Synchrotronstrahlung

Synchrotronstrahlung

Als Synchrotronstrahlung bezeichnet man die elektromagnetischen Wellen, die tangential zur Bewegungsrichtung von geladenen relativistischen Teilchen (Elektronen oder Positronen) austreten, wenn diese durch ein Magnetfeld abgelenkt werden. Da die Ablenkung im physikalischen Sinne eine Beschleunigung (Änderung des Geschwindigkeitsvektors) darstellt, handelt es sich um eine besondere Form der Bremsstrahlung.

Inhaltsverzeichnis

Erzeugung

Will man Synchrotronstrahlung künstlich erzeugen, benutzt man heute nicht Synchrotrone, sondern Elektronen-Speicherringe oder Freie-Elektronen-Laser. Während im Synchrotron die geladenen Teilchen weiter beschleunigt werden, wird bei einem Speicherring nur der Energieverlust laufend ausgeglichen, um die Energie des Teilchenstrahls und somit das Energiespektrum der Synchrotronstrahlung konstant zu halten.

Der Energieverlust eines Teilchens mit der Ladung Z\cdot e beträgt pro Umlauf im Speicherring[1]

\Delta E = \frac{(Ze)^2\cdot\beta^3\cdot\gamma^4}{\varepsilon_0\cdot3R}

Dabei ist ε0 die elektrische Feldkonstante, R der Radius des Speicherrings, \beta=\frac{v}{c} das Verhältnis der Teilchengeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit und \gamma=\frac{1}{\sqrt{1-\beta^2}} der Lorentzfaktor.

Ersetzt man den γ-Faktor durch die Beziehung \gamma = \frac{E}{m_{0} c^2} und nimmt relativistische Geschwindigkeiten an, also v \approx c und damit  \beta \approx 1, wird dies zu:

\Delta E = \frac{(Ze)^2\cdot E^4}{\varepsilon_0\cdot3 R \cdot (m_{0} c^2)^4}

Hieraus wird ersichtlich, warum für Synchrotronstrahlungsquellen immer Elektronen eingesetzt werden. Aufgrund der geringeren Ruhemasse ist die abgestrahlte Energie bei Elektronen im Vergleich zu den leichtesten Ionen, den Protonen, bereits um 13 Größenordnungen höher.

Der Öffnungswinkel \vartheta, unter dem die Synchrotronstrahlung gegen die Flugrichtung des Teilchens ausgesendet wird, nimmt mit wachsender Energie E des Teilchens ab und ist gegeben durch[2]

\tan{\vartheta} = \frac{1}{\gamma}=\frac{m_0\cdot c^2}{E},

wobei m0 für die Ruhemasse des Teilchens steht. Im Ruhesystem des Teilchens erfolgt die Abstrahlung aufgrund der Beschleunigung nach der Charakteristik eines Hertz'schen Dipols. Die Lorentztransformation in das Laborsystem bewirkt eine scharfe Bündelung der Abstrahlung entlang der Bewegungsrichtung.

Für die Erzeugung von Synchrotronstrahlung existieren weltweit etwa 30 Laboratorien. In Deutschland sind das unter anderem BESSY in Berlin, das DESY in Hamburg, ELSA an der Universität Bonn, DELTA an der Technischen Universität Dortmund und ANKA in Karlsruhe. Eine natürliche Quelle für Synchrotronstrahlung im All ist z. B. der Jupiter, der seine Monde mit dieser Art der Strahlung beschießt.

In der Astronomie tritt Synchrotronstrahlung immer dann auf, wenn sich ein heißes Plasma in einem Magnetfeld bewegt. Beispiele für kosmische Synchrotronquellen sind Pulsare, Radiogalaxien und Quasare.

Eigenschaften

Synchrotronstrahlung hat eine Reihe interessanter Eigenschaften für die Anwendung in Wissenschaft und Technik:

  • sehr breites, kontinuierliches Spektrum vom infraroten über den sichtbaren Spektralbereich, ins ultraviolett bis tief in den Bereich der Röntgenstrahlung
  • hohe Strahlungsintensität im Vergleich zu anderen Strahlungsquellen außer Lasern
  • die Strahlung tritt gebündelt tangential zur Bewegungsrichtung der Teilchen aus
  • abhängig von der Qualität des Elektronenstrahls eine sehr hohe Brillanz
  • die Strahlung ist polarisiert, in der Ebene des Synchrotrons linear[3][4], darunter und darüber mehr oder weniger stark elliptisch
  • sie ist gepulst, die Pulsfrequenz und -dauer sind (in engen Grenzen) einstellbar
  • exakte Berechenbarkeit des abgegebenen Spektrums, daher geeignet als Strahlungsnormal zur Eichung von Strahlungsquellen oder -detektoren
  • die Strahlung ist kohärent, was die Grundlage für den Freie-Elektronen-Laser (FEL) bietet

Brillanzunterschiede

Man unterscheidet Quellen der ersten, zweiten, dritten und vierten Generation. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Brillanz der emittierten Strahlung.

  • Bei der ersten Generation wurden Teilchenbeschleuniger der Teilchenphysik „parasitär“ verwendet.
  • In der zweiten Generation werden Synchrotronstrahlungsquellen allein zur Erzeugung der Strahlung gebaut, dabei speichert man die beschleunigten Teilchen für mehrere Stunden in Speicherringen und erreicht damit konstante Arbeitsbedingungen. Die Erzeugung der Strahlung erfolgt in speziellen Magnetstrukturen, den Dipolmagneten und Wigglern.
  • Die dritte Generation bilden Synchrotrone mit Undulatoren im Speicherring. Mit Undulatoren kann eine brillantere Strahlung als mit Wigglern erzeugt werden.
  • Freie-Elektronen-Laser (FEL) stellen die vierte Generation dar. Erste Anlagen sind FELICITA am DELTA an der TU Dortmund und der FLASH am DESY in Hamburg.

Verwendung

Die Synchrotronstrahlung kann genutzt werden für die

Quellen

  1. Bogdan Povh, Klaus Rith, Christoph Scholz, Frank Zetsche: Teilchen und Kerne. Eine Einführung in die physikalischen Konzepte, 2009, ISBN 978-3-540-68075-8, S. 365
  2. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 4. Kern-, Teilchen- und Astrophysik, 2004, ISBN 3-540-21451-8, S. 80
  3. Synchrotronstrahlung
  4. Was ist Synchrotronstrahlung?

Siehe auch

Weblinks


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