Stadtmission

Stadtmission

Innere Mission bezeichnet eine Initiative zur Mission innerhalb der evangelischen Kirche, die stark auf Johann Hinrich Wichern zurückgeht und als kirchliche Antwort auf die Soziale Frage im 19. Jahrhundert zu verstehen ist.

Das soziale Elend wird dabei auf die Entchristlichung der Gesellschaft zurückgeführt, die moralische Maßstäbe außer Kraft setzt. Deshalb setzte man besonders an, für die Menschen ein Gesamtlebensgefüge herzustellen, innerhalb dessen sie wieder „heil werden“ könnten. Grundprinzip war hierbei die „rettende Liebe“. Die innere Mission erstrebte neben der Linderung der äußeren Not zugleich die Befestigung oder Wiedererweckung des christlichen und kirchlichen Sinnes in den gefährdeten oder bereits entfremdeten Gliedern der Gemeinde. Dies wurde bereits in früheren Jahrhunderten unter mancherlei Formen geübt oder angestrebt, erschien jedoch fast ausschließlich als Aufgabe des geistlichen Amtes.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

In der rationalistisch-gemeinnützigen Zeit von 1750 bis 1820 gab es schon karitatives Engagement für Arme und Verlassene ohne unmittelbare Motivation aus dem christlichen und kirchlichen Gesichtspunkt. Die Notwendigkeit vermehrter kirchlicher Fürsorge für die Armen und Verkommenen drängte sich aber in Deutschland den von der Erweckungsbewegung erfassten Kreisen auf, die nach den Befreiungskriegen in größeren Städten und gewerbereichen Gegenden einer verarmten und gleichzeitig der Kirche entfremdeten Bevölkerung sich gegenübergestellt fanden. Anregende Vorbilder boten namentlich England und Schottland dar. Doch entwickelte sich die Sache in Deutschland eigenartig aus dem örtlichen Bedürfnis.

Anfänge

Die Begründung von Rettungshäusern für die verwahrloste Jugend 1813 durch Johannes Daniel Falk in Weimar und 1816 durch Adalbert von der Recke-Volmerstein in Overdyk und Düsselthal sowie die Stiftung der Bildungsanstalt für Armenschullehrer 1820 auf Schloss Beuggen bei Basel waren die ersten denkwürdigen Schritte auf diesem Weg. Im gleichen Sinn eröffnete Johann Hinrich Wichern, von der frommen und uneigennützigen Amalie Sieveking angeregt, 1833 das Rauhe Haus bei Hamburg und Theodor Fliedner 1836 die Diakonissenanstalt in Düsseldorf-Kaiserswerth.

Name und Organisation

Den zusammenfassenden Namen der „Inneren Mission“, durch den diese Bestrebungen in Parallele mit der äußern Mission (Heidenmission oder Judenmission) gesetzt wurden, gab denselben zuerst der Göttinger Theologe Friedrich Lücke (1791–1855). Einen mächtigen Gönner fand die durch "erweckte" Kreise eingeleitete Missionsbewegung seit 1840 an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen unter Einfluss der Entwicklungen des Massenpauperismus im Revolutionsjahr 1848, fand deshalb die Stegreifrede Johann Hinrich Wicherns auf dem Kirchentag zu Wittenberg viel Beachtung in protestantischen Kreisen. In der Folge führte dieses Ereignis zur Gründung des Central-Ausschusses für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche.

„Stadtmission“

Außer den schon erwähnten Rettungshäusern für verwahrloste Kinder wie den Diakonissenhäusern für Armen-, Krankenpflege und Kleinkinderschulen umfasste die Innere Mission Vereine und Anstalten für einzeln stehende Jünglinge und Mädchen (Jünglingsvereine, Mägdeherbergen, Herbergen zur Heimat, Marthastifte), Gefängnisvereine, besonders für entlassene Sträflinge, Arbeiterkolonien für Obdach- und Arbeitslose, Magdalenenhäuser für „gesunkene Frauen“ usw. In großen Städten wie Berlin, Hamburg, Breslau wurden alle derartigen Bestrebungen einheitlich in Gestalt von sogenannten Stadtmissionen geordnet. Auch errichteten in fast allen größern Städten die Vereine für innere Mission für ihre Versammlungen eigene Häuser (evangelische Vereinshäuser, meist mit Herbergen zur Heimat verbunden).

Sozialarbeit und Politik

Vielfach berührte sich die Innere Mission mit allgemeinen staatlichen Interessen, vorzüglich auf dem Gebiet des Armenwesens (Arbeiterkolonien und Verpflegungsstationen für Landstreicher) und des Gefängniswesens, wie denn Wichern, der tatkräftigste Vertreter der innern Mission in Norddeutschland, seit 1852 in ein amtliches Verhältnis zum preußischen Gefängniswesen trat und 1858 als vortragender Rat in das Ministerium des Innern wie in den Oberkirchenrat zu Berlin berufen wurde. Mit der sonstigen, nicht erklärt kirchlichen Vereinstätigkeit wie auch mit dem adligen Johanniterorden u.a. trat die Innere Mission häufig in ein Verhältnis friedlichen Zusammenwirkens und verlor durch diese mannigfachen Berührungen mit der Außenwelt allmählich viel von dem pietistischen Anstrich, der ihr zuvor oft vorgeworfen worden war.

Siehe auch

Weblinks

Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.

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