Filialkirche

Filialkirche

Eine Filialkirche ist ein als Nebenkirche neben einer Hauptkirche, der Pfarrkirche, existierendes Kirchengebäude. Der Name ist aus dem Lateinischen abgeleitet (Filius = Sohn, Filia = Tochter).

Der Begriff ist nicht klar abgegrenzt. Er wird regional und konfessionell unterschiedlich benutzt und sagt auch nichts aus über die Größe oder Ausstattung des Gebäudes. Weitere Bezeichnungen sind Succursalkirche, Lokalie, Pfarrkuratie, Pfarrvikarie, Rektorat, Expositur, Stationskaplanei, oder Kuratbenefizium.

Pfarren, Lokalien und Stationskaplanei: Das Dekanat Deutschlandsberg im Jahr 1817

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Eine Filialkirche ist nach dem römisch-katholischen Kirchenrecht (can. 1214 CIC) ein für den öffentlichen Gottesdienst bestimmtes Gebäude. Sie hat eine höhere Rechtsstellung als eine Kapelle oder ein Oratorium, ist allerdings keine rechtlich selbständige Pfarrkirche. Bei einer Auspfarrung können Filialkirchen mit dem ihnen zugeordneten Pfarrgebiet zu Pfarrkirchen erhoben werden. Umgekehrt werden bei der Zusammenlegung von Pfarreien bisher selbständige Pfarrkirchen zu Filialkirchen in der neuen größeren Pfarrei. Einer Filialkirche kann die Stelle eines Priesters zugeordnet sein.

Allgemeingültige Regeln darüber, unter welchen Umständen eine Filialkirche existiert oder eingerichtet werden kann, bestehen nicht. Entsprechende Maßnahmen obliegen nach dem Kirchenrecht dem Bischof der jeweiligen Diözese, der auch darüber entscheidet, ob und inwieweit für das Vermögen, das einer Filialkirche zugeordnet ist (Grundstück des Kirchengebäudes, Inneneinrichtung etc.) Rechtspersönlichkeit bestehen soll.

Als Filialkirchen werden (beispielsweise in kunstgeschichtlichen Unterlagen wie Denkmälerverzeichnissen)[1] auch Kirchen bezeichnet, bei denen in der Gegenwart keine selbstständige Gemeinde mehr besteht, die aber in der Vergangenheit eine gewisse Selbstständigkeit besaßen, ohne dass damit eine bestimmte Rechtsstellung ausgedrückt wird: beispielsweise wegen ihrer örtlichen Entfernung vom Zentrum der jeweiligen Pfarre oder weil es sich um eine ehemalige Pfarrkirche handelt. Klosterkirchen bestehender Klöster werden üblicherweise allerdings nicht als Filialkirchen bezeichnet.

Die Häufigkeit von Filialkirchen ist regional unterschiedlich. Während es beispielsweise im (großen) österreichischen Mühlviertel fast keine Filialkirchen gibt, gibt es im (relativ kleinen) Flachgau fast 40. Das Vorhandensein von Filialkirchen hängt ab von der jeweiligen Kirchspielverfassung und der Praxis der jeweiligen Diözese. In der mittelalterlichen „sächsischen Kirchspielverfassung“ gab es eine „Urpfarrei“ mit der Zuständigkeit für die Nachbardörfer in einem Umkreis von etwa 10 bis 15 Kilometern. Um den Dorfbewohnern die langen Anmarschwege zu ersparen, entstanden in den benachbarten Dörfern nach und nach Filialkirchen. Im Bereich der Deutschen Ostsiedlung galt zunächst zwar auch die sächsische Kirchspielverfassung in der Niederlausitz, in Westmecklenburg und im Land Jüterbog. Etwa ab 1200 wurde es aber aufgrund niederländischer Traditionen vor allem in der Mark Brandenburg üblich, dass jedes Dorf seine eigene Kirche erhielt. Hier entstanden später zwar auch manchmal Filialkirchen, aber in Form einer rechtlichen Zu- und Unterordnung, wenn ein Pfarrer gleichzeitig zwei Gemeinden zu betreuen hatte.

