Tilsiter Lichtspiele

Tilsiter Lichtspiele
Kinderkino in den Tilsiter Lichtspielen im August 2010

Die Tilsiter Lichtspiele sind ein 1908 gegründetes Programmkino im Berliner Stadtteil Friedrichshain.

Das Kino bietet einen kleinen Kinosaal mit 66 Sitzplätzen (davon 6 auf bequemen Sofas) sowie eine angeschlossene Kneipe, die neben dem regulären Kinobetrieb als Gaststätte und Veranstaltungsort zur Verfügung steht.

Inhaltsverzeichnis

Tilsiter Lichtspiele

Geschichte

Die Tilsiter Lichtspiele wurden 1908 in der Tilsiter Straße (1969 umbenannt in Richard-Sorge-Straße) in einem um die Jahrhundertwende erbauten Mietshaus in der Hausnummer 25A eröffnet. Aus dem ehemaligen Straßennamen leitet sich der Name des Kinos ab.

Ein historisches Foto von 1938, das auch als Vorlage für die Gestaltung der Speisekarte in der Kinokneipe diente, zeigt die vor dem Kino posierende komplette Belegschaft des Kinos sowie die Außenwerbung für die gerade im Kino laufenden Filme "Schüsse in Kabine 7" (Regie: Carl Boese, D 1938) und "Grossalarm" (Regie: Georg Jacoby, D 1938). Eine der Personen auf dem Foto war die damalige Kassiererin, die im Jahr der Neueröffnung 1994 noch im Haus gegenüber wohnte. Dieses Foto diente auch als Cover für den lokal vertriebenen Friedrichshainer Geschichtskalender 2008 des Friedrichshainer Geschichtsverein Hans Kohlhase e.V..

1961 eröffnete unweit der Tilsiter Straße, in der Karl-Marx-Allee, das Kino Kosmos mit über 1000 Plätzen. Kurz vorher wurden die Tilsiter Lichtspiele geschlossen. 1994, nach 33 Jahren Pause, erfolgte durch drei Filmschaffende die Sanierung und Wiedereröffnung des Kinos, nachdem das leerstehende Kino für 3 Jahre zunächst als Filmatelier genutzt wurde.

Laut Betreiber wurden die Kinomaschinen Anfang der 60er Jahre abgebaut und von einem film- und kinobegeisterten sowjetischen Offizier bei seiner Rückkehr in die russische Exklave Kaliningrad mitgenommen, um damit in der Stadt Sowjetsk, dem früheren Tilsit, ein Kino aufzubauen.[1]

Im Jahr 2008 feiert es sein hundertjähriges Bestehen. Im September 2008 wurde öffentlich bekannt, dass aufgrund von erhöhten Mietforderungen der Weiterbetrieb der Tilsiter Lichtspiele gefährdet ist.[2]

Programm

Wie für ein Programmkino typisch, gehören zum Filmprogramm der Tilsiter Lichtspiele aktuelle Independentspielfilme und Dokumentarfilme aus Europa, Asien und Amerika sowie Filmklassiker aus jeder Epoche, zum Teil in Filmreihen. Bevorzugt werden Filme in originalsprachigen Fassungen gezeigt. Zum Programm gehören auch Retrospektiven, im Jahr 2008 beispielsweise über den Berliner Regisseur Lothar Lambert, den in Berlin lebenden österreichischen Underground-Filmemacher Carl Andersen und den deutschen Filmregisseur Roland Klick. Im Kino finden auch regelmäßig Sonderveranstaltungen mit Vorabpremieren und DVD-Präsentationen statt.

Neben dem Kinoprogramm finden in den Tilsiter Lichtspielen auch regelmäßig literarische Lesungen, Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Dabei bildet die ostdeutsche Kultur einen besonderen Schwerpunkt, beispielsweise mit Lesungen zu Ehren von Wolfgang Hilbig oder Thomas Brasch, mit Schauspielern wie Jürgen Holtz und Inge Keller, und mit Künstlern wie Florian Havemann, Egon Günther, Thomas Günther oder Herwig Kipping. Einmal im Jahr findet in der Richard-Sorge-Straße ein Nachbarschafts-Straßenfest statt, an dem sich auch die Tilsiter Lichtspiele als Veranstaltungsort beteiligen.

