Serap Çileli

Serap Çileli

Serap Çileli (* 29. Januar 1966 in Mersin, Türkei) ist eine deutsche Buchautorin und Menschenrechtlerin türkisch-alevitischer Abstammung. Sie ist eine der bekanntesten Kämpferinnen gegen die Tolerierung von Menschenrechtsverletzungen bei muslimisch-orthodoxen Einwanderern.

Inhaltsverzeichnis

Leben

In ihrer Autobiografie „Wir sind Eure Töchter, nicht Eure Ehre“ (Ersterscheinung 1999) beschreibt Serap Çileli ihre Lebensgeschichte als sogenanntes Gastarbeiterkind der ersten Generation. Ende der 1960er-Jahre kamen ihre Eltern nach Deutschland, wohin sie Serap Çileli und ihre fünf Geschwister 1974 nachholten. Hier beendete sie ihre Schulzeit. Mit zwölf Jahren (1978) wurde sie zwangsverlobt mit einem ihr unbekannten Mann, den ihre Eltern ausgesucht hatten. Nur durch einen Selbstmordversuch entging sie zunächst diesem Schicksal. Mit 15 Jahren verlobten ihre Eltern sie erneut mit einem 10 Jahre älteren Mann und brachten sie in die Türkei. Erst nach sieben Jahren erreichte sie die Einwilligung der Eltern zu einer Scheidung der ungewollten und unglücklichen Ehe. Seitdem war sie unter der ständigen Kontrolle der Eltern, die bereits 1992 eine erneute Zwangsverlobung planten. Zu diesem Zeitpunkt traf Serap Çileli die Entscheidung, aus der elterlichen Fremdbestimmung auszubrechen und floh mit ihren zwei Kindern in ein Frauenhaus. Heute lebt Serap Çileli mit dem Mann ihrer Wahl und ihren Kindern in Deutschland.

Engagement

Seit über zehn Jahren setzt sie sich für die Rechte der muslimischen Frauen ein. Mit ihrer Aufklärungsarbeit kämpft Serap Çileli um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für dieses Problem. Heute ist sie zu einer gefragten Expertin und Ratgeberin für andere türkische Frauen in Not geworden. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Aufklärung über sogenannte Ehrenmorde und Zwangsheiraten. Nach eigenen Angaben betreute Serap Çileli über 300 Mädchen und Jungen, die von häuslicher Gewalt, Zwangsheirat und Ehrenmord bedroht waren:

„Über 300 Frauen und Mädchen (90 % Türkinnen der 3. Generation) im Alter von zwölf bis 49 Jahren und 28 junge türkische Männer im Alter von 16 bis 48 Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen liegt zwischen 16 und 21 Jahren. Die Mehrzahl der von mir betreuten Fälle berührt die Themen Zwangsheirat und »Wiederherstellung der Jungfräulichkeit«, aber es wendeten sich auch etwa 40 Inzestopfer an mich. Mehr als die Hälfte der Hilfesuchenden hatten bereits einmal einen Suizidversuch unternommen.“

Serap Çileli, 2008 [1]

Für ihr langjähriges und außergewöhnliches Engagement wurde Serap Çileli 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und zählt damit zu den jüngsten Trägerinnen dieser Ehrung in der deutschen Geschichte.[2] Im Oktober 2009 erhielt sie den mit 10000 Euro dotierten Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen in Wiesbaden.

peri e.V.

Auf Initiative Serap Çilelis hin wurde 2008 der Verein peri – Verein für Menschenrechte und Integration e.V. gegründet. Die Hauptarbeit des Vereins liegt in der Förderung von Integration und dem Schutz der Menschenrechte. Der Verein organisiert und leistet unter anderem auch Fluchthilfe [3] und kümmert sich um die Opfer häuslicher Gewalt in Migrationsfamilien, sowie um Fälle, in denen die Jungen und Mädchen von Zwangsheirat und/oder Ehrenmord bedroht werden.

Kritik

Durch ihre Arbeit ist Serap Çileli mit heftiger Kritik aus muslimischen Kreisen konfrontiert, von wo sie fast täglich Beschimpfungen unter anderem als „Verräterin“ und „Nestbeschmutzerin“ erreichen.[4] Besonders die auflagenstärksten türkischen Zeitungen kritisierten Frauenrechtlerinnen wie Serap Çileli und Necla Kelek.

