- Schwingungstilger
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Als Schwingungstilger (auch kurz Tilger oder Tilgerpendel) werden besondere Arten von Schwingungsdämpfern bezeichnet. Schwingungstilger sind nicht zwischen zwei Objekten befestigt, sondern nur an einem. Die Verbindung zum Objekt ist so weich ausgelegt, dass die Masse des Tilgers den Bewegungen des Objekts mit einer gewissen Verzögerung folgt. Bei einer Schwingung des Objekts wird die Verbindung gestreckt und gestaucht. Der damit einher gehende Energieverbrauch wird der Schwingung entzogen und wirkt damit dämpfend.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsprinzip
Der Begriff „Gegenschwingmasse“ deutet am besten die Funktionsweise an, weil sich der Tilger immer gegenphasig zur Erregungsschwingung bewegt.
Die Tilgermasse bildet zusammen mit einer eigenen Tilgerfeder ein Pendel, dessen Eigenfrequenz in einem bestimmten Verhältnis zu der zu eliminierenden Schwingfrequenz (beispielsweise des Gebäudes) eingestellt wird. Bei dieser optimierten Frequenz kann der Tilger große Auslenkungen ausführen - die Kräfte am Federansatzpunkt (= Befestigungspunkt mit der zu beruhigenden Struktur) werden daher ebenfalls groß. Der Schwingungstilger entzieht bei dieser Frequenz der Struktur Schwingungsenergie für seine eigenen Schwingbewegungen.
Ganz analog für den Spezialfall von Drehschwingungen arbeiten Zweimassenschwungräder.
Durch die Kopplung der beiden schwingungsfähigen Gebilde entstehen allerdings unter- und oberhalb der Tilger-Eigenfrequenz neue Eigenfrequenzen, die aus der Kombination der Struktur mit dem Tilger entstehen. Bei diesen beiden Frequenzen ergibt sich für die Struktur prinzipbedingt eine Verschlechterung der Situation (stärkere Schwingungen).
In wenigen einfachen Fällen lassen sich Tilger mittels einfacher Überschlagsformeln dimensionieren. Sobald jedoch die Anregung nicht monofrequent, sondern breitbandig und nicht harmonisch, sondern transient vorkommt, werden genauere Untersuchungen erforderlich, um das Optimum an Dämpfung zu ermitteln. Diese ist oft adaptiv, d. h. sie kann sich automatisch an die Bedingungen anpassen.
Daneben gibt es aktive Hydraulik-Systeme an Tilgerpendeln, die in der Lage sind, die Schwingungen des Gebäudes auf Null zu bringen.
Zu unterscheiden sind:
- gewöhnliche (passive) Tilger,
- aktiv gesteuerte Tilger und
- semiaktive Schwingungstilger, bei welchen die im Bedarfsfall benötigte Energie üblicherweise in Form einer vorgespannten Feder gespeichert ist (Blockierung und Auslösung erst oberhalb eines bestimmten Schwellwertes)
Anwendungen
Bauwerke
Tilgerpendel dienen dazu, die insbesondere von Wind, aber auch von Erdbeben und menschlichen Einflüssen erzeugten Gebäudeschwingungen aufzufangen. Klassische Anwendungsfälle sind z. B. Fußgängerbrücken, Brückenpylone, Stahlschornsteine oder weitgespannte (Stahl-)Treppen oder an Maschinen zur Lärmverringerung.
Gebäude, die im Einzugsbereich von Industrieerschütterungen oder in Erdbebengebieten liegen, werden auf diese Weise ausgerüstet. Am bekanntesten sind die in hohen Gebäuden verwendeten Tilgerpendel, die ein Aufschaukeln der durch Wind verursachten Gebäudeschwingungen verhindern. Grund für deren Einsatz ist nicht nur die Gebäudesicherheit, sondern auch der Komfort.
Beispiele für Bauwerke mit Schwingungstilgern:
- Akashi-Kaikyō-Brücke, Japan, Tilger in den Brückenpylonen
- Berliner Fernsehturm, Berlin, in der Turmspitze aufgehängtes 1,5 t Tilgerpendel
- Burj al Arab, Dubai, 11 Schwingungstilger im Gebäude
- Comcast Center, Philadelphia, weltgrößter wassergefüllter Tilger (1300 t Gewicht; über 1200 m³ Wasser)
- Millennium Bridge, London, 58 Schwingungstilger in der Brückenstruktur
- Taipei 101, Taipei, 660 t-Tilgerpendel gegen Wind; zwei 4,5 t-Tilgerpendel gegen Ermüdung[1]
- Sendemasten von DHO38, Schwingungstilger gegen windinduzierte Schwingungen, mit Granulat gefüllte zylinderförmige Verdickungen
Freileitungen
An elektrischen Freileitungen werden Stockbridge-Schwingungstilger eingesetzt, um Schwingungen zu dämpfen, die durch den Wind angeregt werden.
Verbrennungsmotoren
Die durch die Gas- und Massenkräfte in der Kurbelwelle angeregten Schwingungen werden über den Einsatz eines Kurbelwellenschwingungsdämpfers reduziert.
Literatur
- Christian Petersen: Schwingungsdämpfer im Ingenieurbau. 1 Auflage. Maurer Söhne, München 2001, ISBN 3-00-008059-7 (Inhaltsverzeichnis).
Einzelnachweise
- ↑ Taipei 101. www.motioneering.ca, abgerufen am 8. April 2011 (PDF, englisch).
Weblinks
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