Der Unterschied zwischen einer Filialkirche und einer Messkapelle besteht in der katholischen Kirche darin, dass einer Filialkirche zumindest in der Vergangenheit auf Dauer ein eigener Priester mit eigenständigen Seelsorgeaufgaben und einer eigenen Verwaltungsorganisation (Kirchenvermögen usw.) zugeordnet war, während bei einer Messkapelle zwar im Unterschied zu anderen Kapellen die entsprechenden Erlaubnisse und eine Ausstattung zur (regelmäßigen) Feier von Gottesdiensten (sogenannte „Messlizenzen“[2], Tabernakel, Glocken usw.) vorhanden sind, aber keine eigene Priesterstelle. Auf die Größe des Gebäudes, in der sich allerdings die Summe der Bauspenden oder der Reichtum eines Stifters ausdrücken kann, kommt es dabei in keinem Fall an, nur auf dessen Ausstattung und die damit verbundenen Genehmigungen und die kircheninterne Organisation.

Trotz ihrer Größe keine Filialkirche, sondern die Kapelle in Rachling, Gemeinde Marhof

Für Kirchengebäude der evangelischen Kirche wird der Begriff „Filialkirche“ ebenfalls verwendet, so für die Pankratiuskapelle in Niebelsbach, Gemeinde Keltern in Baden.

Rechtliche Organisation im katholischen Kirchenrecht vor 1983

Bei Filialkirchen mit den um das jeweilige Kirchengebäude gesammelten Gläubigen gemeint kann es sich um eine Ersatzform oder Vorstufe einer Pfarre handeln, wenn aus bestimmen Gründen (noch) keine Pfarre eingerichtet werden kann oder soll. Solche Organisationsformen wurden bis 1983 nach dem Kirchenrecht als „Ständige Vikarie“ bezeichnet, ihre Priester (Vikar, Pfarrvikar, Vicarius perpetuus, Lokalvikar) waren in der Regeln einem Pfarrer gleichgestellt. Solche Vikariate, Filialen (oder Filialkirchen usw.) bezeichnen ein kirchliches Teilgebiet, das entweder noch kein Pfarrgebiet war oder das durch Teilung einer Pfarre nach dem kirchenrechtlich dafür vorgesehenen Verfahren und Rahmenbedingungen entstand. Wie eine Pfarre mussten sie eine eigene Kirche und einen eigenen Priester besitzen, der auf Dauer ordentliche priesterliche Vollmachten (zur Spendung der Sakramente und ähnlichen Funktionen wie zur Führung von Kirchenbüchern, Matriken) besaß. Anlässe für Schaffung einer Filialkirche(ngemeinde) können örtlicher (lange Wege zur Pfarrkirche) aber auch anderer Natur sein. Ein solcher Anlass konnte z. B. die Stiftung eines Kirchenraumes und sonstigen Vermögens (Beneficium) sein, unter der Bedingung der Übertragung gewisser Rechte an den Benefiziaten (Rektor, Lokalkaplan) etc. Diesem Priester kann z. B. die Seelsorge einer bestimmten Personengruppe übertragen sein, beispielsweise zur Feier des Gottesdienstes in einer bestimmten (z. B. althergebrachten) Form oder an einem bestimmten Ort, Altar usw. Grundlage für die Schaffung ständiger Vikariate war bis zum Inkrafttreten der Neufassung des Codex Iuris Canonici (CIC) am 27. November 1983 (erster Adventsonntag 1983) der canon 1427 des CIC in der Fassung aus 1917.[3]

Es gab unterschiedliche weitere Formen von „Filialkirchen“: So war als Stationskaplanei, Seelsorgebezirk, Kuratkaplanei oder „abhängiges Rektorat“ eine Kirchengemeinde bezeichnet, die zwar bereits eine gewisse Selbstständigkeit besaß, deren Priester aber (noch) nicht die Rechte des Ständigen Vikars einer Lokalie besaß.

