Shepp

Shepp
Archie Shepp 1982 in Frankreich

Vernon „Archie“ Shepp (* 24. Mai 1937 in Fort Lauderdale, Florida) ist ein amerikanischer Jazzmusiker (Tenor- und Sopransaxophon, Piano), Komponist, Sänger sowie Literatur- und Theaterwissenschaftler. Er gilt als einer der wichtigsten Intellektuellen des modernen Jazz.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Archie Shepp wuchs in Philadelphia auf, wo er zunächst das Klavierspiel erlernte, außerdem Klarinette und Altsaxophon; dann wechselte er zum Tenor. Er spielte in lokalen Rhythm & Blues-Bands und lernte dabei Lee Morgan, Cal Massey, Jimmy Heath und John Coltrane kennen. Shepp studierte von 1955 bis 1959 Literaturwissenschaft am Goddard College; nach seiner Graduierung zog er nach New York City. Dort begann Shepp seine professionelle Karriere als Musiker 1960 in der Band von Cecil Taylor und wirkte in dem Film The Connection mit. 1963 war er Mitglied der New York Contemporary Five, zu denen Don Cherry und John Tchicai sowie der Bassist Don Moore und der Schlagzeuger J. C. Moses gehörten; die Band war aus einer kurzlebigen Formation hervorgegangen, die Shepp gemeinsam mit Bill Dixon geleitet hatte. Mit Tchicai und Cherry tourte er 1964 in der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und in Finnland, wo sie auf dem Jazz Festival in Helsinki auftraten.

Archie Shepp 1993

Im August 1964 nahm er eine erste Session unter eigenem Namen auf, das Album Four for Trane für Impulse!.[2] Danach arbeitete er u. a. mit Bill Dixon, John Tchicai, Don Cherry und vor allem mit John Coltrane, mit dem er in New Yorker Clubs spielte; 1965 wirkte er dann auf Coltranes Album Ascension mit. Sein Auftritt auf dem Newport Jazz Festival wurde zusammen mit Coltranes Musik auf Impulse! veröffentlicht (New Thing at Newport); besonders durch die Unterstützung durch Coltrane etablierte sich Archie Shepp als Künstler der Jazz-Avantgarde in den USA und weltweit.[3]

In unterschiedlichen Besetzungen folgten unter eigenem Namen bahnbrechende Aufnahmen (u. a. mit Roswell Rudd, Bobby Hutcherson, Beaver Harris und Grachan Moncur III), die Shepp zu einem der wichtigsten Protagonisten der Jazz-Avantgarde und des Free Jazz in den 1960er Jahren machten.

Archie Shepp war nicht nur musikalischer Pionier, sondern auch politisches und soziales Sprachrohr eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins; so schrieb er 1965 im Down Beat: „I am an anti-fascist artist“.[4] Ein Höhepunkt des politischen Engagements des „angry young man“ war der Auftritt beim Panafrikanischen Festival 1969 in Algier.

Trotz aller neutönerischer Radikalität war Shepps Musik immer weniger abstrakt als die anderer Avantgardisten dieser Ära; so stand Shepps starke emotionale Spielweise immer in der Tradition der großen Swing-Saxophonisten wie Ben Webster oder Coleman Hawkins, die auf dem Wechselspiel rauer und zart gehaucher Töne, verschiedener Register und Lautstärkestufen beruht.

Ab Mitte der 1960er Jahren arbeitete Shepp mit eigenen Formationen; 1967 hatte er ein Oktett, mit dem er Mama Too Tight aufnahm und dabei Ellington-Einflüsse, R&B-Rhythmen, Marschmusik-Elemente einbezog; 1968 nahm er in Sextett-Besetzung mit Jimmy Owens, Grachan Moncur III und Walter Davis Jr. das Album The Way Ahead auf. 1969 arbeitete er mit dem Trompeter Cal Massey zusammen, spielte dessen Kompositionen und tourte mit ihm durch Europa und Nordafrika, wo Shepp auf dem Pan-African Festival auftrat.

