- Stadtkirche (Wittenberg)
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Die Stadt- und Pfarrkirche St. Marien zu Wittenberg in Lutherstadt Wittenberg ist als Bürgerkirche die Predigtkirche der Reformatoren Martin Luther und Johannes Bugenhagen. Hier wurde die Heilige Messe zum ersten Mal in deutscher Sprache gefeiert und das Abendmahl erstmals „in beiderlei Gestalt“, in Brot und Wein, an die Gemeinde ausgeteilt. Die Kirche ist damit die Mutterkirche der Reformation. Seit 1996 gehört die Stadt- und Pfarrkirche St. Marien zum Weltkulturerbe der UNESCO. Mit der Stadtkirche St. Marien, der Schlosskirche Allerheiligen, dem Lutherhaus und dem Melanchthonhaus sowie dem benachbarten Dessau-Wörlitzer Gartenreich bildet Wittenberg mit seiner Umgebung die Region mit der dichtesten Ansiedlung von UNESCO-Welterbestätten der Erde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1187 wird die Pfarrkirche St. Marien erstmals urkundlich erwähnt. Ursprünglich war es angeblich eine Holzkirche, die zum Bistum Brandenburg gehörte. Um 1280 wurde der heutige Altarraum und sein südliches Seitenschiff errichtet. Zwischen 1412 und 1439 wurden das Langhaus durch die jetzt noch vorhandene dreischiffige Halle ersetzt und die Türme errichtet, die zunächst mit einer steinernen Pyramide bekrönt waren. 1522 wurde im Zuge des von Andreas Bodenstein initiierten Bildersturms fast die gesamte Inneneinrichtung demoliert und entfernt. Martin Luther kehrte deswegen von der Wartburg zurück nach Wittenberg und hielt hier seine berühmten Invokavit-Predigten. Im Schmalkaldischen Krieg 1547 wurden die Steinpyramiden von den Türmen entfernt, um Plattformen für Kanonen zu schaffen. 1556 wurden auf den Plattformen die noch heute erhaltenen achteckigen Hauben aufgesetzt sowie eine Uhr und eine Türmerwohnung errichtet. Danach erfolgte der Anbau des östlichen Giebels und der darüber liegenden Ordinandenstube. 1811 wurde die Inneneinrichtung der Kirche im Stile der Neugotik nach Plänen des Baumeisters Carlo Ignazio Pozzi umgestaltet.
Eine gründliche Erneuerung schloss sich 1928 und 1980/83 an.
Ausstattung
In der Kirche befindet sich der im Schmalkaldischen Krieges geweihte von Lucas Cranach d. Ä. gemalte Altar.
An der südlichen Außenwand sichtbar ist die aus dem Hochmittelalter datierte plastisch-bildhafte Darstellung der zeitgenössischen Judensau. Dieses antisemitische Motive wurde im Mittelalter populär. Es "zierte" (teilweise bis heute) öffentliche Gebäude und Kirchen, und diente damals dazu, Juden zu verunglimpfen und zu verspotten.
Zum "Ausgleich" wurde unterhalb der Judensau-Darstellung ein Mahnmal in den Boden eingelassen.
Orgel
Die Orgel der Stadtkirche wurde 1983 von der Orgelbaufirma Sauer (Frankfurt/Oder) erbaut. Das Instrument hat 53 Register (Schleifladen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[1]
I Positiv C–c4
1. Holzgedackt 8′ 2. Quintadena 8′ 3. Prinzipal 4′ 4. Rohrflöte 4′ 5. Oktave 2′ 6. Waldflöte 2′ 7. Sifflöte 11/3′ 8. Scharff IV 1′ 9. Sesquialtera II 22/3′ 10. Zimbel III 11. Krummhorn 8′ Tremolo II Hauptwerk C–c4 12. Flötenprinzipal 16′ 13. Prinzipal 8′ 14. Gedackt 8′ 15. Spitzgambe 8′ 16. Oktave 4′ 17. Spitzflöte 4′ 18. Quinte 22/3′ 19. Oktave 2′ 20. Mixtur V 21. Mixtur IV 22. Kornett V 8′ 23. Trompete 16′ 24. Trompete 8′ Tremolo III Schwellwerk C–c4 25. Liebl. Gedackt 16′ 26. Holzprinzipal 8′ 27. Rohrflöte 8′ 28. Salizional 8′ 29. Schwebung 8′ 30. Oktave 4′ 31. Blockflöte 4′ 32. Rohrnasat 22/3′ 33. Ital. Prinzipal 2′ 34. Terz 13/5′ 35. Oktave 1′ 36. Septquart II 37. Mixtur V-VII 38. Cor anglais 16′ 39. Hautbois 8′ 40. Clairon 4′ Tremolo Pedal C–f1 41. Prinzipal 16′ 42. Subbaß 16′ 43. Zartbaß 16′ 44. Quintbaß 102/3′ 45. Oktavbaß 8′ 46. Gedacktbaß 8′ 47. Choralbaß 4′ 48. Hohlflöte 4′ 49. Flachflöte 2′ 50. Hintersatz IV 51. Posaune 16′ 52. Trompete 8′ 53. Clarine 4′ Glocken
Zu Beginn dieses Jahrtausends wurde der Glockenstuhl im Südturm samt Marienglocke und Sonntagsglocke saniert. Diese Glocken wurden dabei an neue Eichenholzjoche gehängt und mit neuen Klöppeln ausgestattet. Bei dieser Gelegenheit wurde die Orate-Glocke gegossen. Die Große Glocke wird künftig restauriert und dabei ebenfalls mit Holzjoch und neuem Klöppel versehen werden.[2]
Nr.
