- Taubblindheit
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Taubblindheit ist eine Sinnesbehinderung. Sie liegt vor, wenn sowohl das Hör- als auch das Sehvermögen soweit eingeschränkt sind, dass der Ausfall des einen Sinnes nicht mehr durch den anderen ausgeglichen werden kann. Taubblindheit ist eine eigene Behinderungsform und darf nicht als „Kombinations-Behinderung“ von Gehörlosigkeit und Blindheit gesehen werden.
Inhaltsverzeichnis
Symptome und Beschwerden
Es bestehen gleichzeitig Gehörlosigkeit und Blindheit.
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen:
- blind geboren und ertaubt vor Spracherwerb,
- blind geboren und ertaubt nach Spracherwerb,
- gehörlos geboren und erblindet im Kindesalter,
- gehörlos geboren und erblindet in hohem Alter,
- weder taub noch blind geboren; später ertaubt und erblindet (entweder gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeiten)
- taubblind geboren.
Es ist leicht vorstellbar, dass in den ersten beiden Situationen blindenspezifische Hilfsmittel eine größere Rolle spielen, in den beiden dann genannten Situationen eine Zugehörigkeit zur Gehörlosen(kultur)gemeinschaft möglich ist, in letztgenannter Situation ein davon völlig unterschiedliches (erheblich hilfsbedürftiges) Leben geführt wird.
Ursachen
Es gibt mehr als 70 verschiedene Ursachen für Taubblindheit, eine davon ist das Usher-Syndrom. Generell kann man in zwei große Bereiche einteilen: erworbene und angeborene Taubblindheit.
Behandlung
Taubblindheit ist eine Behinderung und keine Krankheit. U. a. deshalb ist sie nicht „behandelbar“. Folgend wird auszugsweise beschrieben, was bei der Bewältigung der Einschränkungen beider Fernsinne hilfreich ist:
Bei geringer Sehfähigkeit können zum Lesen bestimmte Hilfsmittel (große Bildschirme, Leselupen) zum Einsatz kommen. Das Erlernen der Gebärdensprache mit Hilfe von haptischen Sinneswahrnehmungen wie Fühlen und Berührung ist ein weiterer Weg zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit. Bei geringer Hörfähigkeit kann mit Hörhilfen gearbeitet werden. Eine geringe Anzahl von taubblinden Kindern wird auch mit einem Cochleaimplantat versorgt, d. h., mit einer Hörprothese. Dies ist dann möglich, wenn der Hörnerv funktionstüchtig ist. Es gibt aber bis heute keine sicheren Erkenntnisse über den Nutzen dieser (operativen) Methode.
Folgen und Komplikationen
Taubblindheit erschwert die selbständige Lebensführung erheblich. Die schulische Ausbildung (Sonderschule), die Berufswahl, das Arbeitsleben, die Partnerschaft bzw. Ehe, die Kindererziehung, die Mobilität und die Bewältigung des Alltags sind stark beeinträchtigt.
Blindheit erschwert in diesem Zusammenhang die räumliche Orientierung, die Mobilität und die Aufnahme all der Informationen, die ausschließlich oder überwiegend nur optisch verfügbar sind.
Gehörlosigkeit schränkt die Kommunikation ein, so dass eine Unterhaltung taktile Gebärdensprache (Berührungssprache) erfordert, z. B. Lormen oder Tadoma.
In Ländern, in denen die Beschlüsse des Mailänder Kongresses von 1880 umgesetzt wurden (z. B. Deutschland und andere deutschsprachige Länder), konnten Betroffene oft ihre Kommunikationsform nicht frei wählen. Hier ist das Lormen (bei dem in die Handinnenfläche getastet wird) weit verbreitet, während in vielen anderen Ländern von Taubblinden die „geführte Gebärde“ eingesetzt wird, eine spezielle Gebärdensprache, die darauf angepasst ist, dass sie vom „Hörenden“ an den Händen des „Sprechenden“ abgefühlt wird.
Eine Ausnahme war das Oberlinhaus in Potsdam. Von 1887 bis 1962 befand sich hier die einzige Schule und Wohneinrichtung für taubblinde Menschen in Deutschland.[1] Von Beginn an wurde hier daktyliert und/oder körpernah (taktil) gebärdet.[2]
Berühmte Taubblinde
Die historisch bekannteste taubblinde Person war mit ihrer gelungenen Schicksalsbewältigung Helen Keller. Sie verlor im Alter von 19 Monaten durch eine bis heute nicht genau identifizierte Krankheit ihr Augenlicht und ihr Hörvermögen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ein beginnender Lautspracherwerb stattgefunden, der jedoch erst mehr als vier Jahre später, nach dem Eintreffen einer Privatlehrerin, wiederaufgenommen wurde.
Im deutschsprachigen Raum gleichermaßen bekannt ist die taubblinde Hertha Schulz. Hertha Schulz wurde am 14. Januar 1887 in das Oberlinhaus gebracht. Damals war sie zehn Jahre alt und konnte weder sehen noch hören. Mit ihrer Aufnahme begann der diakonische Dienst für taubblinde Menschen in Deutschland. Hertha lernte lesen, schreiben und daktylieren.[3]
Literatur
- Cardinaux, Verena; Cardinaux, Hubert; Löwe, Armin (1981): Nehmt mich an. Die Erziehung taubblinder Kinder. Heidelberg: Groos.
- Cheong, Eun (2002): „Schwerstbehinderte“ Menschen verstehen. Zur Psychologie und Pädagogik geistig behinderter blindtaubstummer Menschen. Butzbach-Griedel: Afra-Verl.
- Etheridge, David (Hg.) (1995): The education of dual sensory impaired children. Recognising and developing ability. 1. publ. London: Fulton.
- Goode, David (1994): A world without words. The social construction of children born deaf and blind. Philadelphia: Temple Univ. Press (Health, society, and policy).
- Lemke-Werner, Gudrun (2009): Taubblindheit, Hörsehbehinderung. Ein Überblick. Würzburg: Ed. Bentheim.
Einzelnachweise
- ↑ Oberlinschule - Geschichte. Abgerufen am 5. Oktober 2009
- ↑ D. Theodor Hoppe. Vater der Krüppel und Taubstummblinden. Ein Lebensbild. Hoppe - Hochbaum, Wilhelm:Stiftungsverlag Potsdam
- ↑ [1]
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