Richard Schaeffler

Richard Schaeffler

Richard Schaeffler (* 20. Dezember 1926 in München) ist ein deutscher Philosoph mit umfangreichen Beiträgen zur Geschichts- und Religionsphilosophie. Der bekennende Katholik und Halbjude Schaeffler stellt eine der Hauptfiguren der geschichts- und religionsphilosophischen Kant-Rezeption im 20. Jahrhundert dar. Er wirkte von 1968 bis 1989 als Professor für philosophisch-theologische Grenzfragen an der Ruhr-Universität Bochum und lehrt seitdem als Gastprofessor an der Hochschule für Philosophie München).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Richard Schaeffler, Sohn des Apothekerehepaars Joseph Schaeffler und Gertrud Schaeffler, geb. Witkowski, verbrachte seine frühere Kindheit in verschiedenen Vororten Münchens, zuletzt in Solln bei München, wo er auch die Volksschule besuchte. Van April 1936 bis Juli 1941 besuchte er das Internat des humanistischen Gymnasiums in der Benediktinerabtei Ettal. Nach Auflösung dieser Anstalt kehrte er nach Solln zurück und besuchte bis zum Oktober 1942 das Theresien-Gymnasium in München. Zu diesem Zeitpunkt wurde Schaeffler aus rassischen Gründen (seine Mutter war Jüdin) von der Schule verwiesen und erhielt privaten Unterricht von Lehrern, die mit ihm sympathisierten[1]. In der Folgezeit arbeitete er als Drogisten-Lehrling im väterlichen Betrieb, einer Großhandlung pharmazeutischer Präparate. Im November 1944 wurde er und sein Vater durch die Gestapo inhaftiert und in eine "Sonder-Arbeitslager" gebracht, in dem er bis zur Befreiung durch amerikanische Truppen verbleiben musste. Von seiner Rückkehr im Mai 1945 bis zum September diesen Jahres arbeitete er wieder im väterlichen Geschäft. Ende September 1945 erhielt er die Erlaubnis, als Gast an den Vorlesungen und Seminaren der philosophischen Fakultät des Berchmanns-Kollegs in Pullach bei München (die heutige Hochschule für Philosophie München), einer Hochschule des Jesuitenordens, teilzunehmen. Er schloss nach einem Jahr mit der Zwischenprüfung ab. Hauptlehrer dieser Zeit waren die Jesuitenpatres Walter Brugger und Josef de Vries; damalige Konventsmitglieder waren auch Karl Rahner und Johannes Baptist Lotz. Im März 1946 legte er am Theresien-Gymnasium in München sein Abitur ab. Ab dem Wintersemester 1946/47 studierte er an der philosophischen Fakultät der Universität Tübingen Philosophie, Psychologie und katholische Theologie, ab dem WS 1950/51 als Doktorand. Philosophische Lehrer waren Gerhard Krüger, Eduard Spranger und Wilhelm Weischedel, in der Psychologie Eduard Spranger und Hans Wenke, in der katholischen Theologie der Dogmatiker Karl Adam, Exeget Fridolin Stier, Kirchengeschichtler August Fink und Fundamentaltheologe Heinrich Fries. Im Sommersemester 1952 reichte er beim Heidegger- und Bultmann-Schüler Gerhard Krüger, der 1950 zur katholischen Kirche konvertiert hatte, seine umfangreiche philosophische Dissertation "Der Glaube bei Karl Jaspers" ein.

Nach seiner Promotion trat er eine Assistentenstelle bei Gerhard Krüger an und habilitierte sich 1961 in Tübingen an der Philosophischen Fakultät mit der Arbeit "Die Struktur der Geschichtszeit". Von 1968 bis zu seiner Emeritierung 1989 war er Professor für philosophisch-theologische Grenzfragen an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Für seine wissenschaftlichen Verdienste in der Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie und Wissenschaftstheorie verlieh ihm die Hochschule für Philosophie München, an der er seit seiner Emeritierung 1989 als Gastprofessor tätig ist, am 11. November 2005 die Ehrendoktorwürde.

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit engagierte sich Schaeffler im "Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen" und dem "Gesprächskreis Juden und Christen" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (1972-1983).

