SNR-300

SNR-300

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Kernkraftwerk Kalkar
Das Kernkraftwerk Kalkar

Das Kernkraftwerk Kalkar

Lage
Kernkraftwerk Kalkar (Nordrhein-Westfalen)
DEC
Kernkraftwerk Kalkar
Koordinaten 51° 45′ 47″ N, 6° 19′ 37″ O51.7630566.3269447Koordinaten: 51° 45′ 47″ N, 6° 19′ 37″ O
Land: Deutschland
Daten
Eigentümer: Schneller Brüter Kernkraftwerksgesellschaft MBH
Betreiber: Schneller Brüter Kernkraftwerksgesellschaft MBH
Projektbeginn: 1970
Stilllegung: 20. März 1991

Bau eingestellt (Brutto):

1  (327 MW)

Planung eingestellt (Brutto):

1  (1500 MW)
Stand: 6. Juni 2008
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Kalkar (Kürzel KKW) sollte ein Kernkraftwerk in Kalkar am Niederrhein werden, das jedoch nie in Betrieb ging. Wegen sicherheitstechnischer und politischer Bedenken wurde das Projekt 1991 eingestellt. Durch die gewaltigen Kosten beim Bau und der anschließenden Bereithaltung für einen eventuellen späteren Betrieb wurde das Kraftwerk eine der größten Investitionsruinen Deutschlands.

Inhaltsverzeichnis

Eckdaten

  • Hersteller: Interatom GmbH
  • Kraftwerkstyp: SNR-300 (Brutreaktor; SNR steht für Schneller Natriumgekühlter Reaktor)
  • Leistung: 327 Megawatt
  • Baukosten: etwa 7 Milliarden DM (ca. 3,6 Milliarden Euro)

Die höchsten Teile der Anlage sind 93 Meter hoch. [1]

Geschichte

Motive

Der erste „schnelle“ Reaktor (gemeint ist die Geschwindigkeit der Neutronen) wurde 1946 in den USA als Neutronenquelle für die Forschung gebaut und trug den Namen Clementine. Es handelte sich dabei um eine Reaktortechnik, die sich grundlegend von den bis dahin gebauten graphitmoderierten Reaktoren unterschied. Ebenso wie diese kann ein Brutreaktor nicht nur das vergleichsweise seltene Uranisotop 235U verwenden, sondern auch das viel häufigere 238U in spaltbares Plutonium umwandeln, wobei er mehr Plutonium erbrütet als 235U verbraucht.

Der erste in industriellem Maßstab arbeitende Brutreaktor ging 1973 in Aktau (damals Schewtschenko), UdSSR, in Betrieb. Die Anlage mit der Typbezeichnung BN-350 lieferte 150 MW elektrischen Strom und 200 MW Prozesswärme zum Entsalzen von Meerwasser aus dem Kaspisee. Das erzeugte Plutonium wurde für das Atomwaffenprogramm der Sowjetunion und in anderen Atomkraftwerken verwendet.

Im Herbst 1972 beauftragten die Bundesrepublik Deutschland, Belgien und die Niederlande die Siemens-Tochter Interatom mit dem Bau eines zweiten Brutreaktors, was zu jener Zeit für Deutschland neu war, denn der erste deutsche Brutreaktor wurde erst in den Jahren 1971 bis 1974 in Karlsruhe gebaut. Dieser Reaktorkern trug den Namen KNK-I und wurde 1977 zu einem schnellen Brüter mit der Bezeichnung KNK-II umgerüstet. Da die Uranvorräte in Deutschland begrenzt sind, erhofften sich die Befürworter der Atomenergie, allen voran Brüter-Papst Prof. Wolf Häfele mit dem Bau eines Brutreaktors eine erheblich effizientere Ausnutzung dieser Vorräte, so dass Deutschland auf unabsehbare Zeit von Energieimporten für die Stromerzeugung unabhängig werden könnte.

Noch 1972 wurde mit dem Bau begonnen.

Bauphase

Baustelle September 1977
Die große Anti-Atomdemonstration 1977
BGS und Polizeischutz
Polizei bzw. BGS Leitstelle
Polizist

Gegen Ende der 1970er kam zunehmend Kritik an dem Kraftwerkbau auf. 1976 wurde Klaus Traube, Chef der Interatom mit 20-jähriger Karriere in der Atomindustrie, wegen Verdachts auf Informationsweitergabe an Atomkraftgegner und Sympathien für die RAF nach einer illegalen Abhöraktion des BND (siehe Fall Traube) entlassen und trat in offene Opposition zu dem Projekt und der Atomenergienutzung allgemein.

