Tafelintervall

Tafelintervall

Das Tafelintervall von tabellierten Rechenhilfsmitteln ist neben der Anzahl der Dezimalstellen die wichtigste Kennzahl von Tabellenwerken, beispielsweise von Winkelfunktions- oder Logarithmentafeln, von astronomischen Ephemeriden oder Hilfstafeln für das Erdellipsoid.

Als Tafelintervall wird die Schrittweite jenes Arguments bezeichnet, mit dem man in die Tabelle eingeht. Beispielsweise ist dies für Winkelfunktionen der Winkel selbst, für vorausberechnete Planeten das Datum.

Inhaltsverzeichnis

Effizienz der Benutzung

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Intervall und der Stellenanzahl eines Tafelwerkes ist für die Effizienz und Geschwindigkeit des Nachschlagens von wesentlicher Bedeutung, weil man bei höherer Genauigkeit zwischen den tabellierten Werten interpolieren muss. Eine Ausnahme sind lediglich 3- oder 4-stellige Tabellen, bei denen man jeden Wert direkt entnehmen kann.

Bei mehr als 5 Dezimalen will das Tafelintervall bereits gut überlegt sein, wenn die Zahlen nicht mehrerer Bände füllen sollen. Ist das Intervall zu groß, genügt die lineare Interpolation zwischen den Spalten nicht mehr, sodass der Benutzer auf die zeitaufwendige quadratische Interpolation übergehen muss. Ist das Tafelintervall hingegen zu fein, wächst die Größe der Tabelle bzw. der Umfang des Buches rasch an – bis hin zur Unbenutzbarkeit oder zum raschen Verschleiß eines zu dicken Buches.

Als Beispiel für ein sehr effizientes und ausgewogenes Tafelwerk möge der 7-stellige Vega-Bremiker dienen. Diese von 1795 bis etwa 1960 in über 100 Auflagen publizierte Logarithmentafel Logarithmisch- trigonometrische Tafeln, nebst andern zum Gebrauch der Mathematik eingerichteten Tafeln und Formeln wurde 1793–97 vom slowenisch-österreichischen Offizier Freiherr von Vega für die Militärtechnik berechnet und verbreitete sich rasch in den verschiedensten Fachgebieten und Anwendungen.

Zahlenbeispiel aus dem „Vega-Bremiker“

Der trigonometrische Teil des „Vega-Bremiker“ (Teil II und III) enthält die Winkelfunktionen Sinus und Tangens, und zwar in 2 Abstufungen:
für Winkel von 0° bis 5° im Tafelintervall 1" (Bogensekunde) sowie von 0° bis 45° (infolge der Co-Funktionen de facto bis 90°) im Intervall von 10". Wie klug diese Wahl schon vor über 200 Jahren getroffen wurde, zeigen einige Werte der Logarithmen (vermehrt um 10):

             log sin    Tafeldiff.    log tan
                                                                    Intervall 1" und 
2°00'00"   8,542 8192   (603  604)   8,543 0838 Tafeldifferenzen von 600:
2 00 01    8,542 8795    603  603    8,543 1442 zur Interpolation auf 0,01"
2 00 02    8,542 9397    602  603    8,543 2045 genügt Rechenschieber,
2 00 03    8,543 0000    603  604    8,543 2649 für 0,1" kurze Kopfrechnung.
4°00'00"   8,843 5845   (301  302)   8,844 6437    Die Tafeldifferenz ist 
4 00 01    8,843 6146    301  303    8,844 6740 nur mehr halb so groß, 
4 00 02    8,843 6447    301  302    8,844 7042 deshalb bei 5° Übergang
4 00 03    8,843 6748    301  303    8,844 7345 auf 10" Tafelintervall:

6°00'00"   9,019 2346  (2004  2026)  9,021 6202     Intervall 10":
6 00 10    9,019 4348   2002  2025   9,021 8227 Bis 45° sinken die Tafel-
6 00 20    9,019 6350   2002  2024   9,022 0251         differenzen auf 210 u. 420,
6 00 30    9,019 8351   2001  2023   9,022 2274         sind also noch sinnvoll.

Theoretisch könnte man mehrere Abstufungen vornehmen und damit den Umfang des Buches (das 4,5 cm dick ist) etwas reduzieren - beispielsweise

 0 - 5°    Tafelintervall 1"  (wie oben),
 5 - 10°   Tafelintervall 5"     (statt 10" wie oben)
10 - 25°   Tafelintervall 10"
25 - 45°   Tafelintervall 20".

Die Tafeldifferenzen, zwischen denen jeweils zu interpolieren ist, würden dadurch gleichmäßiger - z.B. für den Sinus (2-45°) etwa im Bereich 250-900 (statt Vega-Bremiker 210-2400) .. und das Buch etwa 15 % dünner. Dieser geringe Vorteil hätte aber eine starke Zunahme der Rechenfehler zur Folge, weil die überschaubare Abstufung (1 : 10) durch mehrere unrunde Stufen (1 : 5 : 10 : 20) ersetzt würde.

Heutige Bedeutung von Tafelwerken

Seit dem Aufkommen der elektronischen Taschenrechner in den 1970er Jahren haben die o. e. Logarithmentafeln zwar stark an Bedeutung verloren, doch sind ähnliche Tafelwerke für verschiedene Funktionen wie harmonische Kugelfunktionen, elliptische Integrale oder zur Lösung transzendenter Gleichungen von Bedeutung. Auch als Hilfstafeln für komplexe Aufgaben der Technik, der Statik usw. besitzen sie bleibende Bedeutung.

In der Geschichte der Mathematik und der Technikgeschichte war die optimale Wahl von Tafelintervallen eine wichtige Aufgabe bei der Vorbereitung verschiedenster Berechnungen. Auch heute zeigt jedes Astronomische Jahrbuch dem erfahrenen Benutzer, ob dieser Wahl genügendes Augenmerk gewidmet wurde.

Variable Geschwindigkeit der Planeten

Als Beispiel mögen die Ephemeriden (Vorausberechnungen) der 5 hellen Planeten Merkur bis Saturn für das Jahr 2008 dienen. Diese freiäugig sichtbaren Planeten haben Umlaufzeiten zwischen 0,24 und 30 Jahren. Im üblichen Tafelintervall von 10 Tagen bewegt sich Merkur am Sternhimmel um bis zu 20° weiter, Venus und Mars um etwa 10°, Jupiter und Saturn nur mehr um maximal 2,5° bzw. 1°. Daher ist es sinnvoll, die Tafelintervalle dieser Geschwindigkeit anzupassen.

Der deutsche Kalender für Sternfreunde tut dies nur für Merkur (5-Tage-Intervalle), während die anderen vier Planeten im 10-Tages-Intervallen tabelliert sind. Ein sehr praxisorientiertes Jahrbuch, der österreichische Himmelskalender, benutzt hingegen Zeit recht nützlich, weil man meist nur in Viertel eines Intervalls interpolieren muss und dies im Kopf leichter als mit Zehnteln ist.

Quellen

  • Vega-Bremiker, Logarithmisch-trigonometrisches Handbuch. 100.Auflage, Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1959.
  • Th.Neckel, O.Montenbruck, Ahnerts Astronomisches Jahrbuch 2008. Sterne und Weltraum-Verlag, Heidelberg 2007.
  • H.Mucke, Himmelskalender 2008. Österreichischer Astroverein, Wien 2007.

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