Name
Gussjahr
Gießer, Gussort
Durchmesser
(mm)Gewicht
(kg)Nominal
(16tel)Turm
1 Große Glocke 1635 Jacob König, Erfurt 2000 ~5500 a0 –5 Nord 2 Sonntagsglocke 1583 Hans Oleman, Magdeburg 1585 ~2100 cis1 –2 Süd 3 Marienglocke, Scharnette 1422 unbekannt 1170 ~820 fis1 −8 Süd 4 Orate 2003 Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer 860 342 h1 −11 Süd General- und Superintendenten
Seit 1533 bis 1817 waren die Pfarrer der Stadtkirche zugleich Generalsuperintendenten des sächsischen Kurkreises und damit an die obersten theologischen Lehrstühle der Universität Wittenberg gebunden.
- Johannes Bugenhagen (1533–1558)
- Paul Eber (1558–1569)
- Friedrich Widebrand (1570–1574)
- Kaspar Eberhard (1574–1575)
- Polycarp Leyser der Ältere (1576–1587)
- David Voit (1587–1589)
- Urbanus Pierius auch: Birnbaum (1590–1591)
- Polykarp Leyser der Ältere (1593–1594)
- Ägidius Hunnius der Ältere (1594–1603)
- Georg Mylius (1603–1607)
- Friedrich Balduin (1607–1627)
- Paul Röber (1627–1651)
- Abraham Calov (1656–1686)
- Balthasar Bebel (1686)
- Caspar Löscher (1687–1718)
- Gottlieb Wernsdorf der Ältere (1719–1729)
- Johann Georg Abicht (1730–1740)
- Karl Gottlob Hofmann (1740–1774)
- Johann Friedrich Hirt (1775–1783)
- Karl Christian Tittmann (1784–1789)
- Karl Ludwig Nitzsch (1790–1817)
Die Universität Wittenberg wurde 1817 nach dem Wiener Kongress mit der Universität Halle vereinigt und die Generalsuperintendentur in eine Superintendentur gewandelt. Danach folgten die Superintendenten
- Karl Ludwig Nitzsch (1817–1831)
- Heinrich Leonhard Heubner (1832–1853)
- Immanuel Friedrich Emil Sander (1853–1859)
- Karl August Schapper (1860–1866)
- Karl Otto Bernhard Romberg (1867–1877)
- Georg Christian Rietschel (1878–1887)
- Carl Wilhelm Emil Quandt (1888–1908)
- Friedrich Wilhelm Orthmann (1908–1923)
- Maximilian Meichßner (1926–1954)
- Gerhard Böhm (1956–1976)
- Albrecht Steinwachs (1976–1997)
Da das Amt des Wittenberger Superintendenten seit 1999 nicht mehr an eine Pfarrstelle gebunden ist, sind die nachfolgenden Superintendenten des Kirchenkreises Wittenberg nicht mehr Inhaber einer Pfarrstelle an der Wittenberger Stadtkirche.
Einzelnachweise
- ↑ Zur Sauerorgel
- ↑ Constanze Treuber u. a.: Gegossene Vielfalt. Glocken in Sachsen-Anhalt. Hinstorff, Rostock 2007, S. 161.
Literatur
- Albrecht Steinwachs (Text), Jürgen M. Pietsch (Photos): Evangelische Stadt- und Pfarrkirche St. Marien Lutherstadt Wittenberg. Edition Akanthusa, Spröda 2000, ISBN 3000069186
- Ingrid Schulze: Stadtkirche zu Wittenberg. Regensburg 1995, ISBN 3795456266
Weblinks
51.86649722222212.644794444444Koordinaten: 51° 51′ 59″ N, 12° 38′ 41″ OKategorien:- Kirchengebäude im Landkreis Wittenberg
- Kirchengebäude der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
- Bauwerk in Lutherstadt Wittenberg
- Baudenkmal (Sachsen-Anhalt)
- Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg
- Disposition einer Orgel
- Marienkirche in Sachsen-Anhalt
- Gotische Hallenkirche in Deutschland
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