, 28. Dezember 2005
- Italien
- „Die sensibelste "Task Force" der Welt. Italiens einzigartige Kunstpolizisten“, ZDF-aspekte, 10. November 2006
- „Tomb raiders plunder Italy's past. Looters of the night get rich on worldwide trade in antiquities“ , The Guardian, 20. Juni 2000
- Irak
- Fotostrecke von geplünderten irakischen Kulturstätten vom Fotoreporter-Ehepaar Micah Garen und Marie-Hélène Carleton (2004)
- „Die systematische Verwüstung der Kultur des Irak“ von Prof. Walter Sommerfeld, 6. Mai 2003, mit Fotodokumentation
- Türkei
Einzelnachweise
- ↑ "Grabraub ist kein Kavaliersdelikt" - Interview zum Grabraub-Geständnis von Helmut Thoma
- ↑ Austrian-German media manager Helmut Thoma plundered UNESCO world heritage site of Palmyra ArchaeoNews
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