1977 gab es in Kalkar eine erste Demonstration, bei der 40.000 Menschen auf die Straße gingen. Das Polizeiaufgebot hierzu gilt als das größte in der Geschichte der Bundesrepublik.

Im Lichte der Havarie des Kernkraftwerks Three Mile Island in den USA im Jahre 1979, bei der der Reaktorkern teilweise schmolz, und der aufkeimenden Anti-Atomkraft-Bewegung wurden immer mehr Bedenken geäußert. So sagte der spätere Umweltminister des Saarlandes, Jo Leinen (SPD), dass man die Technologie irgendwann aus Rentabilitätsgründen auch exportieren müsse. Da man mit Plutonium, im Gegensatz zu dem schwach angereicherten Uran der herkömmlichen Reaktoren, auch Atombomben herstellen kann, würde man so Ländern den Zugang zu Atombomben verschaffen, die diesen bislang nicht hätten.

Neben diesem Einwand gab es aber vor allem Sicherheitsbedenken. Ein Reaktor dieses Typs sei schlechter kontrollierbar und berge hierdurch mehr Gefahren. Zudem verwendete man zur Kühlung flüssiges Natrium, das chemisch sehr aggressiv ist und mit Wasser heftig reagiert.

Die Gegner des Projekts reichten Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Enquête-Kommission des Bundestags erwirkte eine vierjährige Unterbrechung des Baus. Durch verschärfte Sicherheitsauflagen sollten die Bedenken ausgeräumt werden. Hierdurch wurde das Projekt allerdings auch immer teurer. 1969 sollte der Reaktor noch zum Festpreis von 500 Mio. Mark gebaut werden, bis 1972 war der Preis bereits auf 1,7 Milliarden Mark gestiegen. Nun kostete er insgesamt 7 Milliarden Mark, also mehr als das Vierfache.[2] 1978 schwenkte die Landesregierung Nordrhein-Westfalens, zu dieser Zeit eine Koalition aus SPD und FDP, auf einen Anti-Kernkraft-Kurs um. Man hielt die energiepolitischen Gründe für einen Einstieg in die Plutoniumwirtschaft nicht für ausreichend. In der Folge wurde die Teilerrichtungsgenehmigung durch den Wirtschaftsminister Horst Ludwig Riemer (FDP) blockiert. Dies löste eine Krise aus.

Die Proteste radikalisierten sich zu Beginn der 1980er-Jahre zunehmend.

Fertigstellung, Nichtinbetriebnahme und endgültiges Aus

Letztendlich wurde der Bau 1985 fertiggestellt. Das flüssige Natrium zirkulierte nun im Kühlkreislauf und musste mit elektrischen Heizelementen warm gehalten werden, um nicht zu erstarren. Der Reaktor war nun prinzipiell einsatzbereit. Ab sofort fielen pro Jahr 54 Millionen Euro (105 Mio.DM) Betriebskosten an [3].

Das Land Nordrhein-Westfalen verweigerte allerdings die Betriebsgenehmigung, gegen den Willen der damaligen Bundesregierung. Der für die Baugenehmigungen zuständige Sozial- und Arbeitsminister Friedhelm Farthmann hielt die Inbetriebnahme nicht für vertretbar, da die Risiken nicht kalkulierbar seien. Die vormaligen Errichtungsgenehmigungen seien daher auch nur unter Vorbehalt erteilt worden. Das Landeskabinett entschied vor der Landtagswahl 1985 inoffiziell, den Betrieb nie zu genehmigen. Daher durften die Brennelemente nicht in den Reaktorkern gebracht werden. Nach der Wahl schied Farthmann aus der Regierung aus, und die Zuständigkeit für Genehmigungen wurde an Reimut Jochimsen (SPD) vom Wirtschaftsministerium übertragen. Man blieb aber bei dem zuvor eingeschlagenen Kurs, die Reaktorinbetriebnahme auch gegen den Willen der Bundesregierung, zu der Zeit schwarz-gelb, zu verhindern. Es wurden die dem Land zur Verfügung stehenden Mittel genutzt: Jochimsen unterzog die Anträge langwierigen Prüfungen, die zwar formal korrekt waren, in der Realität aber das ganze Verfahren einfach so lange verschleppten, bis das politische Aus des Reaktors mehr oder weniger nicht mehr abwendbar war.

