Ernst Wollweber

Ernst Wollweber
Ernst Wollweber (1950)

Ernst Wollweber (* 18. Oktober 1898 in Hannoversch Münden; † 3. Mai 1967 in Ost-Berlin) war ein deutscher Politiker. Von 1953 bis 1957 leitete er das Staatssekretariat bzw. das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR (MfS).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn eines Tischlers geboren, heuerte Wollweber nach der Volksschule mit 15 Jahren bei Flößern auf der Weser als Schiffsjunge an. Von 1916 bis 1918 diente er in der U-Boot-Abteilung der Kaiserlichen Marine.

Weimarer Republik

Während der Novemberrevolution nahm Wollweber am Kieler Matrosenaufstand teil, wurde Vorsitzender des Soldatenrates des U-Bootkreuzerverbandes und als solcher Mitglied des Kieler Gesamtsoldatenrates. 1919 trat er in die KPD ein. Er nahm an den Märzkämpfen in Mitteldeutschland 1921 teil, wurde politischer Sekretär des KPD-Bezirks Hessen-Waldeck und Mitglied des Zentralausschusses der KPD. 1922 besuchte er die Reichsparteischule der KPD und leitete ab Juli 1923 die KPD-Militärorganisation von Hessen-Waldeck und Thüringen. Er besuchte die Erste Militärschule in Moskau und wurde Verbindungsmann zur Sabotageabteilung der Roten Armee.

1924 wurde Wollweber wegen seiner Teilnahme am Matrosenaufstand und den Märzkämpfen wegen Hochverrats angeklagt und bis 1926 inhaftiert. Von 1928 bis 1932 war Wollweber Mitglied des preußischen Landtages und danach, ab November 1932 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933, Mitglied des Reichstages. Seit 1932 war er Reichsleiter des „Einheitsverbands der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer“ in Hamburg, ebenso seit 1932 Leiter der Org.-Abteilung des Zentralkomitees der KPD und Mitglied des Sekretariats des Exekutivkomitees der International Union of Seamen and Harbour Workers (ISH), ab 1933 Sekretär der ISH in Kopenhagen.

Zweiter Weltkrieg

Ab 1936 beteiligte er sich am Aufbau eines Apparates (Wollweber-Organisation) zur weltweiten Sabotage der Marine der faschistischen Staaten. Die Sabotageaktionen fanden v.a. in Skandinavien statt. Im spanischen Bürgerkrieg organisierte Wollweber 1937 Waffenlieferungen für die republikanische Regierung, wurde jedoch im Mai 1940 in Schweden verhaftet. Um seiner Auslieferung an das Deutsche Reich zu entgehen, wurde er zu drei weiteren Jahren Haft verurteilt. Nach Erhalt der sowjetischen Staatsbürgerschaft 1944 beantragte er seine Ausreise. Er hielt sich zur Kur in Kislowodsk und danach in Moskau auf.

DDR

Wollweber kehrte im März 1946 nach Deutschland in die Sowjetische Besatzungszone zurück und wurde im Mai desselben Jahres Mitglied der neu gegründeten SED. 1947 stieg Wollweber zum Leiter der Generaldirektion Schifffahrt auf, dessen Stellvertreter er zuvor war. Gerüchten zufolge soll er zwischen 1950 und 1953 als Staatssekretär im Verkehrsministerium im Auftrag der Sowjetunion die Wollweber-Organisation neu aufgebaut haben.[1]

Im Juli 1953 übernahm Wollweber im Range eines Staatssekretärs die Leitung des MfS und richtete sein Hauptaugenmerk auf westliche Geheimdienste, vor allem die Organisation Gehlen[2]. In zahlreichen Reden[3] stellte er Erfolge beim Enttarnen und Verurteilen vermeintlicher Spione heraus, nicht zuletzt, um das Staatssekretariat wieder zum Ministerium aufgewertet zu sehen. Sein Vorgänger Wilhelm Zaisser hatte vergeblich versucht, den diktatorisch regierenden ZK-Vorsitzenden Walter Ulbricht zu entmachten und den 1952 beschlossenen Aufbau des Sozialismus zu stoppen, der am 17. Juni 1953 zum Aufstand geführt hatte. Dafür war er gestürzt worden, und weil seine Behörde den Aufstand weder vereitelt noch auch nur vorhergesehen hatte, wurde das MfS für zwei Jahre zu einem Staatssekretariat herabgestuft. 1954 erhielt Wollweber den im selben Jahr gestifteten Vaterländischen Verdienstorden der DDR. Von 1954 bis 1958 war er außerdem Mitglied der Volkskammer und des Zentralkomitees der SED. Wollweber erklärte am 31. Oktober 1957 „krankheitsbedingt auf eigenen Wunsch“ seinen Rücktritt. Nachfolger wurde sein Stellvertreter Erich Mielke.

Grab von Ernst Wollweber

Im Januar 1958 wurde gegen ihn ein Verfahren wegen „Verstößen gegen das Parteienstatut“ eingeleitet, weiterhin wurde er zusammen mit Karl Schirdewan wegen „Fraktionstätigkeit“ aus dem ZK der SED ausgeschlossen. Er erhielt eine „strenge Parteirüge“ und musste sein Mandat für die Volkskammer niederlegen, er lebte seitdem zurückgezogen als Rentner und Memoirenschreiber am Obersee in Alt-Hohenschönhausen/Ost-Berlin. Sein Tod am 3. Mai 1967 fand in der DDR nur wenig öffentliche Beachtung, doch wurde seine Urne in der Grabanlage „Pergolenweg“ der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt.

Literatur

  • Vom Höllenmaschinisten zum Staatssekretär, Köln 1953.
  • Jan v. Flocken, Michael F. Scholz: Ernst Wollweber. Saboteur – Minister – Unperson. Berlin: Aufbau-Verlag, 1994. ISBN 3-351-02419-3
  • Jan Valtin: Tagebuch der Hölle. Aus dem amerikanischen von Werner Krauss. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1957 (heute als Lizenzausgabe in Komet MA-Service und Verlagsgesellschaft mbH, Frechen). In den USA bereits 1941 als Out of the Night veröffentlicht. Valtin schildert sein Leben, dabei auch seinen GPU-Vorgesetzten Ernst Wollweber.
  • Martin A. Lee: The Beast Reawakens. New York: Little, Brown and Company, 1997. ISBN 0-316-51959-6
  • Ronald Payne, Christopher Dobson: Who's Who in Espionage. New York: St. Martin's Press, 1984. ISBN 0-312-87432-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The net that covers the world. Central Intelligence Agency, 30. Mai 1974, abgerufen am 29. November 2010.
  2. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen schreibt in seinem 1971 erschienen Buch Der Dienst über Wollweber: "Als international berüchtigter Berufsrevolutionär und Sabotage-Experte gehörte Wollweber bis zu seinem bitteren Ende zweifellos zu den farbigsten und skrupellosesten Figuren in der Spitze des Ulbricht-Regimes. Weder sein Vorgänger Wilhem Zaisser, der sich auf seinen Einsatz auf rotspanischer Seite berufen konnte, noch sein Nachfolger Erich Mielke vermochten Wollweber diesen Ruf streitig machen. Gegen ihn blieb selbst der heute noch amtierende General Mielke, der sich noch immer rühmt, die Polizeihauptleute Anlauf und Lenk auf dem Berliner Bülowplatz eigenhändig erschossen zu haben, ein Mann der zweiten Garnitur."
  3. Archivradio, Originalton Wollweber über Industriespionage im Osten

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