Rechtsgrundlagen ab 1983

Das Wort ‚Filialkirche‘ ist auch kein Begriff des aktuellen Kirchenrechts der katholischen Kirche. Seit 1983 gilt als Grundlage der canon 516 des CIC, der für die genannten Organisationsformen zunächst den Begriff der „Quasipfarrei“ verwendet: Danach ist (can. 516 § 1) eine Quasipfarrei eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen mit eigenem Seelsorger. Sie ist einer Pfarrei gleichgestellt, aber wegen besonderer Umstände noch nicht als Pfarrei errichtet. Darüber hinaus (can. 516 § 2) hat der Diözesanbischof dann, wenn „irgendwelche Gemeinschaften“ (lateinisch: „quaedam communitates“) nicht als Pfarrei oder Quasipfarrei errichtet werden, „auf andere Weise“ (lat.: „alio modo“) Vorkehrungen zu treffen. Die Vorgangsweise und die Bezeichnung der jeweiligen Organisationsform kann dadurch in den einzelnen Diözesen weiterhin unterschiedlich sein. Organisationsformen, die in älteren Unterlagen als „vicaria perpetua“ (ewiges Vikariat, dauerndes Vikariat, Lokalie, Pfarrexpositur, Kuratbenefizium, Rektorat, Pfarrvikariat, Kuratie, Pfarrkuratie) usw. bezeichnet wurden, werden in der Regel als Quasipfarrei eingerichtet, sofern sie eine eigene Verwaltungsorganisation (Sekretariat, Kirchenbücher usw.) besitzen sollen. Bei Gebieten oder Kirchengebäuden, die zwar einen eigenen Seelsorger haben, aber vom Sitz der jeweiligen Pfarre aus verwaltet werden sollen, kann (neben der Organisation nach can. 516 § 2 CIC) auch eine Organisation im Rahmen der bestehenden Pfarre eingerichtet sein (can. 545 § 2 CIC: Pfarrvikar für einen bestimmten Teil der Pfarre).[4]

Für Kapellen (im CIC lat.: „Oratorium“, Plural „Oratorii“, Privatkapellen „Sacellum privatum“ genannt) gelten die Regeln der canones 1223 bis 1229 CIC, wonach gottesdienstliche Feiern in solchen Gebäuden (nur) mit Zustimmung – die z. B. auf bestimmte Zeiten eingeschränkt sein kann – stattfinden dürfen. Der Unterschied zwischen Filialkirche, Messkapelle und Kapelle bzw. Oratorium ist im Ergebnis (kirchen-)rechtlicher Art.[5]

Gegenwart

2005 wurde in verschiedenen Diözesen in Deutschland (am weitesten reichend im Bistum Essen) begonnen, mehrere Pfarrgemeinden zu Großgemeinden zusammenzufassen. Dabei entstehen eine Hauptkirche, dazu (mehrere) Gemeindekirchen mit eventuell je eigenen Filialkirchen und eventuell „weitere Kirchen“. Diese „weiteren Kirchen“ erhalten in vielen Fällen keine Finanzmittel aus dem Diözesanhaushalt mehr. Es müssen daher andere Finanzierungsmodelle gefunden werden. Wenn dies nicht gelingt, müssen sie profaniert und einer anderen Nutzung zugeführt oder abgerissen werden.

