Balaeniceps rex

Balaeniceps rex
Schuhschnabel

Schuhschnabel (Balaeniceps rex)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Schreitvögel (Ciconiiformes)
Familie: Schuhschnäbel
Gattung: Schuhschnäbel
Art: Schuhschnabel
Wissenschaftlicher Name der Familie
Balaenicipitidae
Bonaparte, 1853
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Balaeniceps
Gould, 1850
Wissenschaftlicher Name der Art
Balaeniceps rex
Gould, 1850

Der Schuhschnabel (Balaeniceps rex), auch Abu Markub (arab. „Vater des Schuhs“), ist ein afrikanischer Vogel, der je nach Lehrmeinung den Schreitvögeln oder den Ruderfüßern zugeordnet wird. Der nach seinem mächtigen Schnabel benannte Vogel ist ein Bewohner von Sümpfen. Da seine Verwandtschaft noch immer rätselhaft ist, wird er meistens einer eigenen Familie Balaenicipitidae zugeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Der Schuhschnabel verdankt seinen Namen der Form seines Schnabels, der außerordentlich lang, aber auch sehr tief und breit wird. So lag die Schnabellänge eines Typenvogels bei 22,86 cm, die Schnabeltiefe bei 12,08 cm und die Schnabelbreite bei 10,16 cm. Bei den demgemäß vermessenen Individuen entsprach die Schnabellänge in etwa dem Schnabelumfang. Ein Individuum brachte es auf eine Schnabellänge von 24,5 cm. [1]

Dieser Schnabel ist in der Vogelwelt einmalig. Der Oberschnabel ähnelt dem der Pelikane; er ist scharf gerandet und trägt eine nagelartige Spitze. Hierdurch kann er schlüpfrige Beutetiere sicher festhalten oder zerteilen. Auch der Kopf ist sehr groß und relativ breit.[2] Der Hals ist hingegen, verglichen mit Störchen und Reihern, relativ kurz. Aufrecht stehend erreicht der Schuhschnabel eine Höhe von 1,20 m.

Die langen Beine enden in äußerst langen Zehen, die das Gewicht auf eine große Standfläche verteilen und so ein Einsinken verhindern. Die breiten Flügel ermöglichen einen kräftigen Flug mit ausgedehnten Gleitphasen. Im Flug wird der Kopf wie bei Pelikanen auf die Schultern gelegt, da ein ausgestreckter Hals beim Gewicht des Schnabels nicht vorteilhaft wäre.

Das Gefieder ist bläulichgrau, nur der Bauch ist weiß gefärbt. Einen Geschlechtsdimorphismus gibt es nicht.

Verbreitung und Lebensraum

Am häufigsten ist der Schuhschnabel im Süden des Sudan. Darüber hinaus findet man ihn vor allem in Kenia, Uganda, Tansania und Sambia, sowie in isolierten Vorkommen in einigen an diese angrenzenden Staaten. Sein Lebensraum sind Sümpfe und Seenufer, die dicht mit Papyrus oder Schilf bestanden sind. Da er sich selten aus dem Röhricht hervorwagt, wird er kaum gesehen. Innerhalb des Dickichts bewegt er sich vorwiegend auf schmalen Schneisen, die von Flusspferden oder Wasserböcken freigeräumt wurden.

Lebensweise

Aktivität

Oft verharrt ein Schuhschnabel lange Zeit bewegungslos. Abgesehen vom Moment des Beutefangs ist sein ganzes Verhalten von langsamen und bedächtigen Bewegungen geprägt. Obwohl er problemlos fliegen kann, nutzt er diese Fähigkeit nur selten.

Schuhschnäbel sind tagaktive Einzelgänger.

Ernährung

Die Hauptnahrung des Schuhschnabels bilden Fische, vor allem Lungenfische, Flösselhechte und Tilapien. Einen geringeren Anteil am Nahrungsspektrum machen Frösche, Echsen, Schildkröten und Schlangen aus. Weitere Beutetiere wie Wasservögel und kleine Säuger sind belegt, scheinen aber seltene Ausnahmefälle zu sein.

Beim Beutefang steht der Schuhschnabel bewegungslos, den Schnabel nach unten gerichtet. Wenn ein Fisch gesichtet wird, stößt der Kopf hinab. Dieses Zustoßen dauert weniger als eine Sekunde. Da das Gleichgewicht hierbei massiv nach vorn verlagert wird, wirft der Schuhschnabel im nächsten Moment den Kopf zurück und stützt sich mit den Flügeln am Untergrund ab, um nicht vornüber zu fallen. Die Komplexität der Prozedur ermöglicht es nicht, im Falle eines Scheiterns ein zweites Mal zuzustoßen. Die Beute wird mit dem Kopf voran verschluckt.

Fortpflanzung

Ruhender Schuhschnabel

Das Nest wird inmitten der Sümpfe erbaut, entweder auf festem Untergrund oder auf treibenden Inseln aus Vegetation. Hier wird Pflanzenmaterial zu einem kleinen Hügel angehäuft. Als strikte Einzelgänger verteidigen die Schuhschnabelpaare ein Revier von 2,5 bis 3,8 km² Größe. In das Nest werden ein bis drei Eier gelegt, die zunächst bläulichweiß sind, aber bald braunfleckig werden. Im Schnitt misst ein Ei 8,5 x 6 cm.

