Schlüchtern-Tunnel

Schlüchtern-Tunnel
Schlüchterner Tunnel
Nutzung Eisenbahntunnel
Verkehrsverbindung Kinzigtalbahn (zweigleisig)
Ort Landrücken
Länge 3.575 m
Anzahl der Röhren 1
Bau
Bauherr Frankfurt-Bebraer Eisenbahn
Baubeginn 1909
Fertigstellung 1914
Betrieb
Betreiber DB Netz
Freigabe 1. Mai 1914
Tunnels im Landrücken: Schlüchterner Tunnel (rot) und Landrückentunnel (schwarz)
p2

Der Schlüchterner Tunnel (auch Distelrasen-Tunnel) ist ein Eisenbahntunnel an der Kinzigtalbahn (Frankfurt am MainFulda). Er unterquert den hessischen Distelrasen, einen Ausläufer des Landrücken, zwischen Flieden und Schlüchtern und trägt daher seinen Namen. Mit einer Länge von 3575 m ist die 1914 eröffnete Röhre der zweitlängste Tunnel im Altnetz (ohne Neubaustrecken) der Deutschen Bahn[1].

Nur wenige Kilometer östlich quert der Landrückentunnel der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg – mit 10.779 m der längste Tunnel in Deutschland – dasselbe Mittelgebirge.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Der Tunnel durchquert den Landrücken, über den die Rhein-Weser-Wasserscheide verläuft, am so genannten Distelrasen nördlich von Schlüchtern. Etwa parallel dazu verläuft die A 66, deren Streckenführung aber ohne einen Tunnel auskommt.

Geschichte

Beim Bau der Frankfurt-Bebraer Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts stellte sich die Herausforderung, den Landrücken zu überqueren. Da der Bau eines vier Kilometer langen Tunnels zum damaligen Zeitpunkt noch nicht möglich war, wurde der Höhenzug mit einer Spitzkehre überquert, die im Betriebsbahnhof Elm mündete. Die Anlage wurde 1868 in Betrieb genommen. Dort musste bei zwischen Fulda und Hanau verkehrenden Zügen die Lokomotive umgesetzt werden. Am spitzen Ende der Kehre wurde 1879 die Strecke nach Gemünden angeschlossen.

Aufgrund dieser betrieblich unbefriedigenden Situation wurde 1909 mit dem Bau eines Tunnels bei Schlüchtern begonnen, um die Strecke abzukürzen. Da inzwischen Dynamit zum Vortrieb von Tunneln zur Verfügung stand, hatte sich der Tunnelbau drastisch vereinfacht. Der Schlüchterner Tunnel wurde am 1. Mai 1914 in Betrieb genommen. Das Bauwerk wurde mit Streifenfundamenten gemauert.

Durch den bestehenden Tunnel verkehren heute etwa 260 Personen- und Güterzüge pro Tag.[2]

Tunnelerweiterung

Neuer Schlüchterner Tunnel
Neuer Schlüchterner Tunnel
Baustelle neuer Distelrasentunnel. Im Berg rechts alter Tunnel, links davon Oberkante neuer Tunneleingang
Nutzung Eisenbahntunnel
Verkehrsverbindung Kinzigtalbahn (eingleisig)
Ort Landrücken
Länge 3.995 m
Anzahl der Röhren 1
Größte Überdeckung bis ca. 70 mdep1
Bau
Baukosten mehr als 200 Mio. Euro[3]
Baubeginn 10. März 2007
Fertigstellung 2009 (geplant)
p2

Nachdem das Mauerwerk der bestehenden Tunnelröhre zunehmend ermüdet und stetige Sanierungen erforderlich macht, wurde eine Grundsanierung des Tunnels absehbar. Die Planungen für einen Neubau wurden in den späten 1980er Jahren aufgenommen. Die DB Netz AG hat Mitte August 2005 einen Bauauftrag für den Neubau einer parallelen Zusatzröhre neben der jetzigen zweigleisigen Röhre vergeben.

Lage

Der Neubau der 3995 m langen Tunnelröhre erfolgt in westlicher Parallellage in einem Abstand von 50 bis 90 Metern zum bestehenden Tunnel.[4] Der Tunnel steigt zum Nordostportal hin in einer konstanten Gradiente von 7 Promille, von rund 280 m (Südportal) auf rund 310 m (Nordportal) an. Die Trasse verläuft dabei völlig gerade.

