Schirdewan

Schirdewan
Karl Schirdewan (links) erhält 1955 den Vaterländischen Verdienstorden in Gold

Karl Schirdewan (* 14. Mai 1907 in Königsberg; † 14. Juli 1998 in Potsdam) war ein Politiker in der DDR.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Sein leiblicher Vater ist unbekannt, seine Mutter Josephine Arentz überließ ihn der Breslauer Pflegefamilie Schirdewan. Er schloss 1923 die Mittelschule ab, seinen Wunschberuf Buchhändler konnte er nicht erlernen. Er ging zunächst in einer Getreidehandlung in die Lehre und arbeitete später als Laufbursche, Bürogehilfe und Transportarbeiter.

Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Schirdewan trat 1923 in den kommunistischen Jugendverband und 1925 in die KPD ein. Ende der Zwanziger Jahre wurde er Mitglied des Zentralkomitees (ZK) des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland und Bezirksvorsitzender in Schlesien. Mit der Leitung des Verlags Junge Garde übernahm er 1931 erstmals eine hauptamtliche Funktion innerhalb der Parteiorganisation.

Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 musste er in den Untergrund gehen. 1934 wurde er verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüßung dieser Strafe wurde er in KZ-Haft (KZ Sachsenhausen und KZ Flossenbürg) genommen und kam erst mit Kriegsende 1945 wieder frei.

Nachkriegskarriere

Rede Schirdewans zum Jahrestag der Oktoberrevolution im Friedrichstadtpalast in Berlin, 6. November 1953

Nach Kriegsende war Schirdewan kurzzeitig für die KPD in Bayern tätig, wechselte aber noch 1945 in die Parteizentrale nach Berlin. In der SBZ stieg er 1945 ins ZK der KPD auf, nach dem Zusammenschluss mit der SPD zur SED arbeitete er im dortigen ZK. Schirdewan wurde 1947 Leiter einer Arbeitsgruppe zum „Studium der illegalen Parteigeschichte“ und 1949 Leiter der Westkommission beim Parteivorstand der SED. Ab 1952 war er Erster Sekretär der SED-Landesführung in Sachsen, anschließend Bezirkssekretär in Leipzig. Ab 1953 war er Mitglied des Politbüros. Dort nahm er verschiedene Sonderfunktionen wahr, so als ZK-Sekretär für Kaderfragen (1953–1958) und Mitglied der Sicherheitskommission (1954–1957). Die fünfziger Jahre waren der Höhepunkt von Karl Schirdewans politischer Karriere, er galt damals als Zweiter Mann nach Walter Ulbricht.

Sturz

Trotz dieser hohen Position stand Schirdewan Ulbricht kritisch – laut zeitgenössischen Berichten sogar mit regelrechtem Hass – gegenüber. Nach eigener Aussage wurden seiner Meinung nach aus dem Aufstand am 17. Juni 1953 nicht die notwendigen Lehren gezogen. Nach dem Tode Stalins 1953 und der einsetzenden Entstalinisierung erhoffte sich Schirdewan in der DDR ebenfalls eine kritische Auseinandersetzung mit der Stalin-Ära, was aber von Ulbricht unterdrückt wurde. Außerdem trat er für die Option eines vereinigten Deutschlands ein. Innerhalb der SED konnte er sich mit diesen Vorstellungen nicht durchsetzen. Ihm wurde vorgeworfen, die Deutsche Frage zu einseitig zu beurteilen, der Parteilinie nicht ausreichend zu folgen und die Vorgänge in Ungarn 1956 zu verharmlosen. Zusammen mit seinem Mitstreiter Ernst Wollweber verlor er nach der 35. Tagung des ZK der SED im Februar 1958 seine Posten. Anschließend wurde er als Leiter der Staatlichen Archivverwaltung Potsdam strafversetzt. Diese Stellung behielt er bis zu seiner Ablösung durch Walter Hochmuth 1965. Karl Schirdewan wurde 1990 von der PDS rehabilitiert.

Literatur

  • Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin: Karl Dietz Verlag 2004, S. 661-662 ISBN 3-320-02044-7

Weblinks


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