- Sissa ibn Dahir
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Sissa ibn Dahir (auch: Sessa) lebte angeblich im dritten oder vierten Jahrhundert n. Chr. in Indien und gilt Legenden zufolge als der Erfinder des Schachspiels beziehungsweise seiner indischen Urform Tschaturanga.
Sein Name ist ferner mit der Weizenkornlegende verbunden. Die Geschichte ist ein „Gleichnis für die Vielfalt des Schachspiels“ (Martin Beheim-Schwarzbach), das die Unerschöpflichkeit der Möglichkeiten und Partieverläufe im Schach versinnbildlicht.[1] Die Legende kann sowohl als Hommage an das Schachspiel, als anschauliches mathematisches Lehrbeispiel wie auch als sozialkritisches Werk verstanden werden. Die Anekdote findet häufig im Zusammenhang mit exponentiellen Funktionen Erwähnung und bildet das älteste Beispiel dafür, dass eine mathematische Fragestellung auf das Schach bezogen wird − und damit einen Vorgriff auf das Gebiet der Schachmathematik.
Inhaltsverzeichnis
Legende
Der indische Herrscher Shihram tyrannisierte seine Untertanen und stürzte sein Land in Not und Elend. Um die Aufmerksamkeit des Königs, ohne seinen Zorn zu entfachen, auf seine Fehler zu lenken, schuf der weise Brahmane Sissa, Dahers Sohn, ein Spiel, in dem die wichtigste Figur, der König, ohne Hilfe anderer Figuren und Bauern nichts ausrichten kann. Der Unterricht im Schachspiel machte auf Shihram einen starken Eindruck. Er wurde milder und ließ das Schachspiel verbreiten, damit alle davon Kenntnis nähmen. Um sich für die anschauliche Lehre von Lebensweisheit und zugleich Unterhaltung zu bedanken, gewährte er dem Brahmanen einen freien Wunsch. Dieser wünschte sich Weizenkörner: Auf das erste Feld eines Schachbretts wollte er ein Korn, auf das zweite Feld die doppelte Menge, also zwei, auf das dritte wiederum doppelt so viele, also vier und so weiter. Der König lachte und war gleichzeitig erbost ob der vermeintlichen Bescheidenheit des Brahmanen.
Als sich Shihram einige Tage später erkundigte, ob Sissa seine Belohnung in Empfang genommen habe, musste er hören, dass die Rechenmeister die Menge der Weizenkörner noch nicht berechnet hatten. Nach mehreren Tagen ununterbrochener Arbeit meldete der Vorsteher der Kornkammer, dass er die Menge Getreidekörner im ganzen Reich nicht aufbringen könne. Auf allen Feldern zusammen wären es 264−1 oder 18.446.744.073.709.551.615 Weizenkörner. Nun stellte sich die Frage, wie das Versprechen eingelöst werden könne. Der Rechenmeister half dem Herrscher aus der Verlegenheit, indem er ihm empfahl, er solle Sissa ibn Dahir ganz einfach das Getreide Korn für Korn zählen lassen.[2]
Mathematische Berechnung
Die Berechnung der Anzahl der Weizenkörner erfolgt folgendermaßen:
oder
Daraus folgt
A B C D E F G H 8 1 2 4 8 16 32 64 128 7 256 512 1024 2048 4096 8192 16384 32768 6 65536 131072 262144 524288 1048576 2097152 4194304 8388608 5 16777216 33554432 67108864 134217728 268435456 536870912 1073741824 2147483648 4 4294967296 8589934592 17179869184 34359738368 68719476736 1.37439E+11 2.74878E+11 5.49756E+11 3 1.09951E+12 2.19902E+12 4.39805E+12 8.79609E+12 1.75922E+13 3.51844E+13 7.03687E+13 1.40737E+14 2 2.81475E+14 5.6295E+14 1.1259E+15 2.2518E+15 4.5036E+15 9.0072E+15 1.80144E+16 3.60288E+16 1 7.20576E+16 1.44115E+17 2.8823E+17 5.76461E+17 1.15292E+18 2.30584E+18 4.61169E+18 9.22337E+18 Um diese gigantische Menge veranschaulichen zu können, ein kleines Gedankenspiel:
Angenommen, ein Weizenkorn wiegt ca. 0,05 g (Tausendkornmasse von 40 bis 65 g) und die Gesamtmenge an Weizen soll in LKWs mit 8840 kg Nutzlast verladen werden (beispielsweise Getreidetransporter der Firma DAF, ATI Grain Kipper, 95.360), die eine Länge von 7,6 Metern aufweisen, dann passen in einen Transporter 176.800.000 Getreidekörner. Insgesamt benötigt man daher ca. 104 Milliarden Transporter, um alles zu verladen. Stoßstange an Stoßstange aufgestellt, ergeben diese Transporter eine Strecke von ca. 793 Millionen km; bei einem angenommenen Erdumfang von 40.000 km ergibt das insgesamt fast 20.000 Erdumrundungen (oder 5,3 Astronomische Einheiten, d.h. 5,3 mal die Entfernung Erde–Sonne).
Die gesamte Menge Weizen, die sich auf dem Schachbrett befände (ca. 922 Mrd. t), entspricht etwa der 1500-fachen weltweiten Weizenernte des Jahres 2004 (624 Mio. t).
Herkunft der Anekdote
Für diese Geschichte gibt es in indischen Quellen keinen Beleg. Sie ist dem arabischen Kulturkreis zuzurechnen. Es werden sowohl der Biograph Ibn Khallikan (1211–1282)[3] als auch der Schriftsteller und Dichter Al-Sabhadi, der im Mittelalter in Bagdad lebte, als Ursprung angegeben. Al-Sabhadi soll auch schon die richtige Lösung angegeben haben.[4]
Einzelnachweise
- ↑ Martin Beheim-Schwarzbach: Das Buch vom Schach. Insel Verlag, Leipzig o. D. (1934), S. 6.
- ↑ J. Giżycki, Schach zu allen Zeiten, Zürich 1967, S. 113, sowie Lindörfer, Das grosse Schachlexikon, S. 311.
- ↑ Klaus Lindörfer: Das grosse Schachlexikon, München 1991, S. 311.
- ↑ Georges Ifrah: Universalgeschichte der Zahlen, Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York 1986, S. 482-485. ISBN 3-593-34192-1
Siehe auch
Kategorien:- Literarische Figur
- Schachgeschichte
- Geboren im 3. oder 4. Jahrhundert
- Gestorben im 3. oder 4. Jahrhundert
- Mann
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