Die neue Röhre wird mit dem bestehenden Tunnel über drei Querschläge von 61 m (bei Km 79,173), 74 m (80,173) und 88 m Länge (bei Km 80,173) verbunden. Die Querschläge werden in einem Spreng- und Baggervortrieb hergestellt. Im Moment (Stand: November 2008) ist der mittlere bis zur bestehenden Röhre durchgeschlagen, die beiden anderen sind in der neuen Röhre angelegt und werden im Zuge der Sanierungsarbeiten an der alten Röhre durchgeschlagen. Die unterschiedlichen Längen der Querschläge ergeben sich aus der leicht kurvigen Trasse der bestehenden Röhre. In der ursprünglichen Ausschreibung waren sieben Querschläge vorgesehen.

Das Südportal der neuen Röhre liegt beim Streckenkilometer 78,1735, das geplante Nordportal bei Km 82,1685. Die Röhre unterquert in ihrem Verlauf unter anderem den Autohof Schlüchtern (Km 79,710 bis 80,240) sowie die Bundesautobahn 66 und die Bundesstraße 40 (Km zwischen 81,060 und 81,310).

Die maximale Überdeckung liegt bei rund 70 m und wird unterhalb eines Autohofs erreicht.

Planung

Distelrasentunnel, Tunnelbohrmaschine: Blick von hinten auf das Vortriebsschild

Bereits am 31. März 1998 war ein erster Planfeststellungsbeschluss erlassen worden, der zum 30. Juli 2003 entsprechend der neuen Tunnelrichtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes[5] abgeändert wurde[4].

Die Bauleistungen wurden im April 2005 ausgeschrieben und im August 2005 vergeben. Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf mehr als 200 Millionen Euro[3]. Noch Anfang 2007 wurde mit Kosten von 180 Millionen Euro gerechnet.[2]

Bau

Um die Einwohner der Region Schlüchtern weitgehend vom Baustellenverkehr zu entlasten, wurden zunächst an der A 66 zwei provisorische Anschlussstellen errichtet.

Der Vortrieb der zweiten Röhre begann am 30. März 2007[2] und erfolgt mittels einer Tunnelbohrmaschine mit einem Durchmesser von 10,24 m. Beim Tunnelvortrieb und beim Aushub seiner Zufahrten werden insgesamt 150.000 m³ Boden bewegt und 330.000 m³ Fels und Gestein ausgebrochen.[2] Die Patenschaft übernahm Christiane Rhiel, Ehefrau des ehemaligen hessischen Verkehrsministers Alois Rhiel.[4]

Mit dem Durchbruch wurde, bei Vortriebsbeginn, im April oder Mai 2008 gerechnet. In der frühen Vortriebsphase sackte die Maschine um 30 cm ab. Um Änderungen an der Gradiente im Endzustand zu vermeiden, ist eine Sanierung in diesem Abschnitt vor Fertigstellung der Baumaßnahmen geplant.

Nach 2.965 m, unterhalb der A 66 (Streckenkilometer 81,165) wurde der Vortrieb Ende Februar außerplanmäßig unterbrochen, nachdem die Mineure auf unerwartet hohe Wasservorkommen gestoßen waren. Während ein vorübergehender Zufluss von zwei Litern Wasser pro Sekunde an dieser Stelle erwartet worden war, kam es zu einem andauernden Zufluss der vierfachen Menge. Untersuchungen ergaben bis beinahe zur Geländeoberkante anstehendes Grundwasser. Durch 37 Brunnen soll der Grundwasserpegel abgesenkt werden, bevor der Vortrieb wieder aufgenommen werden soll. Bis Ende Mai 2008 sollte der Vortrieb im kritischen Bereich abgeschlossen und die Brunnen zurückgebaut worden sein.[6] Durch das Abpumpen von Grundwasser zwischen Tunnel und Autobahn setzte sich Ende Mai 2008 eine Fahrbahn der A 66, wodurch ein Loch in der Fahrbahndecke entstand.[7] Der Vortrieb wurde am 3. November 2008 wieder aufgenommen. Die Unterfahrung der Autobahn auf einer Länge von 120 m Länge erfolgte, nun stabilisiert durch Grundwasserabsenkungen und Betoninjektionen.[8] Der vor der Autobahn liegende, kritischste Abschnitte, wurde am 20. November 2008 durchfahren.[9] Die Wiederherstellung der beschädigten Autobahn-Fahrbahn soll 2009 erfolgen.[9]