Beide Partner brüten. Um eine Überhitzung des Geleges zu verhindern, wird es regelmäßig gewendet und mit Wasser übergossen. Vier- bis fünfmal täglich füllen die Vögel ihre Schnäbel mit Wasser, um damit die Eier zu kühlen.

Die Jungen schlüpfen nach etwa 30 Tagen. Sie tragen ein graues Dunenkleid und ihr Schnabel ist zunächst noch relativ klein; er beginnt erst in der vierten Lebenswoche zu wachsen. Erst nach 100 Tagen sind die Jungen, die während dieser ganzen Zeit von den Eltern gefüttert werden, flügge. Selbst in diesem Alter haben sie noch einen relativ kleinen Schnabel, der zudem rosa statt gelb ist.

Systematik

Der Schuhschnabel wird für gewöhnlich als einzige Art der Familie Balaenicipitidae zugeordnet, die in die Ordnung der Schreitvögel gestellt wird. Seine Verwandtschaft ist ungeklärt. Wegen anatomischer und ethologischer Gemeinsamkeiten wurde er manchmal in die Nähe der Störche gestellt; noch ähnlicher ist er allerdings den Reihern, da er ein vergleichbares Flugbild, Puderdunen und Übereinstimmungen im Skelettbau aufweist.

Zudem wird auch eine ganz andere Möglichkeit diskutiert: dass der Schuhschnabel von pelikanartigen Vorfahren abstammt und somit zu den Ruderfüßern zu stellen sei. Tatsächlich ist diese Idee sehr alt: Schon John Gould äußerte die Theorie, als er den Schuhschnabel erstmals beschrieb. Wieder aufgelegt wurde die Theorie 1957 von P.A. Cottam. Seitdem wurde sie von Zoologen immer wieder befürwortet oder bestritten. Aufgrund von Untersuchungen des Mittelohrs und der Eischalenstruktur kamen einige Wissenschaftler zu der Überzeugung, Pelikane und Schuhschnabel müssten eng miteinander verwandt sein, während andere behaupteten, alle Gemeinsamkeiten seien das Ergebnis konvergenter Evolution. Dank der Möglichkeiten moderner, molekulargenetischer Analysen verdichteten sich in jüngerer Zeit die Hinweise auf eine Verwandtschaft von Pelikanen und Schuhschnabel. Sibley & Ahlquist ordneten den Schuhschnabel gar der Familie Pelecanidae zu. Zuletzt hat 2003 auch Gerald Mayr nach einer morphologischen Analyse den Schuhschnabel in die Nähe der Ruderfüßer gestellt; er sieht in ihm das Schwestertaxon aller Ruderfüßer mit Ausnahme der Tropikvögel. Das vom Schuhschnabel und den Ruderfüßern gebildete Taxon bilde das Schwestertaxon zum Hammerkopf[3].

Nach den Ergebnissen der Studien der vergangenen zwanzig Jahre ist eine Zuordnung des Schuhschnabels zu den Schreitvögeln fraglich geworden. Eine Einordnung in die Ruderfüßer oder in deren Nähe ist inzwischen weitaus wahrscheinlicher.

Schuhschnäbel und Menschen

Wegen altägyptischer Skulpturen, die schuhschnabelähnliche Vögel darstellen, gab es gelegentlich Vermutungen, der Schuhschnabel könnte einst entlang des Nils bis nach Ägypten verbreitet gewesen sein, was aber heute für unwahrscheinlich gehalten wird. In seinem afrikanischen Verbreitungsgebiet gab es wenig Kontakt zwischen diesem Vogel und den Menschen, und wegen seines unzugänglichen Lebensraums und lokal verbreiteten Aberglaubens wurde er fast nie bejagt.

Seit 2004 stuft die IUCN den Schuhschnabel als gefährdet ein. Wurde der Bestand 1997 noch auf 12.000 bis 15.000 Individuen geschätzt, gehen neuere Studien von 5000 bis 8000 Vögeln aus. Von diesen leben wenigstens 80 % im Sudan. Die Bestände gehen vor allem aufgrund der Landschaftszerstörung zurück. So werden die Sümpfe des Sudd momentan durch den Bau des Jonglei-Kanals massiv trockengelegt und vernichtet, was immer mehr Schuhschnäbeln den Lebensraum raubt[4].

Quellen

Die Informationen dieses Artikels entstammen größtenteils:

  • Josep del Hoyo et al.: Handbook of the Birds of the World, Band 1 (Ostrich to Ducks). Lynx Edicions, 1992, ISBN 8487334105

Darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:

  1. Wolfgang Fischer: Der Schuhschnabel. Die neue Brehm-Bücherei, 1970, S. 13
  2. John Gould: On a new and most remarkable form in Ornithology. Balaeniceps rex, Proc. Zool. Soc. London 19, 1851, S. 1/2
  3. Gerald Mayr: The phylogenetic affinities of the Shoebill (Balaeniceps rex). In: Journal of Ornithology 2003, Nr. 144, S. 157-175
  4. BirdLife International (2007) Species factsheet: Balaeniceps rex, 16.10.2007

Weblinks


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