Smart Mob

Smart Mob

Smart mob ist eine seit einigen Jahren unter anderem bei Globalisierungskritikern gängige Organisationsform von Protesten und bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, der sich vom Flashmob in der Sinnhaftigkeit des Tuns unterscheidet. Sie ist eine Form der Selbststrukturierung der sozialen Organisation durch Technologie-vermittelte, intelligente emergente Verhalten.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Das Konzept wurde von Howard Rheingold in seinem Buch Smart Mobs: The Next Social Revolution vorgestellt. Laut Rheingold sind Smart Mobs ein Indiz für die Entwicklung der Kommunikationstechnologien.[1]

Zu diesen wachsenden Technologien gehören Internet, computervermittelte Kommunikation wie Internet Relay Chat und drahtlose Geräte wie Mobiltelefone und Personal Digital Assistants. Mit Methoden wie Peer-to-Peer-Netzwerke und Pervasive Computing ändert sich die Art und Weise, in der die Menschen sich organisieren und Informationen austauschen können. Ein Smart Mob ist eine Gruppe, die sich im Gegensatz zu den üblichen Konnotationen eines Mobs intelligent und effizient verhält, weil sie ein exponentiell wachsendes Netzwerk verbindet. Ein Grund für den Anstieg von Smart Mobs sind die ständig abnehmenden Kosten für die zunehmend leistungsfähigen Mikroprozessoren.

Das Erscheinen solcher Interaktions-Phänomene in komplexen, nicht-linearen Systemen wird als Emergenz bezeichnet. Hakim Bey nennt diese Aktionsformen Temporäre Autonome Zone.

Eine technische Variante ist das Radioballett, eine im Jahre 2002 in Hamburg erstmals aufgeführte[2] Form des Straßenprotestes oder der gewollten Irritation von Passanten. Die Akteure führen ein Radio mit sich und erhalten durch dieses Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben. So werden die Teilnehmer etwa aufgefordert zu winken, zu tanzen, gebückt umherzulaufen oder sich auf den Boden zu legen.

Beispiele

Smart Mobs haben im Jahr 2001 in Manila zum Sturz des unter Korruptionsverdacht stehenden Präsidenten Joseph Estrada beigetragen - wo auch immer der unbeliebte Politiker auftauchte, organisierten Smart Mobber blitzschnell Demonstrationen. Knapp eine Stunde, nachdem aktuelle Nachrichten über Korruption verbreitet wurden, wurde eine SMS-Nachricht weitergeleitet: (Go 2EDSA, Wear black). Es erschienen Tausende schwarz gekleideter Demonstranten an öffentlichen Plätzen.[1]

Am 8. September 2007 fand ein bundesweiter Smart Mob gegen Bahnprivatisierung statt. In mehr als 50 Städten nahmen insgesamt mehr als 2000 Menschen teil, teilte das Bündnis Bahn für Alle mit.[3]

In Iserlohn gab es einen Softwarefehler bei einer Tankstelle im Januar 2008, der den Liter Sprit drei Cent kosten ließ. Die Kunden informierten sofort Freunde und Bekannte, es entstand der Tankstelle ein Schaden über 10.000 Euro.[4]

Carrotmob

Carrotmobber in Bonner Bioladen am 24. Oktober 2009

Der Carrotmob ist eine besondere Form des Smart Mobs. Über die Kommunikationswege, die Flash- und Smart Mobs ausnutzen, werden Unterstützer dazu aufgerufen, bei einem ausgesuchten Ladenbesitzer in einem fest umgrenzten Zeitraum einzukaufen. Dieser Ladenbesitzer hat zuvor seine Bereitschaft erklärt, einen festgesetzten Teil seines Gewinnes, den er im Rahmen des Carrotmobs erzielt, in eine klimagerechte Sanierung seines Ladens zu investieren. „Wir halten der Wirtschaft die Karotte hin“, so Brad Burton, US-amerikanischer Mitinitiator der mittlerweile weltweit aktiven Carrotmobbewegung, „und sie macht Fortschritte, wandelt sich.“[5]

Ein erster Carrotmob fand im März 2008 in San Francisco statt. Der Initiator, Brent Schulkin, besuchte 23 Shops und erzählte jedem Besitzer, dass er ein Netzwerk von Verbrauchern gründet und dass sie alle kommen, um in einem Geschäft des Viertels eine Menge Geld auszugeben. Nur in welchem, das sei offen. Denn das hänge von einer Frage ab: Wer ist bereit, am meisten für die Umwelt zu tun? „Es beginnt eine Art Auktion“, so die taz in ihrem Bericht über den Carrotmob in San Francisco. „Die Ladenbesitzer müssen erklären, wie viel sie von dem, was der Carrotmob an Geld bei ihnen ausgibt, in einen klimafreundlichen Umbau stecken. Einer sagt: 10 Prozent des Umsatzes, der andere: 17. Der Gewinner ist ein kleines Lebensmittelgeschäft, der K & D Market: Inhaber David Lee bot 22 Prozent. Schulkin organisiert über Internet, über Facebook, Twitter und MySpace, per E-Mail und über einen Carrotmob-Videochannel Einkäufer für einen Samstagmorgen. Hunderte kommen und kaufen Wein, Chips, Katzenstreu. An einem normalen Tag nimmt Lee 2.000 US-Dollar ein, in nur vier Stunden Happening waren es 9.400 Dollar.“[6]

Rezeption

Warren Ellis schrieb bei Wildstorm eine 12-teilige Comicserie namens Global Frequency. In dieser beschreibt er eine verdeckt arbeitende Nichtregierungsorganisation, die auf dem Konzept des Smart Mobs beruht. Selbst der Pilotfilm zu einer Fernsehserie wurde gedreht.

Einzelnachweise

  1. a b Clive Thompson: The Year in Ideas, Smart Mobs The New York Times 15. Dezember 2002, abgerufen 18. Februar 2008
  2. Mao tanzt Ballett von Wanda Wieczorek, 7. Mai 2002, abgerufen 26. August 2008
  3. Mit Lärm gegen Bahn-Privatisierung auf live-pr.com, Associated Press, 8. September 2007
  4. Stefan Janke und Bülend Ürük: Nächtlicher Ausnahmezustand an BFT-Tankstelle auf derwesten.de, Waz-Mediengruppe, 11. Januar 2008
  5. Isabel Ermer: Einkaufen für die Umwelt, rheinraum-online, 9. Oktober 2009
  6. „Politik mit vollem Einkaufswagen“, taz, 20. Oktober 2009

Weblinks


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