Das Magazin NovoArgumente veranstaltet in Zusammenarbeit mit Institutionen und Gruppierungen wie dem British Council, dem britischen Manifesto Club oder dem Institute of Ideas halbjährige Diskussionsveranstaltungen unter dem Titel NovoDebatte.

Die täglichen Abendvorstellungen beginnen 18:00 Uhr, durchschnittlich werden am Abend vier verschiedene Filme gezeigt. Die letzte Vorstellung findet gegen Mitternacht statt, damit sind die Tilsiter Lichtspiele eines der wenigen Kinos in Berlin, bei denen noch Filme um Mitternacht gezeigt werden. Von Donnerstag bis Sonntag finden auch Nachmittagsvorstellungen statt, mit alten Berlinfilmen und Kinderfilmen.

Das Programm wird monatlich gestaltet und sowohl im Internet als auch in einer Printausgabe veröffentlicht. Die gedruckte Ausgabe hat eine Auflage von 5.000 Stück, ist im handlichen A6-Format gefaltet und umfasst 12 A6-Seiten.

Auszeichnungen

Für das Jahresprogramm 2008 erhielten das Betreiberkollektiv der Tilsiter Lichtspiele Preise bei der Verleihung des Kinoprogrammpreises Berlin-Brandenburg (Juni 2009) sowie bei der Verleihung des Kinoprogrammpreises des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (September 2009). In der Begründung für den Kinoprogrammpreis Berlin-Brandenburg heißt es: "Die Art, wie in den Tilsiter Lichtspielen Kino gemacht wird, ist ungewöhnlich. Das gilt für die Macher selbst, die unkonventionell als Kollektiv arbeiten, und noch viel mehr für ihr Programm: Arthaus-Filme, cineastische Kostbarkeiten und Kino-Raritäten – eine außergewöhnliche Mischung."[3]

Das Jahresprogramm 2009 wurde am 31. August 2010 bei der 12. Kinoprogrammpreisverleihung Berlin-Brandenburg mit einem Hauptpreis ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es u.a.: "Respekt bei der recht radikalen Programmierung!"[4] Auch bei der Verleihung des Kinoprogrammpreises des BKM 2010 wurden die Tilsiter Lichtspiele ausgezeichnet.

Das Jahresprogramm 2010 erhielt bei der 13. Kinoprogrammpreisverleihung Berlin-Brandenburg einen der Hauptpreise. Aus der Begründung der Jury: "Etabliert als Kiezkino, das eher nachspielt, als dass es Erstaufführungen bekommt. Immerhin 8 im Jahre 2010, meistens die kleinen profilierten. Das hat wieder zu mehr Besuchern als im Vorjahr geführt. So kann es weitergehen. Aber das Kollektiv der Tilsiter Lichtspiele hat noch mehr und größeres am Ostkreuz vor. Wir lassen uns gerne überraschen."[5]

Filmproduktion

Zwischen 1991 und 1999 wurden von den Betreibern des Kinos zahlreiche Kurzfilme und mehrere lange Spielfilme auf Beta-SP produziert, unter anderem Die Wahrheit über die Stasi (1992/2008) und Lethe 2014 (1996). Der Mitbetreiber Eckard Stüwe war an der Produktion des Spielfilms Lunik (2007) beteiligt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geschichte der Tilsiter Lichtspiele
  2. Artikel in der taz vom 10. November 2008
  3. Pressemeldung Medienboard Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009
  4. Pressemeldung Medienboard Berlin-Brandenburg Jurybegründungen vom 1. September 2010
  5. Pressemeldung Medienboard Berlin-Brandenburg vom 29. August 2011
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