Hürriyet-Kampagne 2005

2005 veröffentlichte die türkische Tageszeitung Hürriyet einen Artikel mit dem Hochzeitsfoto der Zwangsehe Serap Çilelis und bezeichnete ihre Biographie als Lüge.[5] Serap Çileli kommentierte zur Veröffentlichung der Aufnahmen:

„Beide Fotos wurden von einem Fotografen gemacht, der einen ja ständig aufgefordert hat, zu lachen, zu lächeln und auch freundlich zu wirken. Wie es innerlich in mir ging, dass ich innerlich geweint hatte, dass ich innerlich gelitten habe, hat niemanden interessiert.“

Serap Çileli, 2005 [6]

Kontroverse im Fall Kardelen 2009

Am 15. Januar 2009 wurde die Leiche der erst achtjährigen Kardelen K. am Möhnesee entdeckt, die in Paderborn von Ali K., der in einem Prozess lebenslänglich verurteilt wurde, erstickt und sexuell missbraucht wurde.[7] Serap Çileli äußerte öffentlich die vorsichtige Vermutung, der Täter könne auch ein Türke sein (was sich später als zutreffend herausstellte[8]) und wurde daraufhin von den türkischen Zeitungen Hürriyet, Sabah und Zaman stark angegriffen. Auch die türkischstämmige Autorin Hatice Akyün hat Çileli vorgeworfen, sie benutze die Tat dazu, das Misstrauen zwischen Türken und Deutschen zu vergrößern.[9] Zu den Vorwürfen hat Serap Çileli zum ersten Mal bei Johannes B. Kerner, zum Thema „Integration und Missverständnisse“ am 5. Februar 2009 kurz reagiert.[10] In einem Interview mit der FAZ vom 9. Februar 2009 [11] konnte sie sich ausführlich zu den Geschehnissen äußern:

„Meine Formulierungen sind nicht auf das Schicksal von Kardelen K. und ihrer Familie ausgerichtet gewesen. Wir wissen vielmehr aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass Vergewaltiger und Sexualmörder überwiegend Männer aus dem sozialen Umfeld der Mädchen sind. [...] Ich bin wirklich froh, dass es nun einen Tatverdächtigen gibt, gleichgültig, welche Nationalität er besitzt. [...] Ich würde gerne den scheinintegrierten türkischen Bildungsbürgern und den türkischen Medien sagen, dass man in einer Demokratie auch abweichende Sichtweisen ertragen muss und sich nicht dauernd empört geben kann. Das gehört zur Meinungsfreiheit dazu.“

Werke

Auszeichnungen

Zitate

  • „Zwangsverheiratung ist Vergewaltigung auf Lebensdauer.“ [12]
  • „Toleranz tötet muslimische Frauen!“ [13]

Weblinks

Interviews
Artikel

Einzelnachweise

  1. Serap Çileli: Eure Ehre - unser Leid. Ich kämpfe gegen Zwangsehe und Ehrenmord. Blanvalet, München 2008, 240 S., ISBN 978-3-7645-0301-7, S. 198
  2. PDF-Flyer und Infobroschüre der Universitätsfrauenklinik Bonn
  3. Katrin Elger: „Cousin und Cousine“, Der Spiegel, 3. November 2008, über die Arbeit und den Verein Serap Çilelis
  4. „Vergewaltigung und Sexualmord ist ein Tabuthema für Türken“, FAZ, 9. Februar 2009, Interview mit Serap Çileli
  5. Uta Rasche: „Türkische Medien in Deutschland“, FAZ, 19. April 2005
  6. „Gefährliche Kampagne. Hürriyet diffamiert kritische Autorinnen“, NDR, 13. Mai 2005, auf der Internetseite von Serap Çileli
  7. „Fall Kardelen K. – Polizei findet Mädchenleiche“, Die Welt, 15. Januar 2009
  8. Spiegel online vom 26. Februar 2009
  9. Uta Rasche: „Der Täter könnte auch ein Türke sein“, FAZ, 23. Januar 2009
  10. „Integration und Missverständnisse“, Johannes B. Kerner (Fernsehsendung), 5. Februar 2009
  11. „Vergewaltigung und Sexualmord ist ein Tabuthema für Türken“, FAZ, 9. Februar 2009, Interview mit Serap Çileli über den Mordfall Kardelen K.
  12. Spruchbanner auf der Internetseite von Serap Çileli
  13. Buchinfo von Serap Çilelis Verlag Blanvalet

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