- Robert Alexy
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Robert Alexy (* 9. September 1945 in Oldenburg i.O.) ist ein deutscher Jurist und Philosoph. Innerhalb der deutschen Staatsrechtslehre und Rechtstheorie hat er sich vor allem durch seine von Ronald Dworkin inspirierte Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien und seine von Habermas beeinflussten Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts einen Namen gemacht. International ist Alexy in erster Linie als Vertreter eines moralische Grundsätze einschließenden Rechtsbegriffs auf Basis der Radbruchschen Formel und als Kritiker des Rechtspositivismus in Erscheinung getreten.
Robert Alexy gilt neben Norbert Hoerster als der wichtigste lebende deutsche Rechtsphilosoph und einer der einflussreichsten Rechtsphilosophen überhaupt.
Inhaltsverzeichnis
Leben und intellektuelle Entwicklung
Alexy wurde am 9. September 1945 in Oldenburg i.O. geboren. Nach dem Abitur leistete er drei Jahre Dienst in der Bundeswehr, das letzte Jahr als Leutnant. Im Sommersemester 1968 begann Alexy das Studium der Rechtswissenschaft und Philosophie an der Georg-August-Universität zu Göttingen. Seine akademischen Lehrer waren vor allem Günther Patzig im Fach Philosophie und der Rechtsphilosoph Ralf Dreier im Fach Rechtswissenschaft. Seither bilden Aristoteles, Immanuel Kant und Gottlob Frege das Fundament seiner philosophischen und rechtswissenschaftlichen Arbeiten. Unter den Rechtsphilosophen spielen Hans Kelsen, H.L.A. Hart, Gustav Radbruch und Alf Ross für Alexy eine besondere Rolle.
Nach der ersten juristischen Staatsprüfung im Jahre 1973 arbeitete Alexy bis 1976 an seiner Dissertation „Theorie der juristischen Argumentation“. 1982 erhielt er für diese 1978 erstmals im Druck erschienene Untersuchung den Preis der Philologisch-Historischen Klasse der Akademie der Wissenschaft zu Göttingen. 1976 nahm er den juristischen Vorbereitungsdienst auf, den er 1978 mit der zweiten juristischen Staatsprüfung abschloss. Danach war er bis 1984 Assistent bei Ralf Dreier am Lehrstuhl für Allgemeine Rechtstheorie in Göttingen. 1984 habilitierte er sich an der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen für die Fächer Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie. Das Thema seiner Habilitationsschrift lautet: „Theorie der Grundrechte“.
Es folgten Lehrstuhlvertretungen in Regensburg und Kiel. Nach Ablehnung eines Rufes an die Universität Regensburg nahm er 1986 den Ruf an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an. Im März 1991 lehnte er einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität zu Graz (Nachfolge Ota Weinberger) ab. Er war von 1994 bis 1998 Präsident der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie. 1992 erschien das Buch „Begriff und Geltung des Rechts“. 1997 erhielt er einen Ruf an die Georg-August-Universität zu Göttingen (Nachfolge Ralf Dreier), den er im Februar 1998 ablehnte. Er ist seit 2002 ordentliches Mitglied der Philologisch-Historischen Klasse der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 2008 verliehen ihm die Universitäten Alicante (Spanien), Buenos Aires (Argentinien) und Tucumán (Argentinien) die Ehrendoktorwürde. In den Jahren 2009 und 2010 folgten weitere Ehrendoktorwürden, verliehen von der Universität Antwerpen[1], der Universidad Nacional Mayor de San Marcos (Lima) und der Universidad Ricardo Palma (Lima). Robert Alexy ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Robert Alexy wurde am 13. April 2010 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Werk
Alexys rechtswissenschaftliches und rechtsphilosophisches Werk ist in sprachlicher und systematischer Hinsicht dem Klarheitspostulat der analytischen Philosophie verpflichtet und kreist im Wesentlichen um drei Themenschwerpunkte: Die theoretische Grundlegung und Analyse der juristischen Argumentation, die allgemeine Struktur von Grund- und Menschenrechten und um den Begriff des Rechts.
