- Reformationskirche (Berlin)
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Die Reformationskirche ist eine evangelische Kirche in Berlin-Moabit, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts an der Beusselstraße errichtet wurde. Der markante, 82 Meter hohe Kirchturm dominierte bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das Stadtbild im westlichen Moabit, dem sogenannten Beusselkiez. Die Kirche sowie das Pfarr- und Gemeindehaus stehen unter Denkmalschutz.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Errichtung der Kirche
Nachdem die Gemeinde der Heilandskirche 1896 selbständig geworden war, wurde bereits 1901 die Bildung einer zweiten Filialkirche in Moabit als notwendig erkannt. Die Zahl der Gemeindemitglieder, bei Gründung 45.000, war 1904 schon auf 70.000 gestiegen. Das Ziel des neuen Kirchengebäudes: „[I]n nächster Nähe großer Industrieanlagen [m]öchte sie inmitten der Arbeit und Mühe des Tages wie ein heiliger Gottesfinger viele hinweisen auf das eine, was Not tut.“[1]
Die Suche nach einem Bauplatz zog sich hin, denn die Beusselstraße war um 1900 noch kaum bebaut. Ein Kohleplatz auf einem Eckgrundstück stand zwar günstig zum Verkauf, die Prüfungskommission lehnte diesen jedoch als ungeeignet ab. Gesucht wurde weiter in der Rostocker und Sickingenstraße. In letzterer wäre der Bauplatz gar kostenlos gewesen, die Kirche hätte dann aber zum Bezirk Charlottenburg gehört. So entschied sich die Kommission doch für das 1.849,76 m² große Eckgrundstück an der Beusselstraße 35 und Wiclefstraße 33–35. Dieses war mittlerweile aber schon verkauft worden und für einen Wohnhausbau bereits teilweise ausgeschachtet. Die Kommission sah keine andere Lösung, als das Grundstück für den hohen Preis von 244.000 Goldmark dem neuen Besitzer abzukaufen.
Die Baukosten der Kirche sollten nach Plänen der Gemeinde vom Magistrat übernommen werden. Der Magistrat weigerte sich aber und legte Beschwerde beim Minister für geistliche Angelegenheiten ein. Dieser entschied am 10. Mai 1904, dass die Stadt Berlin die Kosten zu tragen habe. Die Heilandsgemeinde veranlasste daraufhin den Baubeginn und wählte einen Termin zur Grundsteinlegung. Der Magistrat legte jedoch überraschend abermals Einspruch ein, den das Kammergericht positiv beschied. Die Arbeiten am Fundament der Kirche wurden daraufhin eingestellt. Erst als der Stadtsynodalverband im Frühjahr 1905 erste Gelder bewilligte, wurden die Bauarbeiten fortgeführt.
Nach diesem langwierigem Konflikt um die Finanzierung konnte schließlich am 28. September 1905 der Grundstein zum Bau der Reformationskirche gelegt werden. Die ursprünglichen Pläne lieferte der Königliche Baurat und Dombaumeister Ernst Schwartzkopff, der jedoch kurz nach der Grundsteinlegung verstarb. Nach seinem Tod überarbeiteten August Dinklage und Ernst Paulus die Entwürfe grundlegend. Zwei Jahre später weihte der Generalsuperintendent Dr. Wilhelm Faber die Pfarrkirche am 17. Februar 1907 im Beisein des Kaiser-Ehepaars ein. Zwei Monate später folgte die Stiftungsurkunde an das Konsistorium und den Polizeipräsidenten, die Arbeiten an Pfarr- und Gemeindehäusern dauerten jedoch noch bis 1910 an.
Zerstörung und Wiederaufbau
In der Nacht vom 23. auf den 24. November 1943 durchschlugen Brandbomben das Dach der Kirche und des Pfarrhauses. Einer der damals tätigen Pfarrer kam bei Löschversuchen ums Leben. Die brennende Turmspitze stürzte in die Wiclefstraße, und das Pfarrhaus brannte bis auf Grundmauern nieder. Die nicht zerstörten Teile des Gemeindehauses wurden später von Ausgebombten und Flüchtlingen bezogen.