Der Vortrieb stand Anfang Dezember 2008 bei 3.220 m, rund 700 m waren noch vorzutreiben.[9] Am 3. März 2009 erreichte die Tunnelbohrmaschine mit dem Ostportal das Ende des Vortriebs. Nach der eisenbahntechnischen Ausrüstung des Rohbaus soll der Zugverkehr ab November 2009 über die neue Röhre laufen.[3] Anschließend soll die alte Röhre gesperrt, saniert und neuen Sicherheitsbestimmungen angepasst werden. Ab 2011 wird die Streckenführung jeweils eingleisig durch beide Röhren erfolgen und die restliche Fläche für Rettungswege verwendet. Das Gesamtvorhaben soll 2013 abgeschlossen sein.[4][10]

Neben dem Tunnel entstehen beidseitig mehrere hundert Meter lange Anbindungen an die Strecke (jeweils in Bogenlage) sowie vier Brücken.

Für die Umstellung wird es für einen Zeitraum von 11 Wochen zu einem eingleisigen Betrieb kommen, der umfangreiche, weiträumige Umleitungen zur Folge hat, aber in den entsprechenden Jahresfahrplan eingearbeitet werden wird. Während des zweigleisigen Betriebs in der neuen Röhre wird, aufgrund der beengten Verhältnisse, eine Langsamfahrstelle eingerichtet werden.

Bautechnik

Die Tunnelröhre wird mit Tübbings ausgekleidet. Acht Steine und ein Schlussstein bilden einen Ring von rund 45 cm Wandstärke. Der Außendurchmesser der Ringe liegt bei 9,90 m, der Innendurchmesser bei 9,00 m. Der Ringspalt (17 cm) zwischen Tunnelaußenseite und Ausbruchsquerschnitt (10,24 m Durchmesser) wird mit rund 5,5 m³ Mörtel je Laufmeter hinterfüllt.

Die Tübbings werden in Neumarkt in der Oberpfalz produziert und per Bahn zu einer nahe gelegenen Verladestation transportiert, wo sie auf Lkw verladen und zur Baustelle transportiert werden.

Geologie

Die 110 m lange und 1.630 t schwere Tunnelvortriebsmaschine durchfährt auf rund 35 % der Strecke Schichten des Oberen Buntsandsteins, zu rund 50 % Schichten des Mittleren Buntsandsteins und zu rund 15 % Tertiär.

Im Bereich des Südportals sowie in seiner nördlichen Hälfte liegt der Tunnel unter dem Grundwasser.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zweitlängster Tunnel bekommt eine neue Röhre. In: DB Welt, Ausgabe Mai 2007, S. 10
  2. a b c d Baubeginn für Bahntunnel an ICE-Strecke Frankfurt-Fulda Presseinformation auf pr-inside.com vom 30. März 2007
  3. a b c Deutsche Bahn AG: Durchschlag am Neuen Schlüchterner Tunnel. Presseinformation vom 3. März 2009
  4. a b c d Anschlagfeier Schlüchterner Tunnel Informationen auf den Seiten des Eisenbahn-Bundesamtes
  5. Richtlinie Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und Betrieb von Eisenbahntunneln mit Stand vom 1. November 2001
  6. Deutsche Bahn AG: Brunnenbohrungen an der A66: Neubau des Schlüchterner Tunnels nimmt wieder Fahrt auf. Presseinformation vom 24. April 2008
  7. A 66 soll bis Weihnachten frei befahrbar sein. In: Fuldaer Zeitung, 24. Oktober 2008
  8. Deutsche Bahn AG: Neubau des Schlüchterner Tunnels fortgesetzt. Presseinformation vom 4. November 2008
  9. a b c Bohrer im Distelrasen-Tunnel wieder in Betrieb. In: Fuldaer Zeitung, 7. Dezember 2008
  10. Schlüchterner Tunnel: Feste Fahrbahn Getrac A3. Eurailpress, 20. August 2008 (abgerufen am 22. August 2008)

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