Auch die Stromversorger waren nicht mehr so sehr an einer Inbetriebnahme interessiert, da der Energieverbrauch in Westdeutschland langsamer gestiegen war, als sie ursprünglich erwartet hatten. Zudem waren auch die Uranvorräte größer als erwartet. Es gab also keinen zwingenden Grund, den Atommeiler schnell ans Netz zu bringen. Ursprünglich war der Bau eines zweiten Brüterreaktors nach erfolgreicher Inbetriebnahme des SNR-300 geplant gewesen. Der SNR-2 genannte Reaktor sollte eine Leistung von 1500 Megawatt erbringen.

Infolge der Katastrophe von Tschernobyl schlug die Stimmung endgültig gegen den Reaktor um. Da es im Fall einer Inbetriebnahme zur radioaktiven Kontamination von Anlagenteilen kommen würde, die im Fall einer vorzeitigen Außerbetriebnahme wie beim Hochtemperaturreaktor in Hamm eine Weiternutzung des Gebäudes ausschließen würde, verkündete Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber am 21. März 1991 das endgültige Aus für das Kraftwerk.

Das Megaprojekt war hierdurch zu einer der größten Investitionsruinen Deutschlands geworden.

Abbau der Anlage

Der Kühlturm als Kletterwand

Ein Abriss des Gebäudes hätte 75 Millionen Euro gekostet, was aus ökonomischen Gründen nicht in Frage kam. Man begann mit dem langsamen Verkauf der neuen und niemals genutzten Geräte und Maschinen.

Der von Nukem und Alkem gelieferte erste Reaktorkern, der nie benutzt wurde, befand sich bis 2005 in staatlicher Verwahrung in Hanau. Eigentümer des Kerns war die RWE Power AG, die jedoch keine Lizenz für den Umgang mit dem auf etwa 35 % Plutoniumanteil angereicherten Brennstoff hatte. Das Plutonium wurde in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich in sogenannte MOX-Brennelemente integriert, die in herkömmlichen Kernkraftwerken benutzt werden dürfen.

Nachnutzung des Gebäudes

Der Kühlturm des Kernkraftwerks

Das Gebäude selbst wurde per Zeitungsannonce angeboten. Letztendlich kaufte der niederländische Investor Hennie van der Most das Gelände und wandelte es in den Vergnügungspark Wunderland Kalkar (bis Anfang 2005 Kernwasser Wunderland genannt) um. Es gibt dort ein All-inclusive-Hotel mit 1000 Betten und Tagungsräume. Der Kaufpreis des Geländes samt Gebäude soll unsicheren Angaben zufolge 2,5 Millionen Euro betragen haben – ein verschwindend geringer Anteil des verbauten Sachwerts. Derzeit werden die Eisenteile des Kraftwerks ausgebaut und verwertet. Der Freizeitpark soll weiter expandieren. Eine Besichtigung des Hauptgebäudes ist seit 2003 aufgrund der Verwertung nicht mehr möglich.

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk sollte zwei Blöcke bekommen:

Reaktorblock Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Projekteinstellung (Baustopp)
Kalkar-1[4] SNR-300 295 MW 327 MW 23. April 1973 20. März 1991
Kalkar-2[5] SNR-2 1.380 MW 1.500 MW

Protestlieder

Im Rahmen der Proteste gegen den Bau und die Inbetriebnahme des Reaktors entstanden auch einige Protestlieder. Zur Symbolfigur wurde dabei der Bauer Maas aus Hönnepel: „Bauer Maas. Lieder gegen Atomenergie“, verschiedene Interpreten u. a. Walter Mossmann; LP (pass op Verlag) 1979

Einzelnachweise

  1. http://www.afsbw.de/content/downloads/Liste_LFH_2005.pdf
  2. Werner Meyer-Larsen: Der Koloß von Kalkar. Der Spiegel 43/1981 vom 19.10.1981, S. 42-55. [1]
  3. lt. Aushang im Brütermuseum in Kernie's Freizeitpark, Stellungnahme von 1990
  4. Kernkraftwerk Kalkar 1 auf der PRIS der IAEA
  5. Kernkraftwerk Kalkar 2 auf der PRIS der IAEA

Weblinks


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