Anfang der 1970er Jahre arbeitete Shepp erneut mit Massey bei der Produktion Lady Day: A Musical Tregedy zusammen, die in der Brooklyn Academy of Music uraufgeführt wurde. Danach schrieb Shepp noch weitere Stücke und hielt Kurse an der University of Buffalo, 1973 an der University of Massachusetts.

In den 1970er und 1980er Jahren wurde Shepps Spiel immer stärker mit Elementen tradtitioneller afroamerikanischer Musik durchsetzt. Blues, Gospel und Spiritual sind für Shepp die ureigenen Ausdrucksmittel der Schwarzen in den USA. Er wollte ihnen eine Musik geben, mit der sich die diskriminierte schwarze Community in den Ghettos identifizieren konnte.

2004 erfüllte sich Archie Shepp in Frankreich mit der Gründung eines eigenen Labels Archieball zusammen mit Monette Berthomier einen lang gehegten Traum. Das Label soll dabei nicht nur eigenen Produktionen, sondern auch als Plattform für junge afroamerikanische Jazzmusiker dienen.

Auswahl-Diskographie

  • New York Contemporary Five (Storyville, 1963)[5]
  • Four for Trane (Impulse!, 1964)
  • New Thing at Newport (Impulse!, 1965
  • Fire Music (Impulse!, 1965)
  • On This Night (Impulse!, 1965)
  • Live in San Francisco (Impulse!, 1966)
  • Live at the Donaueschingen Music Festival (1967)
  • The Way Ahead (Impulse!, 1968)
  • Blasé (Varese, 1969) mit Jeanne Lee
  • Yasmina, a Black Woman (Le Jazz, 1969)
  • Live at the Pan African Festival (Varese, 1969)
  • Attica Blues (Verve, 1972)
  • Steam (Enja, 1976)
  • Force with Max Roach (1976)
  • Goin’ Home (Steeplechase, 1976)
  • Lady Bird (Denon, 1978)
  • The Long March (Hat ART, 1979) mit Max Roach
  • Looking at Bird (Steeplechase, 1980)
  • California Meeting (1985)
  • Archie Shepp & Chet Baker In Memory of (L+R, 1988)
  • I Didn't Know About You (Timeless, 1990)
  • Roswell Rudd & Archie Shepp Live in New York (Verve, 2000)
  • Archie Shepp & Mal Waldron Left Alone Revisited (Enja, 2002)
  • Archie Shepp & Siegfried Kessler First Take (2003)

Shepp wirkte außerdem an Alben von John Coltrane, Johnny Copeland, Dave Burrell, Kahil El’Zabar, Chico Hamilton, Karin Krog, Yusef Lateef, Grachan Moncur III, Buell Neidlinger und Cecil Taylor mit.

Literatur

  • Christian Broecking: Der Marsalis-Faktor. Oreos, 1995
  • Christian Broecking: Respekt!. Verbrecher Verlag, Berlin 2004
  • Ian Carr, Digby Fairweather & Brian Priestley: Rough Guide Jazz, Stuttgart, Metzler 2004 (2. Auflage), ISBN 978-3-476-01892-2
  • Richard Cook & Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz Recordings, 8th Edition, London, Penguin, 2006 ISBN 0-141-02327-9

Weblinks

Anmerkungen/Quellennachweise

  1. Zit. nach Cook/Morton, S. 1182.
  2. Das bereits im November 1963 mit Lars Gullin, Tete Montoliu und Niels-Henning Ørsted Pedersen aufgenommene Material wurde erst später vom Steeplechase-Label unter dem Titel The House I Live in veröffentlicht. Vgl. Cook/Morton, .1183.
  3. Die Informationen zu den frühen Jahren entstammen Ian Carrs Shepp-Biographie im Jazz - Rough Guide, S. 581.
  4. Zit. nach Ian Carr, S. 581.
  5. Die Auswahl der Alben erfolgte anhand des Penguin Guide to Jazz; Ausgaben 1992, 2001 und 2006; sowie des Jazz - Rough Guide.

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