Subsidiarität (Recht)

Subsidiarität (Recht)

Subsidiarität ist der Nachrang, das Zurücktreten einer bestimmten, meist allgemeinen, Regel oder eines Regelwerkes gegenüber einer anderen, meist speziellen Regel. Das nachrangige Regelwerk ist subsidiär (lat.: lex specialis derogat legi generali). So gelten zum Beispiel die Regelungen des Bürgerliches Gesetzbuches (BGB) für Kaufleute neben dem Handelsgesetzbuch (HGB) nur subsidiär.

Strafrecht

Subsidiarität bedeutet, dass ein Straftatbestand für den Fall keine Geltung beansprucht, dass ein anderer Tatbestand ebenfalls erfüllt ist. In diesem Fall wird der Täter also nicht wegen zwei verschiedener Delikte bestraft, sondern nur wegen des nicht subsidiären Delikts.

Es gibt sowohl eine formelle als auch eine materielle Subsidiarität. Formelle Subsidiarität liegt vor, wenn ein Tatbestand ausdrücklich bestimmt, dass der Täter wegen dieses Delikts nicht bestraft wird, falls ein anderer Tatbestand eingreift (beispielsweise Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 des Strafgesetzbuches Deutschlands: "wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist"). Umstritten ist nur teilweise, ob die ausdrückliche Subsidiarität nur gegenüber schutzrechtsverwandten Delikten (bei Unterschlagung beispielsweise Raub und Diebstahl) eingreift, oder ob sie gegenüber allen Delikten gilt. Die Rechtsprechung in Deutschland zieht in solchen Fällen aus dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG den Schluss, dass eine Beschränkung der Subsidiaritätsklausel ausdrücklich im Gesetz aufgeführt werden müsste, eine andere Auffassung also verfassungsrechtlich unzulässig ist.

Die materielle Subsidiarität ist demgegenüber nicht gesetzlich geregelt und besagt, dass ein weniger intensiver Rechtsgutsangriff hinter dem intensiveren zurücktritt. So wird nicht wegen eines versuchten Totschlags bestraft, wer sein Opfer tatsächlich umgebracht hat, obwohl die Voraussetzungen formal vorlägen. Darüber hinaus fördert auch ein Anstifter die Tat, ebenso wie ein Mittäter, beide werden jedoch nicht noch zusätzlich wegen Beihilfe bestraft.

Europarecht

Im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft bestimmt Art. 5 Abs. 2:

In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.

Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Union bringt in seiner Präambel zum Ausdruck, dass Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah getroffen werden sollen, und bestimmt in Art. 2 Abs. 2, dass die Ziele der Union unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verwirklicht werden sollen.

Völkerrecht

Für das Völkerrecht legt Art. 38 Zif. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs jene Rechtsquellen fest, die das Gericht bei der Entscheidung von Streitfällen nach Völkerrecht anzuwenden hat. Diese Quellen stehen zu einander im Verhältnis der Subsidiarität und zugleich der Spezialität.

Siehe auch: Subsidiarität

Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Subsidiarität — (von lat. subsidium „Hilfe, Reserve“) ist eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maxime, die auf die Entfaltung der individuellen Fähigkeiten, die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung abstellt. Danach sollten Aufgaben,… …   Deutsch Wikipedia

  • Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme — Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (umgangssprachlich auch als IT Grundrecht, Computer Grundrecht oder Grundrecht auf digitale Intimsphäre bezeichnet[1]) ist ein in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Recht auf Widerstand — Unter dem Widerstandsrecht wird allgemein ein naturrechtlich bzw. durch ein positives Gesetz statuiertes Recht jedes Menschen verstanden, sich unter bestimmten Bedingungen gegen staatliche Gesetze auflehnen zu dürfen bzw. ihnen den Gehorsam zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Subsidiarität — Sub|si|di|a|ri|tät 〈f. 20; unz.〉 1. 〈Pol.; Soziol.〉 1.1 〈kurz für〉 Subsidiaritätsprinzip 1.2 staatliche Unterstützung, die aber nur auf eine Ergänzung der Eigenverantwortung abzielt 2. 〈kath. Kirche〉 auf die Kirchenverfassung übertragener… …   Universal-Lexikon

  • Recht Spaniens — Das Recht Spaniens bezeichnet die Gesamtheit gerichtlich durchsetzbarer gesellschaftlicher Normen in Spanien. Inhaltsverzeichnis 1 Rechtsgeschichte 2 Rechtsquellen 3 Gerichtsorganisation 4 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Konkurrenz (Recht) — Die Frage der Konkurrenz beschreibt in der Rechtswissenschaft die Regelung der Fälle, in denen mehrere Rechtsnormen den gleichen Sachverhalt regeln. In derartigen Fällen können Anwendbarkeit und Rechtsfolgen der Normen miteinander vereinbar sein… …   Deutsch Wikipedia

  • P-Recht — Das Privatrecht ist ein Rechtsgebiet, das Beziehungen von rechtlich (nicht: wirtschaftlich) gleichgestellten Rechtssubjekten (natürlichen oder juristischen Personen) untereinander regelt. Die Bezeichnungen Bürgerliches Recht oder Zivilrecht… …   Deutsch Wikipedia

  • Zuständigkeit (Recht) — Die Zuständigkeit oder Kompetenz von Behörden und Gerichten koordiniert das reibungslose Zusammenwirken der verschiedenen Stellen innerhalb des Staates. Sie ist entscheidend für die formelle Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Nachrangprinzip — Subsidiarität (von lat. „subsidium“ Hilfe, Reserve) ist eine politische und gesellschaftliche Maxime und stellt Selbstverantwortung vor staatliches Handeln. Demnach sind bei einer staatlich zu lösenden Aufgabe zuerst und im Zweifel die… …   Deutsch Wikipedia

  • Subsidiaritätsprinzip — Subsidiarität (von lat. „subsidium“ Hilfe, Reserve) ist eine politische und gesellschaftliche Maxime und stellt Selbstverantwortung vor staatliches Handeln. Demnach sind bei einer staatlich zu lösenden Aufgabe zuerst und im Zweifel die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”