Selbstversorgung

Selbstversorgung

Selbstversorgung (auch: Subsistenzwirtschaft) bezeichnet eine autonome, von anderen Personen, Gemeinschaften, Institutionen oder Staaten unabhängige Lebensführung bzw. Wirtschaftsweise.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In vorzeitlichen Kulturen lebten sowohl Jäger und Sammler als auch Ackerbauern und Nomaden bis zum Ende des Neolithikums oder darüber hinaus in Subsistenzwirtschaft. Der marginale Tauschhandel betraf vermutlich eher Prestigegüter als den Lebensunterhalt.

Soziologische Aspekte

Der Begriff kann heutzutage bedeuten, im alltäglichen Leben nicht auf die aktive Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein (Haushaltsführung, Körperpflege, Einkaufen etc.). Alte, kranke oder behinderte Menschen sind dies jedoch häufig.

Ökonomische Aspekte

Im ökonomischen Sinne spricht man von Selbstversorgung, wenn sich Menschen die materiellen Bedürfnisse des täglichen Lebens (Essen, Trinken, Wohnen etc.) zu einem großen Teil selbst erschaffen und nicht nur auf die im Markt angebotenen Produkte zurückgreifen. Dies betrifft insbesondere den Eigenanbau und die Herstellung von Lebensmitteln und Konserven sowie Gebrauchsgegenständen aller Art. In der Nachhaltigkeitsdebatte, insbesondere in Kombination mit einer Wachstumsrücknahme, wird eine teilweise Rückkehr zur Selbstversorgung mittels Gemeinschaftsgärten oder Urbaner Landwirtschaft als Maßnahme zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme angesehen.[1]

Ein bekannter Selbstversorger war der Engländer John Seymour, der mit seinen Büchern in den 1970er Jahren eine weltweite Selbstversorgungsbewegung in den entwickelten Ländern ausgelöst hat und noch heute vielen Menschen als Vorbild für eine unabhängige Lebensführung dient.

Selbstversorger

Indigene wie Inuit oder „Indios“ waren Selbstversorger. Sie lebten oft von der Außenwelt abgeschlossen und erarbeiten sich viele Gebrauchsgegenstände, indem sie jede geerntete Pflanze oder jedes gejagte Tier ganz verwerten. Tiersehnen werden beispielsweise oft als Hundeleine oder Angelschnur benutzt.

Die Landbevölkerung in Entwicklungsländern wirtschaftet zumeist als (Teil-)Selbstversorger. Da dies nicht in nationalökonomische Berechnungen und Planungen eingeht, sind die Interessen von Selbstversorgern in der nationalen Wirtschafts- und auch Sozialpolitik meist stark unterrepräsentiert. 1993 gründete sich ein Netzwerk La Via Campesina. Es hat 2010 148 Vereine aus 69 Ländern; Mitglieder dieser Vereine sind Kleinbauern, Landbewohner, Landlose, Indigene, Landjugend und Landarbeiter.

Wenn Industrieländer landwirtschaftliche Produkte (z. B. Mais oder Weizen) billig bzw. subventioniert in Entwicklungsländer exportieren, können dadurch dort Selbstversorger in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen.[2] Zum Beispiel musste Mexiko, um Teil der Freihandelszone NAFTA sein zu können, zum 1. Januar 1994 seinen Markt für Agrarprodukte aus den USA und Kanada öffnen. Billiger Mais strömte ins Land; über eine Million Bauern gaben ihre Milpa auf und zogen in Städte. Die Abhängigkeit von Maisimporten wurde der mexikanischen Öffentlichkeit schmerzlich bewusst, als sich 2007 die Tortilla-Preise verdoppelten, vor allem weil Agrarprodukte zunehmend zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet wurden.[3]

In Deutschland war Selbstversorger ein Begriff in der Lebensmittelbewirtschaftung gegen Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg. Selbstversorger waren in der Regel die Landwirte, die keinen Anspruch auf Lebensmittelkarten hatten. Daneben gab es Teil-Selbstversorger, zum Beispiel Personen, die durch eine Landwirtschaft im Nebenerwerb Zuteilungen nur für solche Waren bekamen, die sie nicht selbst erzeugen konnten. Um die Teil-Selbstversorgung zu fördern, wurden viele Wohnsiedlungen in den 1940er und 1950er Jahren mit großen Nutzgärten angelegt, die heute zum Teil als Baulandreserve für die Nachverdichtung genutzt, teilweise aber auch als Kleingärten erhalten werden sollen, was in einigen Fällen zu Konflikten führt.

Literatur

  • Elke von Radziewsky: "Der Selbstversorger Garten" BLV, ISBN 978-3-8354-0754-1
  • John Seymour: Das große Buch vom Leben auf dem Lande. Urania, Berlin 1999, ISBN 3332010603
  • John Seymour: Selbstversorgung aus dem Garten. Urania, Berlin 1999, ISBN 333201059X
  • Shankara & Parvatee: Handbuch für Selbstversorger, Lichtheimat Ashram, Der Grüne Zweig 66, ISBN 978-3-922708-66-7
  • Vgl. Karin Gabbert u.a. (Hrsg.): Über Lebensmittel - Analysen und Berichte (Lateinamerika). Westfälisches Dampfboot, Münster 2009.

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Niko Paech: Die Legende vom nachhaltigen Wachstum. In: Le Monde diplomatique. Abgerufen am 18. Oktober 2011.
  2. Vgl. Karin Gabbert u.a. (Hrsg.): Jahrbuch Lateinamerika 33, Münster 2009.
  3. Vgl. taz vom 12. Januar 2010, S. 17: [1]

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Synonyme:

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