Die Aufbauarbeiten nach Ende des Krieges verliefen auf Grund gestohlener oder beschlagnahmter Baumaterialien sowie verzögerter Lieferungen langsam. Im Oktober 1948 konnte das Richtfest gefeiert werden. 24.000 Ziegel waren dazu verlegt worden – jedoch nicht sachgemäß, sodass die Ziegel bei stärkeren Stürmen vom Dach gefegt wurden. Eine Geldspende der Missouri Synode, der Verkauf von Bausteinen und Zuschüsse des Synodalverbands ermöglichten schließlich den Innenausbau der Kirche und eine feste Verlegung der Dachziegel. Am 29. Oktober 1950 konnte die Reformationskirche mit einer Kapazität von 1.200 Plätzen wieder geweiht werden. Die äußeren Kriegsschäden wurden bis 1953 restlos beseitigt und der Turm vereinfacht wiederaufgebaut – jedoch nur mit einer Höhe von 50 Metern, womit die Kirche ihre raumbeherrschende Wirkung verlor. Der Turmhelm wurde durch einen schmalen Dachreiter ersetzt.
Unter Peter Lehrecke und Siegfried Radtke wurde an den Altbauteil des Gemeindehauses 1970 ein neues, sechsgeschossiges Gemeindezentrum mit Wohnungen und Gemeindesaal angefügt und ein Flachbau für einen Kindergarten und -hort errichtet. Im Jahr 1974 wurde die Inneneinrichtung der Kirche erneuert und eine Fußbodenheizung installiert. Die auffälligste Veränderung betraf den Altar: Er wurde in die Mitte des Kirchenraums versetzt und die Stühle kreisförmig um diesen angeordnet. Kanzel, Altar und Bestuhlung wurden nicht fest verankert und können somit verschoben oder entfernt werden. Diese Umgestaltung sollte das Gotteshaus für Veranstaltungen wie die Moabiter Musiktage nutzbar machen.
Drohende Schließung
Im Jahr 2004 fusionierte die Reformationskirche mit der einstigen Muttergemeinde, der Heilandsgemeinde, zur Kirchengemeinde Moabit West. Kurz darauf wurde in einem Gutachten festgestellt, dass das Kirchengebäude sanierungsbedürftig ist und gemäß den aktuellen Bauvorschriften umgebaut werden müsste. Die dafür nötigen 2,4 Millionen Euro können von der Gemeinde jedoch nicht aufgebracht werden. Zwar wurde die Kirche mehrmals in der Woche durch die Cantorei, einen 60-köpfigem Chor, genutzt, doch blieb der sonntägliche Gottesdienst mit drei bis zehn Gläubigen schwach besucht. Im November 2004 beschädigte zudem ein Brand das Gemeindezentrum, und die Betriebskosten stiegen in den vergangenen Jahren erheblich. Aus diesem Grunde ließ der Gemeindekirchenrat im Winter 2006/07 – mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertage – keine Gottesdienste in der Reformationskirche stattfinden. Die Gebäude sind mittlerweile in das Eigentum der Landeskirche übergegangen, welcher jedoch ebenfalls kein Geld für die Sanierung zur Verfügung steht und die das Gebäude deswegen zu veräußern versucht.
Baubeschreibung
Nach Abänderung der ursprünglichen Baupläne durch die Architekten August Dinklage und Ernst Paulus entstand eine neugotische dreischiffige Hallenkirche mit breitem Querhaus, dreiseitigem Chor und einem quadratischen Eckturm. Mit Frontlängen von 32,00 Metern an der Beussel- und 54,68 Metern an der Wiclefstraße bedeckt der Komplex eine Fläche von 1.228,07 Quadratmetern. Ebenfalls zur Baugruppe gehören die erst 1910 fertiggestellten Pfarr- und Gemeindehäuser, die zur geschlossenen Bebauung mit Wohnbauten an der Beussel- und Wiclefstraße überleiten. Im Geist der Zeit entstand eine unregelmäßige Gebäudegruppe, die den Eindruck einer historisch gewachsenen Anlage zu erwecken suchte. In der einheitliche Verkleidung der Bauten mit roten Verblenderziegeln und den eher zurückhaltend eingesetzten neugotischen Elementen klingt der Kirchenbau des Historismus nach.