In Österreich schließen sich katholische Pfarren zu Pfarrverbänden zusammen, wobei Pfarrkirchen nicht zur Filialkirche „degradiert“ werden, sondern ein Priester das Pfarramt in allen Pfarren der Verbands übernimmt. Abgesehen von Kirchen, die einer Ordensgemeinschaft gehören, gehören auch Filialkirchen der Diözese, die, meist zusammen dem Land und häufig auch dem Bundesdenkmalamt, für die Erhaltung sorgt.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Verordnung des Bundesdenkmalamtes vom 20. Februar 2001. Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Jahrgang 2001, 5. Stück Nr. 64/2001. Wien 2001. ISSN 1023-6937. Seiten 142–148. Die in § 2a Absatz 4 Denkmalschutzgesetz vorgesehene Zweitveröffentlichung erfolgte im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 055 vom 19. März 2001. Seite 25. In Kraft ab 1. April 2001.
  2. Erlaubnis des Ortsordinarius nach den canones 1223 bis 1225 CIC.
  3. Hubert Hack: § 42. Die Pfarrei. In: Joseph Listl u. A., Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, Seite 306, Punkt 4: Die Ständige Vikarie. Heribert Heinemann: § 43 Der Pfarrer. Im selben Werk, Seite 314 Punkt 3: Der Pfarrvikar.
  4. Schwendenwein, neues Kirchenrecht, Seiten 235-236.
  5. Schwendenwein, neues Kirchenrecht, Seiten 420-422.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Filialkirche heiliger Laurentius (St. Lorenzen) — Filialkirche hl. Laurentius mit Umfassungsmauer …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche St. Erhard (St. Paul) — Filialkirche St. Erhard, vom Stiftshügel aus gesehen Die Filialkirche St. Erhard in St. Paul im Lavanttal, meist kurz Erhardikirche genannt, befindet sich am Fuße des Stiftshügels, durch die Straße vom Stift getrennt. Sie ist dem heiligen Erhard… …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche hl. Familie Schlüßlberg — Filialkirche Schlüßlberg von Nordwesten Die Filialkirche Zur Heiligen Familie in Schlüßlberg liegt im Ortszentrum von Schlüßlberg. Sie ist eine Filialkirche der Pfarre Grieskirchen und gehört zum Dekanat Kallham der Diözese Linz. Inhal …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche St. Margarethen ob Köttmannsdorf — Filialkirche Sankt Margarethen Die Filialkirche St. Margarethen ob Köttmannsdorf (slowenisch: podružna cerkev Šmarjeta) ist eine römisch katholische Filialkirche im Gemeindegebiet von Köttmannsdorf im Bezirk Klagenfurt Land in Kärnten …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche Maria, Hilfe der Christen (Wien) — Filialkirche Stadlau (Maria, Hilfe der Christen) Die Filialkirche Maria, Hilfe der Christen ist eine römisch katholische Kirche im Stadtteil Stadlau im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt in der Erzherzog Karl Straße 176. Die Kirche wurde von… …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche Pauli Bekehrung (Kleinviecht) — Filialkirche Pauli Bekehrung Die Filialkirche Pauli Bekehrung ist die katholische Dorfkirche von Kleinviecht (Oberbayern). Die Kirche entstand im 13. oder 14. Jahrhundert als eine aus Backsteinen gemauerte Chorturmkirche im spätromanischen Stil.… …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche St. Ulrich (Villach) — Filialkirche St. Ulrich Die Filialkirche St. Ulrich bei Villach gehört zur Pfarre Maria Landskron. St. Ulrich wird 1431 erstmals genannt. Bei der Restaurierung 1966 erfuhr das Bauwerk mit romanischen und gotischen Elementen wesentliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche heiliger Johannes der Täufer (Flattnitz) — Filialkirche heiliger Johannes der Täufer, Ansicht von Süden Die Filialkirche heiliger Johannes der Täufer in der Kärntner Streusiedlung Flattnitz ist eine Filiale der römisch katholischen Pfarre Glödnitz und stammt im Wesentlichen aus dem 14 …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche St. Elisabeth (Sengenthal) — Filialkirche St. Elisabeth, Sengenthal Die Filialkirche St. Elisabeth ist die katholische Dorfkirche von Sengenthal (Oberpfalz). Der moderne Kirchenbau wurde in den Jahren 1966/67 errichtet. Der im Jahr 1961 von Tilly Behringer gegründete… …   Deutsch Wikipedia

  • Filialkirche St. Michael (Ummendorf) — Filialkirche St. Michael in Ummendorf Die Filialkirche St. Michael ist die Dorfkirche der Ortschaft Ummendorf in der Gemeinde Pürgen, Landkreis Landsberg am Lech. Der heutige Kirchenbau geht in seinem Kern auf das 14. Jh. zurück, eine dem… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”