Die Hochschule für Philosophie München verleiht einen Richard-Schaeffler-Preis. Zu den bisherigen Preisträgern zählen die katholischen Theologen Georg Essen, Markwart Herzog und Thomas Schärtl.

Publikationen

  • R. Schaeffler: Die Frage nach dem Glauben im Werke von Karl Jaspers. Diss. phil. masch. Tübingen 1952. UB Bochum, UB Erlangen, UB Tübingen.
  • R. Schaeffler: Die Struktur der Geschichtszeit. Klostermann, Frankfurt a. M. 1963.
  • R. Schaeffler: Religion und kritisches Bewusstsein. Alber, Freiburg i. Br. 1973.
  • R. Schaeffler: Frömmigkeit des Denkens? Martin Heidegger und die katholische Theologie. WBG, Darmstadt 1978.
  • R. Schaeffler: Was dürfen wir hoffen? - Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre. WBG, Darmstadt 1979.
  • R. Schaeffler: Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie. WBG, Darmstadt 1980. (Die philosophischen Bemühungen des 20. Jahrhunderts)
  • R. Schaeffler: Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre. Thesen zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie der Theologie (Quaestiones Disputatae 82). Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 1980.
  • R. Schaeffler: Religionsphilosophie. Alber, Freiburg i. Br. u.a. 1983, ISBN 3-495-48072-2. (Handbuch der Philosophie, Bd. 4)
  • R. Schaeffler: Fähigkeit zur Erfahrung. Zur transzendentalen Hermeneutik des Sprechens von Gott. Herder, Freiburg i. Br. 1982. (Quaestiones Disputatae 94)
  • R. Schaeffler: Die kleine Sprachlehre des Gebets. Johannes-Verlag, Einsiedeln 1988, ISBN 3-265-10338-2. (in Frz.: Le langage de la prière. Paris 2003, ISBN 2-204-07116-1) (Sammlung Horizonte, N.F. 26)
  • R. Schaeffler: Das Gebet und das Argument – Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache. Patmos, Düsseldorf 1989.
  • R. Schaeffler: Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik der Erfahrung. Alber, Freiburg i. Br. 1995, ISBN 3-495-47803-5.
  • R. Schaeffler: Philosophische Einübung in die Theologie. 3 Bände. Alber, Freiburg i. Br. 2004.

Literatur

  • Matthias Laarmann, Tobias Trappe (Hrsg.): Erfahrung - Geschichte - Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie. Für Richard Schaeffler. Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 1997, ISBN 3-451-26199-5.
  • Matthias Laarmann: Richard Schaeffler, Bibliographie 1952 - 1996. mit systematischem Index. In: Matthias Laarmann, Tobias Trappe (Hrsg.): Erfahrung - Geschichte - Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie. Für Richard Schaeffler. Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 1997, S. 377-392.
  • Richard Schaeffler, Bibliographie 1952–2010. In: Thomas M. Schmidt, Siegfried Wiedenhofer (Hrsg.): Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie. Alber, Freiburg i. Br. 2010, S. 285–309.
  • Bernd Irlenborn: Veritas semper maior - Der philosophische Gottesbegriff Richard Schaefflers im Spannungsfeld von Philosophie und Theologie. Pustet Verlag, Regensburg 2003, ISBN 3-7917-1841-X. (Reihe Ratio Fidei)
  • Thomas M. Schmidt, Siegfried Wiedenhofer (Hrsg.): Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie. Alber, Freiburg i.Br. 2010.

Einzelnachweise

  1. R. Schaeffler: Lebenslauf. In: Ders.: Die Frage nach dem Glauben im Werke von Karl Jaspers. Diss. phil. Tübingen 1952, Anhang [ohne Paginierung, S. 1]: "Den Lehreren dieser Anstalt [d.h. des Theresien-Gymnasiums], die nach meiner Verweisung von der Schule ohne Rücksicht auf die damit für sie verbundenen Gefahren stets bereit waren, mir in den Abendstunden Privatunterricht zu erteilen, bin ich zu großem Dank verpflichtet."

Weblinks (Auswahl)


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