Der ursprünglich 82 Meter hohe Turm auf quadratischem Grundriss dominiert die Anlage wie den Straßenraum. Im Zweiten Weltkrieg verlor er seinen außerordentlich steilen und hohen Turmhelm und erhielt beim vereinfachenden Wiederaufbau 1953 ein einfaches Kreuzdach zwischen den Turmgiebeln mit einem kleinen, kupfernen Dachreiter. Diese vereinfachte Wiederherstellung beeinträchtigt die raumbeherrschende Stellung des Turmes. Die Balkone des Kirchturmes auf der Höhe des Hauptgesimes des Kirchenschiffes wachsen auf Konsolen aus den Blendfeldern hervor. Darüber folgen die mit einfachem Maßwerk gefüllten Schallfenster und in der darüber liegenden Wandzone unter dem Giebel fünf spitzbogige Blendfelder. Von diesem Hintergrund aus weißen Putzflächen und roten Ziegeln heben sich die Zifferblätter und die Zeiger der Turmuhr durch ihre Vergoldung ab.
Spitzbogige, weiß verputzte Blendfelder und ein großes Rundfenster prägen Stirnseite des Langschiffes im Westen gegen die Beusselstraße. Die gleich gestaltete Stirnseite des Querschiffes im Süden gegen die Wiclefstraße tritt nur wenig vor die durch Strebepfeiler und Spitzbogenfenster mit Maßwerk gegliederte Wand des Langschiffes. Den Haupteingang der Kirche bildet ein durch einen Wimperg zusammengefasstes Doppelportal an der Westfassade. In seinem Bogenfeld verweist eine Statue des Reformators Martin Luthers aus schlesischem Marmor auf die Reformation und damit auf den Namen der Kirche. Nach den Kriegszerstörungen 1943 purifizierten die Architekten H. Brokerhoff und Walter Jarchow den Innenraum beim Wiederaufbau, indem sie die bemalten Wandflächen und Emporenbrüstungen glatt verputzen ließen und die Fenster in schlichteren Formen erneuerten.
Belege und weiterführende Informationen
Literatur
- Chronik der ev. Reformationskirche zu Berlin-Moabit zum 100jährigen Besten, veröffentlicht anlässlich der 100-Jahr-Feier am 10. Juni 2007 und basierend auf der Chronik zum 50jährigen Bestehen von 1957 sowie der Chronik zum 75jährigen Bestehen von 1980, aktualisiert von Klaus Balendat und Hartmann Bökenkamp.
- Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Auflage. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 275 f.
- Richard Schneider (Hrsg.): Berlin – Bauwerke der Neugotik. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1984, ISBN 3-87584-129-8, S. 51 und 112
- Jürgen Tomisch: Bezirk Mitte. Ortsteile Moabit, Hansaviertel und Tiergarten. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmale in Berlin. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005, ISBN 3-86568-035-6, S. 290 f.
Weblinks
Commons: Reformationskirche (Berlin) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Reformationskirche im Bezirkslexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins
- Cantorei der Reformationskirche
- Evangelische Kirchengemeinde Moabit West
Einzelnachweise
- ↑ Urkundentext zitiert nach Beusselkiez und Hutteninsel. Transit, Berlin 1993, S. 70, ISBN 3-88747-089-3
52.5312413.32886Koordinaten: 52° 31′ 52″ N, 13° 19′ 44″ OKategorien:- Baudenkmal (Berlin)
- Neugotisches Kirchengebäude in Berlin
- Berlin-Moabit
- Erbaut in den 1900er Jahren
- Reformationskirche
- Kirchengebäude der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
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