Selbstmörderfriedhof

Selbstmörderfriedhof

Der Berliner Friedhof Grunewald-Forst befindet sich im Jagen 135 des Grunewaldes am Schildhornweg und ist einer der idyllischsten Friedhöfe Berlins. Er wird, historisch bedingt, auch der „Friedhof der Namenlosen“ oder „Der Selbstmörderfriedhof“ genannt.

Eingangsportal des Friedhofes Grunewald-Forst

Inhaltsverzeichnis

Anlage als Selbstmörderfriedhof

Die Havel macht unweit des Friedhofs einen Knick, mit der Folge, dass hin und wieder Wasserleichen an dieser Stelle ans Ufer getrieben werden. Unter den Ertrunkenen sind manchmal auch Selbstmörder. Deren Beerdigung machte in alter Zeit und auch noch im 19. Jahrhundert Probleme, da die christlichen Kirchen diesen "Todsündern" die Beerdigung auf ihren Friedhöfen verweigerten. Da sie keiner aufnehmen wollte, blieb das Problem an der Forstverwaltung haften.

Sie beschloss 1878/79, die unerwünschten Toten nahe am Fundort an einer Waldlichtung zu bestatten. Vom 22. Januar 1900 stammt die älteste erhaltene Eintragung, die über die Beerdigung eines 22-jährigen Schlossergesellen berichtet. Das sprach sich herum und führte dazu, dass sich Angehörige von Selbstmördern auch aus der weiteren Umgebung an den Oberförster wandten oder ihre Toten kurzerhand selbst im Wald begruben. Auch einige Selbstmörder, die ihrer Familie zum Kummer und zur Schande nicht auch noch eine Odyssee durch ungnädige Friedhofsverwaltungen zumuten wollten, wählten daraufhin die Friedhofsnähe als Ort ihres Abschieds.

1911 wurde eine einfache, aus Backsteinen errichtete, Leichenhalle mit rechteckiger Grundfläche auf dem Gelände gebaut, die heute jedoch nicht mehr vorhanden ist. Zum Ende des ersten Weltkriegs wurden hier auch Opfer des Krieges beerdigt, darunter Soldaten, Zivilisten und einige russische Kriegsgefangene. Die fünf hölzernen Andreaskreuze mit kyrillischen Inschriften erinnern an die Beerdigung von fünf zarentreuen Russen, die sich aus Kummer über den Sieg der Bolschewiki selbst getötet hatten und dann aus der Havel gefischt worden waren.

Städtischer Friedhof

Nach der Bildung Groß-Berlins 1920 gehörte der Grunewald und damit auch der "wilde" Begräbnisplatz der Stadt Berlin. Sie sorgte dafür, dass jeder Bezirk einen eigenen kirchenunabhängigen Friedhof betrieb. Auf diese Weise war das Problem der Leichenbeseitigung gelöst.

Ehrengrab des Oberförsters Willi Schulz

Der Friedhof Grunewald-Forst wurde noch bis 1927 als Selbstmörderfriedhof genutzt.1928/29 bekam er eine feste Mauer, die das 4.980 m2 große Areal eingrenzte, sowie ein steinernes Eingangstor mit Eisenflügeln, die von Richard Thieme angelegt wurden. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Anlage gepflegt und auch für „normale“ Sterbliche attraktiv gemacht.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Zivilisten, die noch in den letzten Kriegstagen 1945 ums Leben gekommen und provisorisch in Berliner Parks begraben worden waren, auf diesen Friedhof umgebettet. Sie liegen in über 60 Einzel- und einem Sammelgrab auf dem Gelände.

Dem Berliner Gräberforscher und Ehrenbürger Willi Wohlberedt, der sich wie kein zweiter auf den 250 Friedhöfen im Berliner Raum auskannte, gefiel dieser versteckte Platz mit seinem Vogelgezwitscher am besten. Er ließ sich hier lange vor seinem Tod eine Grabstätte reservieren und belegt heute ein Ehrengrab. Das zweite Ehrengrab des Friedhofs ist dem ehemaligen Oberförster des Grunewalds, Willi Schulz (1881-1928), gewidmet. Weitere bekannte Persönlichkeiten sind der Schriftsteller Clemens Laar, der 1960 Suizid beging, sowie die ehemalige Sängerin „Nico“ der Rockband The Velvet Underground.

Das Land Berlin erwägt derzeit, keine neuen Beerdigungen zuzulassen, den Friedhof in 50 Jahren zu entwidmen und ihn dann an die Natur zurückzugeben.

Grabmal von Nico und ihrer Mutter

Grabstätten bekannter Persönlichkeiten

  • Minna Braun (1896-1922), Krankenschwester. Ihrem Scheintod 1919 folgte eine Wiederbelebung der alten Debatte zum Thema: „Wie vermeidet man es lebendig begraben zu werden?“
  • Willi Schulz, (1881-1928), Oberförster im Grunewald, Ehrengrab
  • Willi Wohlberedt (1878-1950), Heimatforscher, Ehrengrab
  • Clemens Laar (1906-1960), Schriftsteller („...reitet für Deutschland“)
  • Harald Sawade, (1914-1967), Schauspieler
  • Immanuel Meyer-Pyritz (1902-1974), Maler
  • Christa Päffgen (1938-1988), genannt „Nico“, Fotomodell und Sängerin der Rockband The Velvet Underground
  • Götz Clarén (1928-1997), Rundfunksprecher, Synchronsprecher

Literatur

  • Klaus Hammer: Friedhofsführer Berlin. Jaron Verlag GmbH 2001, ISBN 3-89773-081-2
  • Klaus Konrad Weber, Peter Güttler, Ditta Ahmadi (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil X Band A: Anlagen und Bauten für die Versorgung (3) Bestattungswesen. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1981, ISBN 3-433-00890-6
  • Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin 2006. ISBN 3-7759-0476-X

Siehe auch

Weblinks

Hinweis

52.49194444444413.2105555555567Koordinaten: 52° 29′ 31″ N, 13° 12′ 38″ O


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