Theorie der juristischen Argumentation
Hauptthese seiner Dissertation „Theorie der juristischen Argumentation“ ist, dass der juristische Diskurs als Sonderfall des allgemeinen praktischen Diskurses anzusehen sei. Im ersten Teil der Arbeit stellt Alexy verschiedene Theorien des praktischen Diskurses dar. Erörtert werden unter anderem die sprachphilosophischen Grundlagen von Wittgenstein und Austin und die Konsensustheorie der Wahrheit von Habermas. Im zweiten Teil der Arbeit macht Alexy die daraus gewonnenen Erkenntnisse für die juristische Methodenlehre fruchtbar. Alexy postuliert, dass bei der juristischen Entscheidungsbegründung - zumindest gedanklich - zwischen interner und externer Rechtfertigung zu unterscheiden sei. Die interne Rechtfertigung entspreche dem Justizsyllogismus, habe also eine deduktive Struktur. Bedingung für die interne Rechtfertigung sei, dass zumindest eine Prämisse eine universelle Norm darstelle, nach Möglichkeit eine gesetzliche Norm sei und es sich um eine widerspruchsfreie Prämissenmenge handele. Die Begründung der Prämissen der internen Rechtfertigung finde in der externen Rechtfertigung statt.
Theorie der Grundrechte
Im Anschluss an die Unterscheidung des amerikanischen Rechtsphilosophen Ronald Dworkin zwischen Regeln und Prinzipien, lautet die Hauptthese von Alexys Habilitationsschrift „Theorie der Grundrechte“, dass Grundrechte als Prinzipien zu verstehen seien. Nach Alexy sind Prinzipien Normen, die gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird. Prinzipien seien Optimierungsgebote. Auf Grundlage dieser Prinzipienlehre ist Alexys Abwägungsgesetz zu verstehen, das im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Grundrechten eine entscheidende Rolle spielt: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.“ Daraus folgt wiederum das Kollisionsgesetz: „Die Bedingungen, unter denen das eine Prinzip dem anderen vorgeht, bilden den Tatbestand einer Regel, die die Rechtsfolge des vorgehenden Prinzips ausspricht.“
Begriff und Geltung des Rechts
Im Buch Begriff und Geltung des Rechts bekennt sich Alexy zum Nichtpositivimus. Er vertritt die Verbindungsthese, derzufolge der Begriff des Rechts so zu definieren ist, dass er moralische Elemente enthält. Hierbei beschränkt Alexy die moralischen Anforderungen an das Recht aus Gründen der begrifflichen Klarheit auf ein Minimum: Recht sind für Alexy somit
- alle ordnungsgemäß gesetzten,
- im großen und ganzen sozial wirksamen und
- nicht im Sinne der Radbruchschen Formel extrem ungerechten Normen.
Alexy begründet die Verbindungsthese mit dem Richtigkeitsargument (siehe hierzu den folgenden Absatz), dem Unrechtsargument (= Argumentation zugunsten der Unerträglichkeitsversion der Radbruchschen Formel) und dem an Ronald Dworkin und Alexys eigener Theorie der Grundrechte anschließenden Prinzipienargument (notwendige moralische Implikationen eines auch aus Prinzipien bestehenden Rechtssystems).
Die entscheidende Rolle in Alexys Argumentation kommt dem Richtigkeitsargument zu. Diesem zufolge erheben sowohl einzelne Rechtsnormen und einzelne rechtliche Entscheidungen als auch Rechtssysteme im ganzen begriffsnotwendig einen Anspruch auf Richtigkeit. Normensysteme, die diesen Anspruch nicht explizit oder implizit erheben, seien keine Rechtssysteme. Der erste Artikel einer Verfassung könne zum Beispiel nicht lauten:
- „X ist eine souveräne, föderale und ungerechte Republik.“
Ebenso wenig dürfe ein Richter ein Urteil folgenden Tenors verkünden:
- „Der Angeklagte wird, was eine falsche Interpretation des geltenden Rechts ist, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.“
Der oben angeführte fiktive „Verfassungsartikel“ und das zitierte „Urteil“ sind Alexy zufolge logisch fehlerhaft, da sie einen performativen Widerspruch beinhalten. Mit dem Konzept des performativen Widerspruchs bezieht sich Alexy auf Ideen des englischen Philosophen John Langshaw Austin und auf das von diesem kreierte Paradebeispiel einer performativ widersprüchlichen Aussage „The cat is on the mat, but I don't believe it is“ („Die Katze liegt auf der Matte, aber ich glaube es nicht“). Aus dem Richtigkeitsargument folge somit, dass in jedem Rechtssystem, das keine performativen Widersprüche einschließe, eine notwendige Verbindung zwischen Recht und „irgendeiner“ Form von Moral bestehe. Damit ist für Alexy ein begrifflich notwendiger Zusammenhang zwischen Recht und Moral dargetan.
