Reichsflugscheibe

Reichsflugscheibe

Reichsflugscheiben, auch Rundflugzeug, Feuerball, Diskus, Haunebu, Hauneburg-Gerät, VRIL, Kugelblitz, Andromeda-Gerät, Projekt „Die Glocke“, Repulsine (Repulsator), Flugkreisel oder Kugelwaffe, sind untertassenförmige Flug- und Raumfahrzeuge, die in Mythen, Science Fiction, Verschwörungstheorien und Comics auftauchen und diesen zufolge im nationalsozialistischen Deutschen Reich gebaut und getestet worden sein sollen. Historisch und technisch sind keine Belege bekannt, jedoch taucht das Thema in der pseudowissenschaftlichen Literatur als Beispiel für „Nazi-Technologie“ gelegentlich auf.

Inhaltsverzeichnis

Angebliche Konstruktion

Neben der scheibenförmigen Bauform werden diesen Luftfahrzeugen teils enorme Flugleistungen zugeschrieben, die wiederum auf einer fortschrittlichen, bis heute nicht bekannten oder auch geheim gehaltenen Technologie beruhen würden. Die Grenzen zwischen Physik, Phantasie und Fälschung sind dabei fließend.

Reichsflugscheiben werden teils auch zusammen mit neuartigen U-Booten (USO – Unbekannte Unterwasser-Objekte) erwähnt, wobei flug- und tauchfähige Kombinationen etwa für Vorfälle im Bermudadreieck verantwortlich gemacht werden.

Als Beweis werden gerne handgezeichnete Konstruktionsskizzen oder unscharfe Schwarzweißfotos vorgelegt, die auch im Internet zirkulieren (z. B. als „Hauneburg-Gerät“, „Haunebu“, „Vril“, „Andromeda-Gerät“, „V7“ (Vergeltungswaffe 7) oder „RFZ“ (Rundflugzeuge)). Vollständige Beweise und Unterlagen, heißt es meist, seien vor Kriegsende vernichtet oder auch von den Alliierten mitgenommen und geheim gehalten worden.

Erklärungsversuche

Der Mythos könnte bereits aus deutschen Experimenten mit Nurflüglern zum Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden sein. Belegt ist unter anderem die Existenz der Sack AS-6 von Arthur Sack, einem Flugzeug mit kreisrunder Tragfläche, dessen Startversuche im Februar 1944 allerdings nur zu kurzem Abheben führten. Heinrich Fleißner aus Augsburg hatte sich bereits 1943 mit diesem Thema befasst und mehrere Reichspatente auf diese Rundflugmaschinen erhalten. 1960 wurde das US-Patent freigegeben. Angeblich sollen die Maschinen flugfähig gewesen und von den USA auch im Serienversuch nachgebaut worden sein.

Eine neben rechtsesoterischen Milieutheorien verfolgbare Entstehungsgeschichte über Rundflugzeuge des Dritten Reiches liefert Andreas Epp.[1] Nach seinen Angaben sollen diese Flugmaschinen auf einer systematisch betriebenen Weiterentwicklung eines Antriebkonzepts beruhen, das mit dem Doppelrotor-Hubschrauber Focke-Wulf Fw 61 bereits erfolgreich getestet worden war. Aus seinem flugphysikalischen Hauptmerkmal, einem zur Geradeaus-Flugrichtung grundsätzlich horizontal rotierenden Propeller, sollen Experimentalfluggeräte abgeleitet worden sein, deren Antriebsmotor und Pilotenkanzel zuletzt im Zentrum von z. T. unterschiedlich ausgeführten Rotorscheibensystemen angeordnet waren. Der von Epp erwähnte Oberingenieur Georg Klein gibt in einem Zeitungsinterview an, dass unter seiner technischen Projektleitung gegen Ende 1944 in Prag zwar insgesamt drei unterschiedlich konstruierte Flugscheiben vorgelegen haben sollen, jedoch strenge Geheimhaltungsvorschriften ihre Zerstörung unmittelbar vor dem Eintreffen gegnerischer Streitkräfte erforderlich gemacht hätten.[2] Als Hauptgrund, warum man in der Nachkriegszeit Rundflugzeuge dieser Art nicht zur Serienreife brachte, nennt Klein unter Berufung auf den angeblichen Flugscheiben-Entwickler Giuseppe Belluzzo ihren völlig unrentablen Herstellungsaufwand gegenüber konventionellen Passagierflugzeugen. Epp stellt zur hinreichenden Manövrierfähigkeit dieser Rundflugzeuge deren Steuerungsproblematik in den Vordergrund.[3] Eine handfeste ingenieurwissenschaftliche, insoweit auch von den Siegermächten angebotene Grundlage zur fundierten Verifizierung und historischen Anerkennung dieser Art Reichsflugscheiben liegt jedoch nicht vor.

