Terrassenweinbau

Terrassenweinbau
Durch Trockenmauern getrennte Terrassen des Cannstatter Zuckerle in Stuttgart
Terrassierte Steillagen im Radebeuler Goldenen Wagen nahe der Hoflößnitz

Als Steillagenweinbau bezeichnet man den Weinbau in extremen Hanglagen, die keine Bewirtschaftung in Falllinie mit radgetriebenen Traktoren zulassen. Terrassenweinbau wird in traditionellen Kleinparzellen betrieben, die durch Trockenmauern und Mauertreppen gegliedert sind. Die Mauersteine wurden aus dem umliegenden Gestein gebrochen und können daher aus Sandstein (Mainviereck, unteres Taubertal), Muschelkalk (Neckartal, Jagsttal), Schiefergestein (Mosel, Mittelrhein, Ahr, Rheingau), Syenit (Lößnitz) oder Flusskiesel bestehen.

Berühmte Steillagen

Besonders bekannte Steillagengebiete sind in Deutschland Mosel-Saar-Ruwer, Mittelrhein, Ahr und weite Teile des Neckartales (Felsengärten bei Besigheim, Cannstatter Zuckerle). Steillagen prägen auch den Weinbau in der österreichischen Wachau und den Schweizer Kantonen Waadt (Lavaux, Chablais) und Wallis.

Als steilste Weinlagen Europas gelten der Engelsfelsen im Badischen Bühlertal mit 75° und Calmont an der Mosel mit bis zu 68° Neigungswinkel (45° entspricht 100% Steigung). Weitere weltbekannte Steillagen liegen bei Bernkastel-Kues (Bernkasteler Doctor), Rüdesheim am Rhein (Rüdesheimer Berg Schlossberg, Rottland und Roseneck) und Assmannshausen (Höllenberg) sowie in Triefenstein (Homburger Kallmuth) und Würzburg (Stein) am Main.

Die berühmtesten Steillagen Frankreichs sind der Rangen de Thann im Elsass und die Hänge von Condrieu, Côte-Rôtie, Hermitage und Cornas im nördlichen Rhônetal. In Italien fallen die Cinque Terre in dieselbe Kategorie.

Bewirtschaftung von Steillagen

Flurbereinigter Assmannshäuser Höllenberg im Rheingau
Steillage in Wiltingen an der Saar

Je nach Bodenart liegt die Grenze der Direktzugfähigkeit zwischen 45 bis 55% Hangneigung. Die Bewirtschaftung in Falllinie erfolgt entweder mit Seilzug (Sitzpflug) oder neuerdings mit speziellen Raupenfahrzeugen. Alle wesentlichen Pflegearbeiten wie Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Düngung, Laubschnitt, Traubentransport und chemische Unkrautbekämpfung lassen sich so mechanisieren. Die Traubenlese erfolgt jedoch weiterhin von Hand, an der Entwicklung eines seilgezogenen Vollernters wird derzeit gearbeitet.

Durch umfangreiche Flurbereinigungsverfahren wird versucht, möglichst die Direktzugfähigkeit zu erreichen. Bei geeigneter Grundstücksform können auch befahrbare schmale Terrassen in den Hang geschoben werden (Querterrassierung). Durch die notwendigen Böschungen zwischen den Terrassen geht jedoch ca. 40% der Anbaufläche verloren; eine Pflege der Böschungen ist notwendig, damit sie nicht verbuschen. Größere Querterrassierungen wurden durchgeführt in der Ortenau bei Durbach und Kappelrodeck, im Jagsttal bei Dörzbach, am Kaiserstuhl u.a. bei Oberrotweil-Oberberg und Ihringen-Abtsweingarten, im Mittelrheintal (Oberweseler Oelsberg) sowie an der Untermosel bei Koblenz-Moselweiß.

Sind die Parzellen durch Zwischenmauern unterbrochen, erfolgt die Bewirtschaftung in reiner Handarbeit. Lediglich Material-und Personentransport kann über Einschienen-Zahnradbahnen (Monorack) erfolgen. Der Pflanzenschutz wird in zusammenhängenden Flächen mit Hubschraubern durchgeführt, spezielle Behandlungen erfolgen vom Boden meist über Schlauchspritzung, in Kleinbetrieben auch noch mit Motorrückenspritzen.

Steillagenweinbau als Pflege der Kulturlandschaft

Durch nicht mehr kostendeckende Produktionsbedingungen fallen zunehmend steile Weinberge aus der Produktion heraus und werden zur Sozialbrache. Zur Erhaltung des Landschaftbildes werden z.B. an der Mosel Subventionen für die Bewirtschaftung und Wiederbestockung gewährt. Da diese Weinlagen sehr landschaftsprägend sind, fallen nicht bewirtschaftete Flächen schon von weiter Entfernung sehr negativ auf. Eine Mindestpflege der Brachflächen, also die Rodung nicht mehr bewirtschafteter Reben, so genannte Drieschen, und regelmäßiges Abmähen des Aufwuchses soll zum Erhalt der Kulturlandschaft beitragen. Zudem werden damit gefährliche Schaderreger wie die Reblaus oder Schwarzfäule der Rebe (eine Pilzkrankheit der Rebe) zurück gehalten. Die Offenhaltung von früherem Rebgelände hat auch ökologische Aspekte, da somit wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten in Ihrem Bestand erhalten werden können. Beispielhaft werden so frühere Rebterassen im Jagsttal, Taubertal oder im Raum Tübingen von Naturschutzgruppen gepflegt und eingefallene Trockenmauern wieder aufgerichtet. Diese sind auf Spendengelder oder öffentliche Förderung angewiesen. Problematisch ist die Bewirtschaftung einzelner Rebgrundstücke innerhalb Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Neben zunehmender Beschattung durch aufwachsende Büsche und Bäume an den Grenzen werden solche Rebgrundstücke auch verstärkt von Schwarz- und Rehwild sowie Schadvögeln (Amseln, Drosseln) heimgesucht. Maßnahmen, die einer Bewirtschaftungserleichterung dienen, wie das Entfernen von Stützmauern oder Planie des Geländes bei Neupflanzungen sind vielfach aufgrund von Landschaftsschutzbestimmungen untersagt. Eine Beeinträchtigung angrenzender Naturflächen kann durch den Eintrag von Düngemitteln und Pflanzenschutzmittelabdrift erfolgen. Durch den Anbau von pilzfesten Sorten können diese Einträge weitgehend vermindert werden. Derartige Grundstücke werden häufig von Hobbywinzern gepflegt, denen die Erhaltung der Kulturlandschaft am Herzen liegt und die Gewinnabsicht eine untergeordnete Rolle spielt. Die Kulturlandschaft Dresden-Radebeul bis Diesbar-Seußlitz (Bereich Meißen) mit ihren Steillagen, im Sächsischen Weinanbaugebiet gelegen, ist im Ostteil Deutschlands besonders erhaltenswert.


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