Werke
Das wissenschaftliche Werk Robert Alexys umfasst mehr als 120 Veröffentlichungen, die in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurden. Eine vollständige Liste seiner Veröffentlichungen findet sich auf den Webseiten seines Lehrstuhls an der Universität Kiel. Hier die wichtigsten Arbeiten:
- Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, Frankfurt a.M. 1983 (Erstauflage 1978)
- Theorie der Grundrechte, Frankfurt a.M. 1994 (Erstauflage 1986) ISBN 3-518-28182-8
- Begriff und Geltung des Rechts. Freiburg und München 1992, ISBN 978-3-495-48063-2.
- Mauerschützen. Zum Verhältnis von Recht, Moral und Strafbarkeit. Hamburg 1993, ISBN 978-3-525-86282-7.
- Recht, Vernunft, Diskurs. Frankfurt a.M. 1995, ISBN 978-3-518-28767-5.
- Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu den Tötungen an der innerdeutschen Grenze vom 24. Oktober 1996. Hamburg 1997, ISBN 978-3-525-86293-3.
- Robert Alexy, Hans-Joachim Koch, Lothar Kuhlen, Helmut Rüßmann: Elemente einer juristischen Begründungslehre. Baden-Baden 2003, ISBN 978-3-7890-8397-6.
Schüler
Zu Alexys Schülern zählen Jan-Reinard Sieckmann (Universität Bamberg), Matthias Klatt (Universität Hamburg), Nils Jansen (Universität Münster), Mattias Kumm (New York University School of Law, Wissenschaftszentrum Berlin und Humboldt Universität), Martin Borowski (Senior Lecturer an der Birmingham Law School), Jochen Bittner (Zeit-Redakteur), und Virgilio Afonso da Silva (Universität São Paulo)[2].
Sekundärliteratur
- Peter Gril: Die Möglichkeit praktischer Erkenntnis aus Sicht der Diskurstheorie: eine Untersuchung zu Jürgen Habermas und Robert Alexy. Berlin 1998, ISBN 3-428-09259-7.
- Martin Borowski: Grundrechte als Prinzipien. Baden-Baden 2007 (2. Aufl.), ISBN 978-3832926250.
- Jan-Reinard Sieckmann: Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems. Baden-Baden 1990, ISBN 978-3789017384.
- Jan-Reinard Sieckmann (Hrsg.): Die Prinzipientheorie der Grundrechte. Studien zur Grundrechtstheorie Robert Alexys. Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-2620-5.
- George Pavlakos (Hrsg.): Law, Rights and Discourse. The Legal Philosophy of Robert Alexy. 2007, ISBN 978-1-84113-676-9.
- Carsten Bäcker: Begründen und Entscheiden: Kritik und Rekonstruktion der Alexyschen Diskurstheorie des Rechts. Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3574-0.
- Christian Dessau: Nationale Aspekte einer transnationalen Disziplin. Zur rechtskulturellen Einbettung der Rechtstheorie in Finnland, Schweden und Deutschland zwischen 1960 und 1990. Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12444-2.
Weblinks
- Literatur von und über Robert Alexy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Seite des Lehrstuhls von Robert Alexy
- Vortrag von Robert Alexy: Data und die Menschenrechte (PDF-Datei; 96 kB)
- Robert Alexy, Grundrechte, in: H.J. Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. 1, Hamburg 1999 (PDF-Datei; 50 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Personalmeldungen der CAU Kiel, Mai 2009
- ↑ Axel Tschentscher promovierte lediglich bei Alexy, habilitierte sich hingegen bei Horst Dreier und ist daher dessen Schüler. Dies ist unter anderem dem Vorwort seiner Habilitationsschrift zu entnehmen.
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