Siegfried Marck

Siegfried Marck

Siegfried Marck (* 9. März 1889 in Breslau, Schlesien; † 16. Februar 1957 in Chicago, Illinois/USA) war ein deutscher Philosoph und Vertreter einer liberalen Sozialdemokratie.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Marck wuchs im Breslau um 1900 in einer großbürgerlichen Familie auf. Die Familie zählte zum humanistisch geprägten Bildungsbürgertum, das sie mit einer patriotisch-nationalliberalen Haltung verband. Der Urgroßvater hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts – als den Juden nach Jahrhunderten endlich Freiheits- und Bürgerrechte verliehen wurden – ein Bankhaus gegründet, welches den Grundstein der privilegierten Existenz der Familie bildete. Marcks Großvater und Vater studierten die Rechte und leiteten eine Kanzlei – in den Staatsdienst und damit ins Richteramt wären sie nur über eine Taufe, ein Bekenntnis zum christlichen Glauben, gelangt, was beide jedoch ablehnten. Neben der anwaltlichen Tätigkeit saßen beide als Stadträte im Magistrat der Stadt Breslau, führten Wohlfahrtsorganisationen und engagierten sich in führenden Positionen (wie die Mutter Siegfried Marcks) der jüdischen Synagogengemeinde.

Lebenslauf

Siegfried Marck legte das Abitur am Johannes-Gymnasium ab und nahm 1907 – wie Großvater und Vater – das Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelm-Universität Breslau auf. Nach nur einem Semester ging er nach Genf, um dort weiterzustudieren. Von dort kehrte er schnell zurück und verwarf das ungeliebte Jurastudium vollends. Er gab nun seiner eigentlichen intellektuellen Neigung nach und begann das Studium der Philosophie in Breslau, welches er später in Berlin und Freiburg fortsetzte.

1911 wurde Marck promoviert mit einer Arbeit über das Thema „Erkenntniskritik, Psychologie und Metaphysik nach ihrem inneren Verhältnis in der Ausbildung der platonischen Ideenlehre“. Er heiratete die Dichterin und Frauenrechtlerin Lola Landau. 1917 habilitierte er sich (im Alter von gerade einmal 28 Jahren) mit einer Arbeit über die philosophischen Grundbegriffe bei Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel.

Im selben Jahr – ein Jahr vor Kriegsende – wurde er an die Westfront abkommandiert und erlebte die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Die Erlebnisse an der Front machten ihn zum überzeugten Pazifisten und führten zum Eintritt in die SPD.

1922 erhielt er einen Lehrauftrag an der Breslauer Universität für Rechts- und Staatsphilosophie; 1924 folgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor für Soziologie und Philosophie. Es war der preußische Kultusminister Adolf Grimme, der ihn 1930 zum Ordinarius und Lehrstuhlnachfolger Richard Hönigswalds machte.

Nach der Machtübernahme der NSDAP unter Führung Adolf Hitlers und der damit verbundenen staatlichen Legitimation der Verfolgung von „Gesinnungsfeinden“ wie Juden und Sozialisten (Marck war beides) – in Schlesien vor allem initiiert durch den für seine Brutalität bekannten SA-Führer, Edmund Heines – flüchtete Siegfried Marck ins scheinbar idyllisch-ruhige Freiburg, musste aber rasch in die Emigration, nachdem man ihn aus dem Amt geworfen hatte. Bis kurz vor dem deutschen Einfall und dem Beginn der Okkupation war er Exilant in Frankreich. Er konnte noch rechtzeitig in die Vereinigten Staaten von Amerika fliehen.

Bis zu seiner Emeritierung lehrte Marck am YMCA College in Chicago als Professor für Philosophie. Am 16. Februar 1957 starb er dort.

Werke

  • Deutsche Staatsgesinnung, München 1916
  • Imperialismus und Pazifismus als Weltanschauungen, Tübingen 1918
  • Hegelianismus und Marxismus, Berlin 1922
  • Marxistische Staatsbejahung, Breslau 1924
  • Zu Max Adlers Sozialphilosophie, Berlin 1925
  • Substanz- und Funktionsbegriff in der Rechtsphilosophie, 1925
  • Reformismus und Radikalismus in der deutschen Sozialdemokratie, Berlin 1927
  • Die Dialektik in der Philosophie der Gegenwart, 2 Bde., Tübingen 1929/1931
  • Sozialdemokratie, Berlin 1932
  • Der Neuhumanismus als politische Philosophie, Zürich 1938
  • Grosse Menschen unserer Zeit. Portraits aus drei Kulturkreisen, Meisenheim 1954
  • Vernunft und Sozialismus, Berlin 1956

Literatur

Weblinks


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