- Speckrussen
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Als Knüppelrussen wurden zur Napoleon-Zeit meist jugendliche Protestler bezeichnet, die sich der Unterwerfung und der Einberufung zum Kriegsdienst durch die Franzosen entzogen. Ihre Bezeichnung als "Knüppelrussen" leitet sich wahrscheinlich aus dem äußeren Erscheinungsbild der Aufständischen ab, das Bewunderung für die russischen "Freiheitskämpfer" ausgedrückt haben mag.
Nach dem Abzug von Großherzog Joachim Murat 1808 unterstand die Bevölkerung des (in seinen Grenzen mehrfach modifizierten) Großherzogtums Berg de facto der direkten Kontrolle Napoleons. Die Verpflichtung zu Abgaben und Militärdienst erhöhte sich vor dem Hintergrund von Napoleons fortgesetzten Kriegen drastisch. Auch Tausende junger Männer aus dem Bergischen hatten zu diesem Zeitpunkt auf den Eroberungsfeldzügen Napoleons in Spanien, Italien und Russland schon ihr Leben gelassen. Nach dem für Napoleons Armee in einer Katastrophe endenden Winterfeldzug 1812/13 nach Russland wurden per Dekret abermals neue Soldaten in großer Zahl ausgehoben. Angestauter Unmut und Hass in der Bevölkerung führten im Januar 1813 zum sogenannten Speckrussenaufstand.
Im Oberbergischen wurden die Rebellen Speckrussen genannt, weil sie sich von Mitbürgern häufig mit Sauerkraut und Speck verköstigen ließen. Andernorts nannte man sie auch Knüppelrussen, da sie mit Knüppeln bewaffnet umherzogen, Rekrutierungsbeamte vertrieben, Behördenakten vernichteten und Amtspersonen drangsalierten. In den Häusern bedrängten sie Einwohner, die ihnen aus Furcht vor den Behörden die Unterstützung verweigern wollten.
Die Masse der Aufständischen rekrutierte sich aus sozial deklassierten Tagelöhnern und arbeitslos Gewordenen, die unter den Konsequenzen der napoleonischen Kontinentalsperre für die einheimische Wirtschaft litten. Den Kern aber bildeten Deserteure bzw. junge Männer, die sich der drohenden Konskription entzogen. Charakteristischerweise zerstörten sie in mehreren Fällen die Personenstandsregister und sonstigen für die Organisation des Konskriptionswesens relevanten Akten in den behördlichen Stellen.
Die massivsten Widerstandshandlungen fanden im nördlichen und östlichen Teil des Großherzogtums Berg statt. In Wipperfürth sollen 1813 etwa 800, in Gummersbach sogar 4-5000 Rebellen aufgezogen sein. In Waldbröl plünderten Widerständler unter Führung von Johann Wilhelm Pauli das Haus eines Salz- und Tabakdebitanten und versuchten, anschließend die Unterpräfektur in Siegen zu stürmen. In Eitorf wurde das Haus des Maire Reiner Komp von Aufständischen angezündet.
Napoleon, der im späten Januar 1813 über den Aufstand informiert wurde, war empört und sorgte für dessen kompromisslose Niederschlagung, indem er Truppen aus der Zitadelle Wesel ins Bergische Land einrücken ließ. Die Rädelsführer wurden fast ausnahmslos festgenommen. Allein in Düsseldorf soll es 100 Exekutionen gegeben haben. Eine zweifelhafte Form des Pardons bedeutete der Verzicht auf die Hinrichtung gegen die Einziehung zum Militär, da dies, realistisch gesehen, einem Todesurteil sehr nahe kam.
Von einer politischen Intention der Aufständischen lässt sich mangels entsprechender programmatischer Verlautbarungen kaum sprechen. Immerhin zeugten die Aktionen von den ersten Auflösungserscheinungen der napoleonischen Herrschaft in Deutschland. Schließlich war den Aufständischen die Katastrophe Napoleons in Russland nicht verborgen geblieben. Die Rebellion fand außerhalb des Großherzogtums Berg zunächst allerdings kein Echo.
Literatur
- Mahmoud Kandil: Sozialer Protest gegen das napoleonische Herrschaftssystem. Äußerungen der Bevölkerung des Großherzogtums Berg 1808-1813 aus den Blickwinkel der Obrigkeit, Aachen/Mainz 1995
- Jörg Engelbrecht: Grundzüge der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Großherzogtums Berg, in: Burkhard Dietz (Hg.), Das Großherzogtum Berg als napoleonischer Modellstaat. Eine regionalhistorische Zwischenbilanz, Köln 1995, S. 54-65
- S. N. Iskjul': Der Aufstand im Großherzogtum Berg gegen Napoleon im Jahre 1813, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 92 (1986), S. 57-68
Weblinks
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