Andere Flugscheiben, etwa solche des deutschen Erfinders Friedrich Jebens, haben nicht einmal vom Boden abgehoben. Diese um ihren Mittelpunkt rotierende Konstruktion diente angeblich der gängigen Hollywood-Version vom UFO als Vorlage (z. B. in dem Film Mars Attacks).

Eine Reihe manntragender, scheibenförmiger Luftfahrzeuge wurde in den 1950er Jahren entworfen. Keine dieser Konstruktionen ist jedoch je zufriedenstellend geflogen.

Medienrezeption

Die Reichsflugscheibe wurde in der Nachkriegszeit im Zusammenhang mit der angeblichen Flucht von Nationalsozialisten nach Neuschwabenland in die Antarktis genannt.[4] Im März 1950 berichtete erstmals Der Spiegel über Nazi-Flugscheiben.[5] Von der Boulevardpresse wird die Reichsflugscheibe selten behandelt, nur Bild brachte am 6. Dezember 2004 dazu einen Aufmacher in der Druck- und Onlineausgabe. In Deutschland wird die Zeitung Ufo-Kurier vertrieben. Ein Dachverband im deutschsprachigen Raum war die Deutsche Ufo/Ifo-Studiengesellschaft (DUIST), die wiederum mit Hermann Oberth und dessen Hermann-Oberth-Gesellschaft verbunden war.

In verschiedenen Publikationen wird eine Verbindung zu den Legenden um Maria Ortisch und die Vril-Gesellschaften hergestellt.

Rechtsextreme Szene

Ebenso wurde das Thema von Teilen der rechtsextremen Szene aufgegriffen. Dabei vermischen sich ein esoterischer und ein Nazi-Diskurs in eigentümlicher Weise: Der ehemalige SS-Mann Wilhelm Landig beschreibt in seinen Romanen das Thema der Flugscheiben, mit denen SS-Leute in die Antarktis (Neuschwabenland) geflohen seien, um ihren Kampf gegen die Freimaurerei fortzuführen. Der deutsch-kanadische Holocaustleugner Ernst Zündel hat unter dem Pseudonym Christof Friedrich ebenfalls zwei Bücher über diesen Mythos verfasst.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. J. Andreas Epp: Die Realität der Flugscheiben, Peiting 2002.
  2. Werner Keller in Welt am Sonntag: Erste »Flugscheibe« flog 1945 in Prag; Ausgabe 26. April 1953.
  3. J. Andreas Epp, a.a.O., S. 16.
  4. Die Welt vom 6. Dezember 2008: History: Als Hitlers Hakenkreuzfahne am Südpol wehte
  5. Sie fliegen aber doch, Der Spiegel am 30. März 1950.

Literatur

  • Peter Bahn, Heiner Gehring: Der Vril-Mythos. Eine geheimnisvolle Energieform in Esoterik, Technik und Therapie. Omega-Verlag, Düsseldorf 1997, ISBN 3-930243-03-2.
  • Joseph Andreas Epp: Die Realität der Flugscheiben. Michaels-Verlag, Peiting 2002, ISBN 3-89539-605-2.
  • Karl Heinz Fuchs, Friedrich Wilhelm Kölper: Militärisches Taschenlexikon. Fachausdrücke der Bundeswehr. Athenaum Verlag, Bonn 1958 (Stichwort: Fliegende Scheibe).
  • Heiner Gehring, Karl-Heinz Zunneck: Flugscheiben über Neuschwabenland. Die Wahrheit über „Vril“, „Haunebu“ und die Templer-Erbengemeinschaft. Kopp, Rottenburg 2005, ISBN 3-938516-00-3.
  • Sven Peters: Verschwiegene Existenz-Leben der Maria Ortisch. Argo Verlag, Marktoberdorf 2008, ISBN 978-3-937987-45-3.

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